Ein japanisches Sprichwort erinnert uns weise daran: Wir altern nicht, solange wir lernen. Insofern dürften wir noch lange jung bleiben – denn vom Führungsstil des US-Präsidenten in seiner zweiten Amtszeit gibt es weiterhin viel zu lernen. Doch diese Frischzellenkur hat ihren Preis: neue Rekorde aller Art vor dem Hintergrund einer zunehmenden Marktverwerfung seit dem inzwischen berüchtigten Liberation Day.
Neben einem Rekordvolumen im US-Aktienhandel (28,7 Milliarden gehandelte Titel am 7. April) und dem größten intraday-Rückschlag am 8. April war es vor allem die Entkopplung von US-Dollar und der Rendite 30-jähriger US-Staatsanleihen, die die ideologische Linie der US-Regierung ins Wanken brachte. Diese späte Kurskorrektur hat Spuren hinterlassen: Noch Ende letzten Jahres herrschte nahezu Einigkeit über die Stärke der US-Wirtschaft – inzwischen jedoch erwartet laut jüngster Umfrage der Bank of America knapp die Hälfte (49%) der Investoren ein sogenanntes hard landing.
Wenig überraschend hat Gold die „Magnificent Seven“ als bevorzugtes Investment verdrängt. Auch der Unternehmensanleihenmarkt, der 2024 massive Mittelzuflüsse verzeichnete, wurde zuletzt von heftigen Abflüssen erschüttert: In den vergangenen vier Wochen wurden laut EPFR-Daten rund 30 Milliarden US-Dollar im globalen Investment-Grade-Segment und 14 Milliarden im High-Yield-Bereich abgezogen. Daraus ergibt sich die zentrale Frage: Bieten diese Anpassungen bei Erwartungen und Positionierung neue Chancen?
Ein Blick auf die Spreads bietet hier Orientierung, denn sie gelten als zentrales Kriterium zur Bewertung dieser Assetklasse. Und das Bild ist ermutigend: Nachdem der Spread von Investment-Grade-Anleihen im März mit rund 80 Basispunkten ein Tief markierte, hat die jüngste Volatilität zu einer Ausweitung auf etwa 110 Basispunkte geführt (historische Bandbreite: 73–247 bp).
Detailliert betrachtet zeigt sich auch auf Ebene der Bonitätsnoten eine logische Entwicklung: Der Prämienabstand zwischen besser und schlechter bewerteten Emittenten ist gestiegen – besonders deutlich zwischen BB- (einer der teuersten Segmente im Kreditmarkt) und BBB-Ratings, wo die Spread-Differenz inzwischen bei 120 Basispunkten liegt.
Auch aus sektorspezifischer Perspektive ergeben sich Bewertungsunterschiede: Der Markt für vorrangige Bankanleihen wurde in der jüngsten Volatilitätsphase in Mitleidenschaft gezogen – nicht zuletzt wegen der historischen Korrelation mit dem Konjunkturzyklus (etwa über potenziell steigende Ausfallquoten). Doch strukturelle Verbesserungen bei den Kostenquoten und der Kapitalausstattung sowie die jüngste Underperformance machen das Segment wieder interessant.
Insgesamt bietet das Investment-Grade-Segment mit einer Rendite von 3,3% attraktive Voraussetzungen – sowohl für Carry-Strategien als auch zur Diversifikation in Portfolios. Dieser Ertrag ist besonders vor dem Hintergrund einer erwarteten weiteren Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank reizvoll – gestützt durch einen starken Euro und einen Ölpreisrückgang um 15% im April. Zur Erinnerung: Die Märkte erwarten bis Ende 2025 einen Leitzins von 1,5% im Euroraum.
Lediglich ein ausgeprägtes Rezessionsszenario könnte sich nachteilig auf Unternehmensanleihen auswirken – aufgrund steigender Ausfallraten. Doch die jüngsten Äußerungen des US-Finanzministers deuten vielmehr auf eine bewusste Deeskalation hin, um genau dieses Szenario zu verhindern. Sollte es dennoch dazu kommen, dürfte die Rezession aufgrund des Fehlens signifikanter Ungleichgewichte – insbesondere bei der Verschuldung von Haushalten und Unternehmen – moderat ausfallen.
Von Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest