In Europa geht es den Unternehmen besser als den Volkswirtschaften

Fidelity-Experten erklären, warum es europäischen Unternehmen im Jahr 2015 voraussichtlich besser gehen wird als bisher prognostiziert: Fidelity International | 04.12.2014 10:43 Uhr
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Alexandra Hartmann, Fidelity Euro Blue Chip Fund:

"Das Hauptproblem in Europa dürfte 2015 ein schwaches Wirtschaftswachstum sein. Am stärksten unter Druck stehen Unternehmen, deren Wachstum von externen Faktoren abhängig ist. So könnten Banken durch ein schwaches Kreditwachstum in Schwierigkeiten geraten. Denn Unternehmen sehen womöglich weiterhin wenig Grund zum Investieren. Zudem sollten Firmen, die sich von der Konkurrenz nicht wirklich abheben, vor dem Hintergrund der niedrigen Inflation eine abnehmende Preissetzungsmacht haben. Viele Unternehmen werden deshalb nicht wachsen, sondern stagnieren. Mit Blick auf das Bewertungsniveau könnten daher viele Aktien in der Eurozone in den kommenden Jahren kein Wachstumspotenzial besitzen. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass es auch in Europa weiterhin Unternehmen mit guten Wachstumsaussichten gibt - es geht darum, diese aufzuspüren. Erfolg in einem schwachen Konjunkturumfeld haben Titel, die Wachstum durch interne Treiber generieren können. Diese Firmen können wachsen, weil sie beispielsweise eine interessante Produkt-Pipeline besitzen und ihren Marktanteil vergrößern - ein Beispiel ist Continental. Auch Unternehmen, die ein neues Marktsegment definieren und deren Marktdurchdringung zunimmt, haben Wachstumspotenzial. Insgesamt hat Europa zwar schwache Wachstumsaussichten, jedoch spiegelt das nur den Durchschnitt aller Unternehmen wider - derer, die wachsen können, und derer, die es nicht können."

Matthew Siddle, Fidelity European Growth Fund:

"Der konjunkturelle Ausblick für Europa ist zwar nicht allzu optimistisch, dennoch gibt es erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung. In Spanien steigen die Absatzzahlen der Autohersteller und der bewilligten Hypothekendarlehen. Großbritannien ist ein Lichtblick in puncto Wachstum. Durch das günstige Konjunkturumfeld in den USA und anderen Ländern steigt der globale Einkaufsmanagerindex auf ein Niveau, das einen Aufschwung signalisiert. Davon werden die europäischen Exporteure ebenso profitieren wie von der starken Abwertung des Euro. 2015 sind qualitativ gute Unternehmen gefragt, deren Bewertungen auf ein attraktives Niveau gesunken sind - etwa Titel aus dem Gesundheitswesen. Interessante Möglichkeiten sehe ich auch in zyklischen Branchen, insbesondere bei Unternehmen mit defensivem Geschäftsmodell. Beispiele dafür sind Reed Elsevier im Mediensektor oder SAP in der IT-Branche."

Bertrand Puiffe, Fidelity Nordic Fund: 

"Der nordische Raum dürfte insgesamt 1,5- bis 2-mal schneller wachsen als das übrige Europa, während die Aktienmärkte einen historisch niedrigen Aufschlag gegenüber dem MSCI Europe aufweisen: 5 Prozent gegenüber 15 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. In Schweden könnte der Trend der Abwertung der schwedischen Krone gegenüber dem US-Dollar die Exporte 2015 in die Höhe treiben. Das schwedische Bruttoinlandsprodukt (BIP), das 50 Prozent des BIP der nordischen Länder ausmacht, wird vermutlich um mehr als 2 Prozent zulegen. Für eine positive Überraschung könnte der Umschwung in Finnland sorgen: Hier sollten die Schwächung des Euro gegenüber dem US-Dollar, die geringe Körperschaftssteuer und die Normalisierung der Russland-Ukraine-Krise das Land wieder auf den Wachstumspfad zurückführen. Norwegen bleibt das Fragezeichen für 2015, da die Wirtschaft zum Großteil von der Entwicklung des Ölpreises abhängt. Allerdings müsste der Brent-Rohölpreis lange Zeit unter 80 US-Dollar pro Barrel bleiben, ehe er die strukturellen Perspektiven der Wirtschaft beeinträchtigt. Gleichzeitig könnte die Regierung ihren Staatsfonds in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar einsetzen, um die öffentlichen Ausgaben zu erhöhen und die Beschäftigung zu fördern."

