Probleme mit dem EU-Freihandelsabkommen
Mit einem BIP-Wachstum von rund 4% entwickelt sich Marokkos Wirtschaft erfreulich, doch gibt es auch Schattenseiten. In erster Linie beklagt das Land eine zu grosse Abhängigkeit von der EU: Die Investitionen aus Europa haben nachgelassen, die Touristenzahlen gehen zurück und die im EU-Raum arbeitenden Marokkaner schicken weniger Geld nach Hause. Auch das Freihandelsabkommen mit der EU bereitet Marokko Sorgen, da etwa spanische und portugiesische Agrar- und Baufirmen ihre Produkte offensiv im Land verkaufen. So wird in Marokko spanisches Olivenöl abgesetzt, das von der EU mit einem Euro pro Liter subventioniert wird. Marokko sucht daher seine Abhängigkeit von der EU zu reduzieren und seine Exportaktivitäten auf andere Wirtschaftsregionen auszurichten. Dafür hat es insbesondere den Handel mit seinen stark wachsenden Nachbarländern im frankophonen Westafrika intensiviert. Der marokkanische König besuchte unlängst zahlreiche Länder im westlichen Subsahara-Afrika, um mit ihnen Handelsverträge für grössere und längerfristige Investitionen abzuschliessen. Auch die Golfstaaten tätigen mittlerweile vermehrt Investitionen in Marokko und kompensieren dadurch die fehlenden EU-Investitionen. Nicht zu Unrecht wird Marokko von allen Seiten als fairer Handelspartner angesehen.
Neben Bemühungen zur Diversifikation der Handelspartner wurden weitere zentrale Strukturreformen umgesetzt: Die marokkanische Regierung hat die niedrige Inflationsrate von rund 2.5% zum Anlass genommen, die Treibstoffsubventionen in zwei Etappen deutlich zu reduzieren. Abgesehen von Diesel wird heute kein Treibstoff mehr subventioniert. Die Sparmassnahmen entlasten den Haushalt und Teile der freien Mittel fliessen jetzt in den Infrastrukturbereich, wo derzeit zahlreiche Bauprojekte, etwa im sozialen Wohnbaubereich, realisiert werden. Nach 20 Jahren vergeblicher Bemühungen scheint Marokko nun endlich ein Modell für die erfolgreiche Realisierung von Billigwohnungen gefunden zu haben. Der Bedarf an erschwinglichem Wohnraum für die breite Bevölkerung dürfte in den kommenden Jahren erstmals gedeckt werden und zur sozialen Stabilität im Land beitragen.