2. April: Befreiung – und … Stagflation?

Natixis Investment Managers | 11.04.2025 10:43 Uhr
Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest / © e-fundresearch.com / DNCA Invest
Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest / © e-fundresearch.com / DNCA Invest

Während der Telefonkonferenz zur Jahresergebnispräsentation von LVMH äußerte sich CEO Bernard Arnault zu seiner Teilnahme an der Amtseinführung von Donald Trump. Er habe dort den „Wind des Optimismus gespürt, der in diesem Land wehte“. Zweieinhalb Monate später scheint sich der Wind jedoch gedreht zu haben – hin zu extremer wirtschaftlicher Unsicherheit als Reaktion auf die Einführung „wechselseitiger“ Zölle. Kein Anlass also, eine Flasche Dom Pérignon zu entkorken – eine der Flaggschiffmarken des französischen Luxusgiganten.

Zur Verteidigung dieses Optimismus sei erwähnt, dass er breit vom Konsens getragen wurde – selbst kurz vor dem entscheidenden Stichtag, dem 2. April. In einer im Vorfeld der Ankündigungen durchgeführten Umfrage von Goldman Sachs lagen die erwarteten Zollanhebungen im Schnitt bei 9%, während die US-Regierung letztlich einen gewichteten Durchschnittssatz von +22,5% verkündete. Das entspricht einer Verzehnfachung des durchschnittlichen US-Zollsatzes innerhalb von drei Monaten – auf ein Niveau ähnlich dem der Smoot-Hawley-Gesetze von 1930.

Ebenso zeigte die Forward-Volatilitätskurve des S&P 500 in der Woche vor den Ankündigungen keinen Ausschlag zum 2. April hin. Der Ausgang ist bekannt: ein Rückgang des S&P 500 um 4,84% am Tag der Ankündigung, was einer Marktkapitalisierung von 2,7 Billionen USD entspricht – der zweithöchste Verlust in der Geschichte nach dem 16. März 2020 während der Pandemie. Zudem fiel die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe kurzzeitig unter 4%, und der Dollar verlor an Wert.

Handelskonflikt und wirtschaftliche Realität

Jenseits der eher simplen Berechnungsmethodik* muss in Erinnerung gerufen werden, dass das US-Handelsdefizit Ausdruck der Diskrepanz zwischen inländischer Ersparnis und Investition ist. Laut wirtschaftswissenschaftlicher Literatur ist es unwahrscheinlich, dass zusätzliche Zölle dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu beheben.

Trotz dieser Erkenntnis sehen sich Unternehmen gezwungen, sich an die amerikanische Realpolitik anzupassen – wie etwa der französische Reeder CMA CGM. Mit großem medialem Aufwand im Oval Office kündigte CEO Rodolphe Saadé an, 20 Milliarden Dollar in den USA investieren zu wollen, um die Präsenz im Land auszubauen.

Für Staaten werden diese Handelskonflikte unweigerlich Kosten verursachen: weniger Wachstum und höhere Inflation. Das Budget Lab der Universität Yale** schätzt, dass dieser angebotsseitige Schock das US-BIP im Jahr 2025 um 90 Basispunkte senken und die Verbraucherpreise um 130 Basispunkte steigen lassen könnte.

Die Signale vom Anleihemarkt bestätigen diese Tendenz: Der einjährige US-Inflationsswap stieg am Tag der Ankündigung um 13 Basispunkte und seit Jahresbeginn um 80 Basispunkte auf 3,3% – den höchsten Stand seit zwei Jahren. Zudem rechnen die Märkte inzwischen mit einer Zinssenkung im Juni und insgesamt 120 Basispunkten an Lockerung innerhalb der nächsten zwölf Monate. Wenn Befreiung sich auf einmal auf Stagflation reimt…

Europa zwischen Widerstand und Unsicherheit

Auch Europa bleibt nicht verschont – wenn auch in geringerem Ausmaß. Erwartet werden Wachstumsrevisionen, ausgelöst durch das globale Abkühlen der Konjunktur, verschärfte Finanzierungsbedingungen und einen stärkeren Euro. Die inflatorischen Auswirkungen sind hier ambivalenter, da sich die Effekte möglicher Handelsumleitungen außerhalb der USA und die Folgen geringeren globalen Wachstums (etwa durch sinkende Rohstoffpreise) gegenseitig beeinflussen.

Das US-Handelsbilanzdefizit verschafft den Vereinigten Staaten natürlich einen taktischen Vorteil: Da das Land mehr importiert als es exportiert, kann die Regierung mehr ausländische Waren besteuern, als es ihre „Handelspartner“ umgekehrt tun könnten. Doch dieser Vorteil ist gegenüber Europa nicht entscheidend: Es gibt keinen Grund, warum sich Europa auf Warenzölle beschränken müsste. Vielmehr könnte es gezielt US-Dienstleistungen ins Visier nehmen – insbesondere jene, die von in Europa ansässigen US-Unternehmen erbracht werden. Im Gegensatz zur Warenbilanz weist die US-Dienstleistungsbilanz einen deutlichen Überschuss auf, und die „Rente“ von Google, Netflix & Co. ist ein naheliegendes Ziel.

In einer taktischen Kehrtwende – möglicherweise auch angesichts der Entwicklung am US-Zinsmarkt – hat Präsident Trump beschlossen, die geplanten Zollerhöhungen (mit Ausnahme Chinas) für 90 Tage auszusetzen. Diese Entscheidung wurde von den Märkten positiv aufgenommen und führte zu einer ersten Normalisierung der Volatilität.

Doch über kurzfristige Marktschwankungen hinaus stellt sich die berechtigte Frage, wie man Portfolios angesichts des Endes des Multilateralismus sinnvoll positioniert. Das Modell der „effizienten Diversifikation“***, entwickelt von Harry Markowitz, kann dabei als Kompass dienen – etwa durch Investitionen in TIPS, Edelmetalle oder defensive Titel. Markowitz beschrieb Diversifikation als the only free lunch investment – ein Prinzip, das in einer Welt, in der durch Zollschranken alles teurer wird, kaum relevanter sein könnte.

Von Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest

* Verhältnis des Handelsüberschusses jedes Landes zu den US-Importen aus diesem Land, anschließend Division des so erhaltenen Prozentsatzes durch zwei.
** Where We Stand: The Fiscal, Economic, and Distributional Effects of All U.S. Tariffs Enacted in 2025 Through April 2, Budget Lab, Yale.
*** Die Portfoliotheorie von Harry Markowitz zielt darauf ab, Diversifikation und Vermögensverwaltung zu optimieren, um Rendite zu maximieren und Risiken zu minimieren.
 

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