Fast drei Viertel der Anleger in Deutschland beziehen sämtliche ESG-Bereiche bei der Kapitalanlage ein. Inzwischen stellt sich nicht mehr die Frage, welche Renditezugeständnisse Investoren bei ESG-Investments akzeptieren müssen, sondern was es Anleger kostet, nicht in ESG zu investieren.
Viele Großanleger stehen indes noch immer vor einigen Herausforderungen. Ein Beispiel ist die Identifizierung eines Partners bzw. Asset Managers mit umfassendem Know-how, der allerdings kein „Greenwashing“ betreibt. Nachhaltigkeit wird häufig für Marketingzwecke genutzt, ohne dass solche Angebote einigermaßen strengen Nachhaltigkeitsanforderungen genügen. Nur weil ein Unternehmen oder ein Staat eine grüne Anleihe begibt, sagt das nichts über seine eigene ESG-Güte aus.
Dieser Themenkreis lenkt den Blick auf ein grundsätzliches Dilemma der Branche. Zwar möchte eine stark wachsende Zahl von Investoren, dass ihr Geld Positives bewirkt. Doch was bedeutet grünes oder nachhaltiges Investment genau? Ein Stolperstein vor diesem Hintergrund sind fehlende Standards zur Definition von Nachhaltigkeit. Antworten könnte der EU-Aktionsplan für eine nachhaltige Finanzwirtschaft geben. Er soll Definitionen für nachhaltige und nicht nachhaltige Unternehmen liefern und Pflichten für institutionelle Anleger und Vermögensverwalter festlegen. Allerdings verzögert sich der Plan. Der EU-Rat will die Taxonomie nach aktuellen Angaben erst zum Jahresende 2021 etablieren. Mit dem aus heutiger Sicht fernen Ziel solle sichergestellt werden, dass das Klassifizierungssystem ab 2022 von den Marktteilnehmern vollständig angewendet werden könne.
Als Hürde mit Blick auf die Implementierung der ESG-Faktoren im Investmentprozess erweist sich bisweilen zudem die Verfügbarkeit von Daten und Technologiekosten. Asset Manager müssen nicht nur auf die erforderlichen finanziellen Ressourcen zurückgreifen können, um umfassende Unternehmensanalysen durchführen zu können. Zudem bedarf es der entsprechenden Manpower und Erfahrung.
Unzureichende Standardisierung
Investoren haben ein elementares Interesse an einer transparenten, effizienten und validen Bewertung von ESG-Leistungen. In der Vergangenheit konnte dieser Anspruch von Nachhaltigkeitsratings und -rankings jedoch nicht immer erfüllt werden. In ersterem Bereich operieren spezialisierte Agenturen sowie Index-Anbieter. Auch klassische Kreditrating-Agenturen arbeiten zunehmend an einer Erweiterung ihres Tätigkeitsspektrums um Nachhaltigkeitsaspekte. Eine vollständige Integration von Nachhaltigkeits- und Kreditratings wird jedoch durch die fehlende Standardisierung und Belastbarkeit der verfügbaren Daten sowie dem noch überschaubaren Interesse im Kapitalmarkt gebremst.
Mit Blick auf Nachhaltigkeitsrankings wiederum liegt das Risiko darin, dass nicht allen Rankings im Markt gleichermaßen sachlich substantiierte Indikatoren und methodisch einwandfreie Auswertungen zugrunde liegen.
Regelmäßiger Gegenstand der Diskussion sind darüber hinaus die Grenzen der Vergleichbarkeit von Rechtsräumen, Branchen und Unternehmen, die sich beispielsweise in der Diskrepanz zwischen der angelsächsischen und deutschen Corporate Governance manifestieren. Verunsicherung kann darüber hinaus entstehen, wenn Ratings und Rankings Unternehmen unterschiedlicher Branchen miteinander verglichen und falsche Schlüsse daraus gezogen werden.
Als Hemmschuh erweist sich für manche Anleger nicht zuletzt, diversifizierte und robuste Portfolios auf Basis von ESG-Screenings zu erhalten. Nachhaltige Investments im engeren Sinn basieren etwa auf norm- und wertbasierten Ausschlüssen und verschiedene Arten von positiven Screenings.
Gebündelte Expertise im Norden
Auf der Suche nach Lösungsansätzen richten einige Investoren ihren Blick nach Norden. Die Länder Skandinaviens gelten als Pioniere, wenn es um Nachhaltigkeit geht und untersuchen inzwischen auch komplexere Risikointegrationsfaktoren für ihre Investitionen. Der Dialog zwischen Ratingagenturen, bewerteten Unternehmen und Investoren ist weit fortgeschritten. In keiner anderen Region wurde der normative Fokus so weit im Markt und bei unterschiedlichen Investorentypen realisiert.
Mit Blick auf die Politik haben die nordischen Länder schon früh das Wahlrecht der Frauen, die Schaffung gleicher Möglichkeiten für alle, die Bekämpfung von Bestechung sowie den Umweltschutz umgesetzt. Somit verwundert es kaum, dass das Ideal einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Zukunft an Finanzunternehmen frühzeitig weitergegeben wurde, um innovative Lösungen zu fördern. DNB Asset Management ist einer der größten Vermögensverwalter in dieser Region und gilt weltweit als Vorreiter für sozial verantwortliches Investieren. Bereits im Jahr 1988 wurden entsprechende Anlagekriterien eingeführt. Danach kommen grundsätzlich keine Unternehmen für Investments infrage, die nicht den transparenten ethischen Anlagerichtlinien entsprechen. Um eine nachhaltige Entscheidungsfindung voranzutreiben, setzen sie sich dafür im Gespräch mit relevanten Management-Teams ein, üben Stimmrechtsvertretungen aus und nutzen aktiv Kauf- und Verkaufsmöglichkeiten.
Jon Sigurdsen, Portfoliomanager, DNB Asset Management