Vincent Durel, Fidelity France Fund: 

"Mit einem prognostizierten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,7 Prozent dürfte das Wachstum in Frankreich 2015 leicht unter dem der Eurozone (1,1 Prozent) liegen. Ein zentraler Treiber ist die Erholung der Binnennachfrage. Ihre Gründe liegen unter anderem im niedrigen Ölpreis, dem schwächeren Euro und stabileren steuerlichen Rahmenbedingungen für französische Haushalte, die die Kaufkraft deutlich stärken. Die Unternehmensinvestitionen dürften im kommenden Jahr leicht zulegen, nachdem sie jahrelang auf historisch niedrigem Niveau lagen. Die Kehrseite sind das hohe französische Haushaltsdefizit und die hohe Arbeitslosenquote. Strukturelle Reformen sind dringend nötig, doch die Regierung zeigt wenig Bereitschaft, diese umzusetzen. Für den Arbeitsmarkt sind allerdings mögliche Reformen zu erwarten, deren Ziel es ist, Unternehmen mehr Flexibilität zu bieten. Würden diese Reformen umgesetzt, wäre das ein klares positives Signal. Vor diesem Hintergrund konzentriere ich mich auf wachstumsstarke Qualitätsunternehmen, die ihr Kapital aktionärsfreundlich einsetzen. Auch zyklische Aktien bieten gute Chancen. Sie profitieren von Faktoren, die in der Eigenverantwortung der Unternehmen liegen."

Fabio Riccelli, Fidelity Iberia Fund: 

"Eine expansivere Geld- und Fiskalpolitik könnte das Wirtschaftswachstum auf der iberischen Halbinsel 2015 unterstützen. Niedrige Darlehenszinsen dürften dazu beitragen, die Kreditnachfrage und Investitionen von Unternehmen anzukurbeln. Allerdings wird das Tempo der Erholung von den laufenden strukturellen Reformen abhängen - in Spanien lassen sich hier bereits erste Anzeichen für Fortschritte erkennen. Ich bin überzeugt, dass der iberische Markt weiterhin attraktive Chancen bietet, um in Unternehmen zu investieren, die aktuell unter ihrem inneren Wert gehandelt werden - in Qualitätsunternehmen, die gut aufgestellt sind, um langfristig ausgezeichnete Ergebnisse zu liefern. Auch 2015 wird die Einzeltitelauswahl deshalb entscheidend sein."

Alberto Chiandetti, Fidelity Italy Fund: 

"In Italien hat der kürzlich erfolgte Ausverkauf zyklische Titel auf günstige Bewertungen zurückgesetzt. Diese Skepsis nutze ich und investiere verstärkt in prozyklische Branchen, die aktuell günstig bewertet sind - insbesondere in Banken, aber auch in Medien und lokale Versorgungsunternehmen. Die Prognose für das kommende Jahr wird hauptsächlich davon abhängen, wie sich das globale Wachstum weiter gestaltet. Strukturelle Reformen sind auch in Italien dringend notwendig. Derzeit führt die Regierung wichtige Veränderungen bei den Arbeitsmarktgesetzen ein, die den Arbeitgebern größere Freiheiten einräumen. Dies wird gegenwärtig vom Markt nicht berücksichtigt, könnte sich aber 2015 positiv auswirken."

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