2024 ist schon im Blickfeld der Anleger. Spätestens im Dezember fragen sich Investoren, wie sie sich für das kommende Jahr aufstellen sollen. Noch besteht noch nicht restlos Klarheit über den weiteren Zinskurs der großen Notenbanken. Auch ob Volkswirtschaften in Europa in eine Rezession rutschen, bleibt unklar. In derart schwierigen Marktphasen bieten sich defensive Branchen, die bereits in der Vergangenheit schwierige Marktphasen gemeistert haben, besonders an. Ein Beispiel dafür ist der Gesundheitssektor. Da in der Branche Solidität und vielschichtige Wachstumsperspektiven zusammenkommen, lohnt sich der Blick auf Details auch abseits des Hypes um die Abnehm-Spritzen von Eli Lilly und Novo Nordisk.
Innovationsfelder: Von der Gen-Schere bis zu neuen Krebs-Therapien
Klassische Treiber für die Gesundheitsbranche waren seit jeher die demografischen Faktoren – eine steigendende Weltbevölkerung erfordert mehr medizinische Versorgung. Auch der zunehmende Wohlstand in Schwellenländern stützt die Nachfrage. Aktuell sind es aber zusätzlich auch technologische Neuerungen, die Anleger mit Investments in Pharma- und Biotech-Werte begleiten können. Auf dem Gebiet der Krebsforschung spielt die Immuntherapie eine immer bedeutendere Rolle. Insbesondere die aggressive Therapie früher Krebs-Stadien hat sich als erfolgreich erwiesen. Um auch aggressive Erkrankungen, wie etwa Bauchspeicheldrüsenkrebs oder myeloische Leukämie besser behandeln zu können, fällt der Früherkennung in Zukunft eine noch größere Rolle zu. Unternehmen mit einem Fokus in diesem Bereich, könnten profitieren. Das Feld der Diagnostik ist auch deswegen interessant, weil der Inflation Reduction Act (IRA) die Preisregulierung für bestimmte Blockbuster-Medikamente in den USA verschärft hat – Investitionen in die Onkologie sind daher komplizierter geworden.
Trotzdem bleiben Innovationen ein wichtiger Treiber für Wachstum in der Health-Care-Branche. Der Erfolg der mRNA-Impfstoffe während der Corona-Pandemie wirft auch ein Schlaglicht auf die Krebsforschung. Unternehmen wie BioNTech und Moderna verfügen bereits über Forschungs-Pipelines rund um die innovative Technologie. Auch zahlreiche weniger bekannte Unternehmen bringen die Forschung voran oder entwickeln Hilfs-Technologien, um die Wirksamkeit neuer mRNA-Vakzine zu optimieren. Ein spannender Zukunfts-Trend sind auch Radiopharmazeutika, also Arzneimittel, die bestimmte radioaktive Isotope enthalten und die Krebszellen schädigen können. Unternehmen, die rund um diese neue Technologie forschen, nehmen nicht selten tödliche Krebsarten ins Visier. Der Grund: Hier gelingt es im Rahmen klinischer Studien leichter, einen Mehrwert gegenüber Standard-Therapien zu zeigen – bei akutem myeloischen Blutkrebs setzen Kliniken etwa noch immer auf die Chemotherapie, die in ähnlicher Form bereits in den 1960er Jahren das Mittel der Wahl war.
Hoffnungsträger KI schiebt Bewertungen an
Neben dem Kampf gegen die Volkskrankheit Krebs – die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erwartet bis 2040 einen Anstieg der Neuerkrankungen auf über 30 Millionen Menschen jährlich, können innovative Unternehmen aus der Health-Care-Branche zunehmend auch seltene Erkrankungen ins Visier nehmen. Rund vier Fünftel der seltenen Krankheiten sind genetisch bedingt. Hier setzen Gen-Therapien an. Während die Gen-Therapie auf Modifikationen externen genetischen Materials fußt, können mittels Gen-Editing dauerhafte Veränderungen am Genom der jeweiligen Patienten erreicht werden. Mittel der Wahl des Gen-Editing ist die Genschere CRISPR, deren Erfinderinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2020 den Nobelpreis erhalten haben. Ein von CRISPR Therapeutics und Vertex Pharmaceuticals entwickeltes Gen-Editing-Medikament gegen die seltene Sichelzellenkrankheit steht in diesen Tagen vor der Zulassung. Da in diesem Bereich tätige Unternehmen einen Plattform-Ansatz verfolgen, um schneller neue Anwendungsfälle für Gen-Therapien zu identifizieren, dürfte eine erfolgreiche Zulassung weiteren innovativen Wirkstoffen den Weg ebnen.
Neben biotechnologischen Neuerungen sorgt auch die vor rund einem Jahr eingeleitete KI-Revolution für Impulse im Gesundheitssektor. Die Technologie hilft schon heute dabei, Patientendaten zu analysieren, wichtige Dokumente für Zulassungsverfahren zu erstellen oder aber die IT-Sicherheit zu verbessern. Insbesondere wenn es darum geht, große Mengen an Daten zu analysieren, kann KI die Produktivität deutlich erhöhen und ermöglicht komplexe Projekte auch kleineren Unternehmen. Aktuell investieren Unternehmen aus dem gesamten Healthcare-Spektrum in KI – von großen Biopharma-Unternehmen über Lösungsanbieter im Bereich Life Sciences bis hin zu Medtech-Unternehmen. Neben größeren Innovationen in kürzerer Zeit verspricht KI auch außerhalb von Forschung und Entwicklung Kostensenkungen. Anleger, die sich auf Unternehmen aus dem Gesundheitswesen fokussieren, müssen im Zusammenhang mit der zunehmenden KI-Fantasie allerdings auch auf die Bewertungen achten – manche Titel sind aktuell bereits zu teuer.
Die Selektion geeigneter Titel entscheidet über Renditen
Für steigende Bewertungen in der Branche hat nicht zuletzt auch der Hype um die Abnehm-Medikamente Wegovy und Zepbound von Novo Nordisk und Eli Lilly gesorgt. Investoren sollten in diesem Zusammenhang begrenzte Fertigungskapazitäten der Hersteller sowie die Reaktion von Kostenträgern, wie Krankenversicherungen, berücksichtigen. Ohnehin sollten sich Anleger nicht ausschließlich von diesem Hype-Thema leiten lassen. In der Health-Care-Branche kommen aktuell gleich mehrere Trends zusammen, die Aktien aus dem Sektor 2024 Rückenwind geben sollten. Auch langfristig scheint die Perspektive vielversprechend. Die qualifizierte Auswahl aussichtsreicher Unternehmen und deren effektive Allokation bleibt jedoch Voraussetzung, um diese Perspektive auch in stabile Renditen ummünzen zu können.
Von Rune Sand, Portfoliomanager Global Health Care bei DNB Asset Management