Energie: Weniger OPEC, mehr Unsicherheit

Natixis Investment Managers | 03.06.2025 13:54 Uhr
Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest / © e-fundresearch.com / DNCA Invest
Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest / © e-fundresearch.com / DNCA Invest

Nach dem Ersten Weltkrieg erklärte der damalige britische Außenminister, der Sieg der Alliierten sei „auf einer Welle von Öl“ errungen worden – eine Anspielung auf die entscheidende Rolle des „schwarzen Goldes“ als Antriebsquelle zu Land und zu Wasser.

Ein Jahrhundert später rollt eine neue Welle auf die Märkte zu: Barrels aus OPEC+-Ländern. Auf ihrer Sitzung in Wien Anfang April hat die Allianz beschlossen, ihre bislang stillgelegten Förderkapazitäten deutlich schneller wieder auf den Markt zu bringen. Konkret sollen täglich 411.000 Barrel zusätzlich gefördert werden – das Dreifache der Menge, die im Vormonat angekündigt worden war. Die Folge: ein Preisrückgang von 15% im April – und die schlechteste Performance unter allen Anlageklassen seit Jahresbeginn.

Von Preisdisziplin zu Marktanteilen

Zwei Gründe dürften hinter dem Kurswechsel stehen. Erstens ein interner: Saudi-Arabien, das seit 2022 den Großteil der Produktionskürzungen schultert, zeigt sich zunehmend unzufrieden mit der mangelnden Disziplin einzelner Mitgliedsländer wie Irak und Kasachstan. Zweitens ein externer: Die nachlassende Konjunktur dämpft die Nachfrage*, wodurch die auf hohe Preise ausgerichtete Strategie der Erlösmaximierung immer riskanter wird.

Die neue Fokussierung auf Marktanteile hat unmittelbare Folgen für die saudischen Staatsfinanzen. Laut IWF liegt der fiskalische Breakeven-Ölpreis bei rund 90 US-Dollar pro Barrel. Die Differenz zum Marktpreis – aktuell bei etwa 60 Dollar – wird durch Schulden finanziert. 2025 könnte das Haushaltsdefizit damit auf über 6% des BIP steigen, die Staatsverschuldung laut S&P bis 2028 auf 45%.

Positive Angebotsseite für Europa

Für Europa hingegen, das Nettoimporteur von Rohöl ist, kommt dieser neue Marktmechanismus einer positiven Angebotsschock gleich. Besonders die chemische Industrie, die seit dem Ukrainekrieg massiv unter steigenden Produktionskosten leidet, profitiert von den sinkenden Energiepreisen – ein willkommener Impuls, während die US-Regierung ihre protektionistischen Maßnahmen gegenüber der EU verschärft.

US-Wahlkampf trifft Schieferölbranche

In den USA wiederum spielt der Preisrückgang dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump in die Hände: Niedrigere Benzinpreise stärken die Kaufkraft der Verbraucher – rechtzeitig zur beginnenden Reisesaison. Doch ein „Free Lunch“ ist das nicht: Die heimische Ölindustrie leidet. Weil sie auf der globalen Kostenkurve deutlich höher angesiedelt ist als die Anbieter im Nahen Osten, reagieren die Unternehmen mit einer Reduktion ihrer Investitionspläne im Bereich unkonventionelles Öl – um 9%. Dies steht im klaren Widerspruch zu den Zielen des US-Finanzministeriums, das eine Produktionssteigerung von derzeit 13 auf 16 Millionen Barrel pro Tag bis 2028 anstrebt.

Gewinnwarnungen bei den Öl-Majors

Auf Branchenebene gehören die großen Ölkonzerne zu den klaren Verlierern. Gewinn- und Cashflow-Prognosen werden reihenweise nach unten korrigiert. Zwar sind Dividenden bislang nicht in Gefahr, doch die unterschiedliche Ausgangslage bei den Bilanzen zeigt bereits Wirkung: BP musste seine Rückkaufpläne zurückschrauben – belastet durch einen gestiegenen Schuldenstand (27 Mrd. USD per Ende März) und nach vorheriger Absenkung der „grünen“ Ambitionen. In diesem Umfeld überrascht es kaum, dass Gerüchte über eine mögliche Übernahme durch Shell erneut die Runde machen – begünstigt durch die geografische Nähe der beiden Firmensitze (weniger als zwei Kilometer voneinander entfernt).

Schwachstelle Energiewende

Während Analysten mögliche Synergien eines solchen Deals bewerten, sorgt ein anderes Ereignis für größere Schlagzeilen: der Blackout auf der Iberischen Halbinsel. Noch liegen keine abschließenden Ergebnisse der Untersuchung vor, doch eine plausible Erklärung liegt in der Überdominanz der Solarenergie (55%) im Netz. Diese verdrängt andere Grundlastquellen wie Kernkraft oder Wasserkraft sowie flexible Quellen wie Gas, deren Preisstruktur aktuell keine Produktion bei hoher Erneuerbaren-Einspeisung begünstigt. Das macht das Netz anfällig für Frequenzschwankungen – mit potenziell großflächigen Abschaltungen als Folge. Sollte sich diese Hypothese bestätigen, dürfte sie erhebliche Auswirkungen auf die spanische Energiepolitik haben*** – zumal „Souveränität“ derzeit zum Leitmotiv in Europa avanciert.

Von Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest

* Die IEA rechnet für 2025 nur noch mit einem Nachfragewachstum von 740.000 Barrel pro Tag, bei einem Angebotsüberschuss von 700.000 Barrel pro Tag
** Die spanische Unternehmervereinigung CEOE schätzt den wirtschaftlichen Schaden durch den Stromausfall auf 1,6 Mrd. Euro – rund 0,1% des BIP
*** Ziel der spanischen Regierung: 80% erneuerbare Energien bis 2030

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