"Das Jahr 2016 neigt sich seinem Ende entgegen und wir blicken wie jedes Jahr auf eine ereignisreiche Zeit an den Kapitalmärkten zurück. Die ersten Monate des Jahres waren geprägt von einem massiven Verfall des Ölpreises. Wie so oft hat der Markt hier vollkommen überreagiert und es ergaben sich gute Kaufgelegenheiten. Insbesondere die High-Yield-Märkte sowie viele Titel aus dem Energiesektor konnten im Verlauf des Jahres von einem steigenden Ölpreis profitieren. Dennoch war die erste Jahreshälfte geprägt von Unsicherheit. Das bevorstehende Brexit-Referendum schwebte wie ein Damoklesschwert über den Märkten. Viele Kunden suchten den Weg in defensive Anlagen, in alternative Anlagen oder marktneutrale long/short-Strategien. Und rückblickend betrachtet wurden die Anleger dafür belohnt.
Doch entgegen der Erwartungen erwiesen sich die kurzfristigen Auswirkungen des Brexit-Referendums als gute Kaufgelegenheit. Nach einem ersten Abverkauf drehten die Märkte ins Plus und Investoren rieben sich verwundert die Augen. Es scheint so zu sein wie in unserem Nordics – DNB Insights vom 12.07.2016 antizipiert. Der Brexit wird mit großer Wahrscheinlichkeit kommen, entgegen aller Erwartungen. Und dennoch scheinen sich die Marktteilnehmer und die Politik zu besinnen und sich zu fragen, wer davon profitieren wird und wer nicht. Die Politik neigt zu Überreaktionen, vor allem europäische Politiker, die in jüngster Zeit mit vielen verschiedenen Problemen konfrontiert werden und verzweifelt versuchen, aufkeimende nationale Tendenzen zu verhindern. Europa, und das ist eine der weniger schönen Nachrichten in 2016, steht vor großen, allerdings nicht unlösbaren Problemen. Eine ungelöste Schuldenkrise, eine immer mehr in die Kritik geratene Geldpolitik sowie viele strukturelle Probleme in einigen Mitgliedsländern.
Nach den Wirren des Brexit-Referendums und erstaunten Investoren wurden viele Investitionen und Anlagen auf einen Zeitpunkt nach der Präsidentschaftswahl in den USA verschoben. Und erneut zeigte sich sehr eindrucksvoll, dass die Demoskopen Fehler machen und es eine große unsichere Komponente in der Politik gibt. Mit der Wahl von Donald J. Trump zum neuen Präsidenten hatten sehr wenige Marktteilnehmer gerechnet. Viele Investoren favorisierten Hillary Clinton als zukünftige Präsidentin der USA, dementsprechend groß war die Sorge eines Zusammenbruchs der Weltbörsen, sollte Trump die Wahl gewinnen.
Und erneut wurden wir eines besseren belehrt. Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses gab es einen kleinen Rücksetzer und in den folgenden vier Wochen feierten die Börsen in den USA immer neue Rekorde.
Niemand weiß bisher genau, was Trump umsetzen wird und wie die Weltwirtschaft mittelfristig auf ein „America First“ reagieren wird. Eines scheint sicher zu sein, mit der Zinsanhebung und einem etwas anders gestalteten Welthandel wird auch die Inflation wieder zurückkehren. Milton Friedman, ein großer Ökonom und Träger des Nobelpreises für Ökonomie, beschrieb Inflation „immer und überall als ein rein monetäres Phänomen“. Basierend auf dieser Aussage muss man zwischen Inflation (Ausweitung der Geldmenge) und Preissteigerungen unterscheiden.
Preissteigerungen heben das allgemeine Preisniveau und sind somit eine Folge der sich ausweitenden Geldmenge. Das Problem dabei ist allerdings, dass nicht beides Hand in Hand gehen muss. Die in unserem letzten Insight besprochene zurückkehrende Inflation, hervorgerufen durch eine ausgabenorientierte Fiskalpolitik in den USA, könnte also das Ergebnis einer möglichen weiteren Ausweitung der Geldmenge und von Preissteigerungen sein.
Preissteigerungen als eine Folge zunehmender wirtschaftlicher Aktivität sind generell gesünder als Preissenkungen, denn ein Anheben des Preisniveaus ist nur in einem prosperierenden Umfeld möglich. Jeder Politiker und jede Regierung möchte ein deflationäres Umfeld, also eine wirtschaftliche Kontraktion, zurückgehende Preise sowie eine schrumpfende Geldmenge in jedem Fall zu verhindern. Ein deflationäres Umfeld belastet die Budgets, verschlechtert die Erwartungen der Marktteilnehmer und ist generell ein Problem, da sich deflationäre Tendenzen immer verstärken. Diese Abwärtsspiralen können sich verselbständigen und sich dadurch verschärfen. Die Marktteilnehmer antizipieren dies und warten mit Investitionen weiter ab, stellen Konsum zurück und hoffen auf niedrigere Preise in der nahen Zukunft.
