Nach einem starken Jahresbeginn hat die Volatilität an den Kapitalmärkten im Zuge der Griechenlandkrise zuletzt deutlich zugenommen – und zwar nicht nur bei Aktien. „Der Kurs der zehnjährigen Bundesanleihe schwankte zuletzt fast so stark wie der DAX“, sagte Jens Wilhelm, im Vorstand der Union Asset Management Holding AG zuständig für Portfoliomanagement und Immobilien, bei einer Presseveranstaltung. „Sogar der sichere Hafen bot also keinen Schutz vor stürmischer See.“ Auch für das zweite Halbjahr rechnet er mit einem schwankungsanfälligen Umfeld. „Nachdem der Grexit in letzter Sekunde abgewendet werden konnte, sorgen nun die Kapitalmarktturbulenzen in China und die bevorstehende Zinswende in den USA für Verunsicherung.“ Insgesamt blickt Wilhelm dennoch optimistisch ins zweite Halbjahr: „Die Fundamentaldaten sind deutlich besser als die durch Griechenland zuletzt getrübte Stimmung vermuten lässt.“
Ein wesentlicher Grund für den Optimismus ist der Zustand der Weltwirtschaft, die sich – trotz diverser Störfeuer – weiter auf Wachstumskurs befindet. So erwartet der Vorstand von Union Investment in den USA ein durch den Konsum getragenes Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ihren Andeutungen Taten folgen lässt und die Zinsen ab September regelmäßig – wenn auch in kleinen Schritten – erhöht. „Damit sollte die gut laufende US-Konjunktur zurechtkommen, denn der geldpolitische Mantel ist für das aktuelle Wachstum weit geschnitten“, sagte Wilhelm. „Die große Herausforderung für die Fed besteht darin, kommunikative Unfälle zu vermeiden, die die Märkte verunsichern.“
In der Eurozone erwartet Wilhelm ein Wachstum von 1,4 Prozent. „Erstmals seit Langem ziehen die Investitionen in der Eurozone wieder an. Anders als in den USA ist hier nicht allein der Konsum für das Wachstum verantwortlich“, so der Kapitalmarktstratege. „Genau beobachten müssen wir mögliche Auswirkungen der Kapitalmarktturbulenzen in China auf die weltweite Volkswirtschaft. Die Ansteckungsgefahren sollten sich allerdings in Grenzen halten.“
Vom Niedrigzins- zum Niedrigrenditeumfeld
An den Rentenmärkten rechnet Wilhelm – trotz der aktuellen Turbulenzen – mit einer moderaten Fortsetzung des jüngsten Trends zu höheren Renditen. „Die Inflationsraten in der Eurozone werden im zweiten Halbjahr abermals leicht steigen, die Deflationssorgen dürften damit vom Tisch sein. Außerdem können höhere Zinsen in den USA auch hierzulande die Renditen nach oben ziehen.“ Dennoch ist für den Anlagestrategen zumindest in der Eurozone kein Ende des Niedrigzinsumfelds in Sicht. Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen könnten bis Anfang 2016 auf 1,2 Prozent zulegen, die von US-Treasuries auf über drei Prozent steigen.
Rentenanleger stecken dennoch weiter in einem Dilemma und müssen sich neu orientieren. „Für zinstragende Anlagen sind die Aussichten gedämpft, aber es gibt auch hier noch interessante Investitionsmöglichkeiten“, erläuterte Wilhelm. Es kommt darauf an, vermehrt abseits bekannter Wege nach Alternativen Ausschau zu halten. „Je ausgetretener der Pfad, umso eher werden Renteninvestoren ins Stolpern geraten“, so Wilhelm. „An der Internationalisierung der Rentenanlage führt kein Weg mehr vorbei. Regionale Zinsunterschiede sind auch nach Wechselkurssicherung vielfach noch attraktiv.“
Aktien und Immobilien mehr denn je unverzichtbare Renditebausteine
Attraktive Anlagechancen sieht der Kapitalmarktstratege in europäischen Aktien sowie in Immobilien. Bei den Gewinnen der europäischen Unternehmen rechnet er mit positiven Überraschungen. „Die vergangene Berichtssaison war schon ein Schritt in die richtige Richtung. Im zweiten Halbjahr werden wir feststellen, dass die Analysten die Effekte des schwachen Euro in ihren Schätzungen noch nicht vollständig berücksichtigt haben. Wir erwarten in der Eurozone ein deutlich zweistelliges Gewinnwachstum.“ Die Kursentwicklung wird Wilhelm zufolge zwar holpriger sein als noch zu Beginn des Jahres, doch nach der durch die Griechenlandkrise ausgelösten, überfälligen Korrektur lohnt sich ein Einstieg wieder. „Die Griechenlandkrise war ein guter Grund für die Anleger, um Gewinne mitzunehmen. Insgesamt führt der Weg des geringsten Widerstands am Aktienmarkt, insbesondere in der Eurozone, nach oben“, ist Wilhelm überzeugt.
Neben den Aktien sind auch Offene Immobilienfonds für den Anlagestrategen ein wichtiger Renditebaustein. „Da die Kaufpreise für Immobilien wegen der extrem hohen Nachfrage immer weiter steigen, gilt es hier kontrolliert mehr ins Risiko zu gehen, ob über Internationalisierung oder Nutzungsarten“, so Wilhelm.
Chancen vor allem in breiter Diversifikation und aktiver Asset Allocation
Der Anlagestratege rechnet künftig generell mit geringeren Renditen nicht nur bei Rentenpapieren. „Die Zinsen sind nicht nur wegen der expansiven Notenbankpolitik niedrig – das hat auch strukturelle Gründe“, gab Wilhelm zu bedenken. Dabei spielen auch Aspekte wie die demografische Entwicklung, das Auslaufen des Rohstoffbooms und geopolitische Krisen eine Rolle. „Da der Wachstumspfad in der Welt nach der Finanzmarktkrise flacher geworden ist, wird weiterhin viel mehr gespart als investiert“, begründete Wilhelm den längerfristigen Trend zu niedrigeren Renditen.
„Viele klassische Wege der Kapitalanlage funktionieren unter diesen Rahmenbedingungen nicht mehr“, resümierte Wilhelm. Anlegern rät er daher, sich nach neuen Wegen zu mehr Rendite umzuschauen. „Es gibt weiter Chancen an den Kapitalmärkten – aber die Zeit der einfachen Lösungen ist vorbei. Der Schlüssel zum Anlageerfolg liegt in der Bereitschaft, mehr Risiko einzugehen, breiter zu diversifizieren und zwischen Assetklassen aktiver zu allokieren, wie dies zum Beispiel bei Multi-Asset-Lösungen der Fall ist.“