Wenn man dem ehemaligen US-Präsidenten Herbert Hoover Glauben schenkt („Wir haben Gold, weil wir Regierungen nicht trauen können“), scheint das Vertrauen der Anleger in staatliche Institutionen in einen handfesten Bärenmarkt übergegangen zu sein. Denn die Performance des dehnbaren Metalls in diesem Jahr (22%, auf 3.223 US-Dollar je Unze zum Zeitpunkt der Abfassung) macht es zur stärksten Anlageklasse überhaupt – getragen von erheblichen Kapitalzuflüssen* und, grundlegender, von der Regel der 3D: Degradierung, Diversifikation, Debasement (Wertverwässerung).
Degradierung: Schwäche in Wirtschaft und Handel
Die Degradierung des wirtschaftlichen Umfelds zeigt sich in den Prognosen des IWF: Die supranationale Institution hat ihre Erwartungen für das globale Wachstum 2025 kürzlich gesenkt (+2,8%, ein Rückgang um 50 Basispunkte), insbesondere aufgrund der USA (nur noch 1,8%, –90 Basispunkte). In ähnlichem Ton verkündete die chinesische Zollbehörde, dass die Exporte in die Vereinigten Staaten im April 2025 im Jahresvergleich um 21% gesunken sind. Auch wenn die Ankündigung einer 90-tägigen Waffenruhe zwischen den beiden Weltmächten die unmittelbare Rezessionsgefahr in den USA sowie das Risiko eines systemischen Kreditereignisses vertagt, bleibt die aktuelle Konstellation ein fruchtbarer Boden für steigende Goldpreise.
Diversifikation: Zentralbanken setzen auf physisches Gold
Bei der Diversifikation spielen die Zentralbanken eine Schlüsselrolle. Diese Bewegung begann bereits vor über einem Jahrzehnt mit dem Wiederaufbau der Goldreserven nach der großen Finanzkrise 2008. Sie wurde durch das Einfrieren der Dollarguthaben der russischen Zentralbank nach dem Einmarsch in die Ukraine weiter beschleunigt. In der Folge haben Schwellenländer wie Indien und die Türkei im vergangenen Jahr methodisch große Mengen Gold gekauft (72,6 Tonnen bzw. 74,8 Tonnen). Insgesamt hat diese besondere Gruppe von Investoren 2024 ganze 1.044 Tonnen des Edelmetalls erworben – verglichen mit einem Durchschnitt von 473 Tonnen pro Jahr im vorherigen Jahrzehnt!
Ein weiteres Zeichen des Misstrauens: der Aufbewahrungsort der Bestände. Während früher manche Zentralbanken ihre physischen Bestände bei der Fed (Fort Knox), der Bank of England (Threadneedle Street) oder der Banque de France (in der sogenannten „Souterraine“**) lagerten, ist eine Rückführungswelle im Gange. Die Bundesbank und die niederländische Zentralbank zum Beispiel begründen ihre Rückholung mit dem Ziel einer „besseren geografischen Streuung“ ihrer Reserven.
Debasement: Inflationsängste und geldpolitische Unsicherheiten
Das Thema der Wertverwässerung wurde vom World Gold Council*** in seinem jüngsten Bericht („Gold as strategic asset“) adressiert: Demnach veranlasste die Phase des Quantitative Easing nach der Finanzkrise 2008 viele Investoren zum Kauf von Gold als Absicherung gegen eine mögliche Abwertung der Währungen.
Ein aktuelleres Ereignis hat diese Sorgen vermutlich neu entfacht: Das Weiße Haus klagte darüber, dass die Stärke des US-Dollars eine „nichttarifäre Handelsbarriere“ darstelle. Auch wenn diese Aussage ökonomisch umstritten ist, rückt sie die Rolle des Dollars als Reservewährung – Fundament des internationalen Währungssystems seit dem Ende von Bretton Woods (1971) – wieder ins Zentrum der Debatte. Kombiniert mit dem (mittlerweile gescheiterten) Versuch, Fed-Chef Jay Powell abzusetzen, führt auch diese geldpolitische Unruhe zu einer Aufwertung des Goldes.
Wie reagieren die Goldminenunternehmen? Zurückhaltend – angesichts des deutlichen Kursanstiegs beinahe überraschend. Die Produktion stagniert seit 2018 bei etwa 3.650 Tonnen. Die Gründe dafür sind jedoch handfest: sinkender Erzgehalt, steigende Förderkosten und ESG-bedingte Einschränkungen. Alles Faktoren, die neue Projekte kapitalintensiver und komplexer machen.
Wenig überraschend angesichts der geopolitischen Lage ist Gold laut der jüngsten Umfrage der Bank of America der bevorzugte Investitionskanal der Fondsmanager – anstelle der „Mag7“, die diesen Platz 24 Monate lang innehatten. Solch ein breiter Konsens birgt kurzfristig Rückschlagspotenzial. Doch mit langfristiger Perspektive sprechen starke strukturelle Faktoren für Gold als unverzichtbare Anlageklasse für jene, die Diversifikation zur goldenen Regel erhoben haben.
Von Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest
*33 Milliarden US-Dollar an Mittelzuflüssen im Jahr 2025 laut EPFR
**„La Souterraine“ ist der Spitzname des riesigen Tresors der Banque de France im 1. Arrondissement von Paris. Auf über 10.000 m² lagern dort seit 1927 die französischen Goldreserven (Wikipedia).
***Der World Gold Council ist ein internationaler Handelsverband der Goldindustrie.