Rückblickend hatten die Volkswirtschaften der westlichen Welt immer wieder sich abwechselnde Phasen. Insbesondere die Importpreise für Energie, also Rohöl und Erdgas, beeinflussen das Preisniveau eines Warenkobes. Die westlichen Volkswirtschaften profitierten seit dem Beginn der Globalisierung von deflationären Tendenzen. Die Verlagerung der Produktion in Länder mit niedrigen Lohnniveaus sorgte für deflationäre Tendenzen für Unternehmen, bei den privaten Haushalten kommen nur Bruchteile der Wertschöpfung an. Es ist natürlich und richtig, dass Unternehmen profitabel sind und Gewinne erwirtschaften. Allerdings, und das ist auch einer der Gründe für Trumps Wahlsieg, fühlen sich immer mehr Menschen abgehängt und als Verlierer der Globalisierung. Wenn Trump also die Anzahl der Verlierer der Globalisierung reduzieren möchte, so muss er den Binnenmarkt stärken.
Wie in meinem letzten Nordics – DNB Insights vom November 2016 besprochen wird eine Stärkung des Binnenmarktes sehr positive Effekte auf eine Volkswirtschaft haben. Die normalen Kreisläufe, das Zusammenspiel von Sparen und Investitionen, eine ausgeglichene Handelsbilanz sowie eine gesunde Binnennachfrage stärken immer die lokalen Produzenten. Das System wird gestört, wenn es keine Verbindung mehr zwischen den Produzenten und Konsumenten gibt. Dies ist kein Plädoyer gegen Globalisierung, aber um Produkte zu kaufen müssen auch zahlungskräftige Käufer vor Ort sein. Globalisierung und insbesondere die Arbeitsteilung sind Meilensteine in der volkswirtschaftlichen Entwicklung der Menschheit, aber Produktion in Emerging Markets und Verkauf und damit Abschöpfen von Gewinnen in Industrienationen kann auf Dauer nicht funktionieren.
Insbesondere der Konsum durch immer neue Schulden führt letztlich in ein Dilemma. Kreditfinanzierter Konsum funktioniert nur für einen begrenzten Zeitraum, denn irgendwann müssen die Schulden zurückgezahlt werden. Und die große Frage unserer Zeit ist, ob unsere Volkswirtschaften jemals in der Lage sein werden, die aktuellen Schulden zurück zu zahlen. Das aktuell manipulierte Zinsniveau erleichtert es den Staaten, alte Schulden günstig zu refinanzieren. Es wäre praktisch unmöglich die aktuellen Schulden bei einem wesentlich höheren Zinsniveau zu tilgen. Und damit stehen wir vor einem weiteren Dilemma wenn die mittel- und langfristigen Zinsen steigen sollten. Denn ohne Wirtschaftswachstum muss das Zinsniveau langfristig niedrig bleiben, da sonst immer größere Teile der Wertschöpfung für die Rückzahlung der Schulden aufgebracht werden müssen.
Im Gegenzug dazu verhindert die aktuelle Niedrigzinspolitik eine ausreichend ökonomische Selektion, denn im Moment werden nahezu alle Geschäftsmodelle durch viel zu niedrige Zinsen am Leben erhalten. Mittel- bis langfristig fördern die niedrigen Zinsen Siechtum und Niedergang da sie Innovationen und Forschung verhindern.
Am 14.12. hat die amerikanische Notenbank die sogenannte Fed Funds Rate um 25 Basispunkte erhöht und diese liegt nun in einer Spanne von 0,50% bis 0,75%. Weitere Zinsanhebungen sollten vorsichtig unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Aktivität durchgeführt werden. Aktuell sehen wir schon die Auswirkungen für Europa. Der EURO ist auf einem 15-Jahrestief gegenüber dem US-Dollar und mit steigenden Zinsen in den USA verstärkt sich der Zinsunterschied mehr und mehr. Denn die EZB wird auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, die Zinsen anzuheben, womit wir wieder bei einem Konstruktionsfehler der europäischen Gemeinschaftswährung ankommen. Steigende Zinsen bewirken, dass die Schuldenlast in einigen europäischen Ländern untragbar werden wird.
Aus diesem kurzen Jahresrückblick in Verbindung mit einigen volkswirtschaftlichen Abhandlungen ergeben sich für Investoren einige Anknüpfungspunkte. Steigende Zinsen und leicht inflationäre Tendenzen machen Bonds mit kurzer Duration interessant, zum Beispiel Floating Rate Notes oder skandinavische High Yield Bonds. Qualitätswerte und starke Dividendenzahler sollten in keinem Portfolio fehlen. Flexible Wechselkurse und unterschiedliche Zinsniveaus wirken in beide Richtungen und können interessante Opportunitäten darstellen, Investoren sollten insbesondere im kommenden Jahr sehr wachsam investieren und sich nicht auf die Lösungen der Politik verlassen. Erneut bieten die skandinavischen Volkswirtschaften, abgesehen von Finnland, genau dieses Portfolio an Möglichkeiten für die Investoren, die nicht an ein gutes Ende der europäischen Krise glauben.
DNB Asset Management dankt allen Lesern, Kunden und Geschäftspartnern für die gute Zusammenarbeit in 2016. Wir wünschen Ihnen einen schönen Jahresausklang und freuen uns auf das kommende Jahr mit Ihnen."
Hagen-Holger Apel, CIIA
Dipl. Volkswirt
DNB Asset Management
Über den Autor: Hagen-Holger Apel ist seit Juli 2015 bei DNB Asset Management S.A. als Senior Portfolio Manager beschäftigt. Herr Apel ist Diplom-Volkswirt (LMU München) und Certified International Investment Analyst der DVFA Frankfurt. Er ist nahezu 10 Jahre am luxemburgischen Finanzplatz tätig und spricht Deutsch, Englisch und Schwedisch.