Das Börsenjahr 2016 ist denkbar schlecht gestartet. Starke Verluste bei Aktien, ein enormer Preisrutsch bei Rohöl und deutlich gesunkene Renditen für sichere Staatsanleihen zeigen einen angeschlagenen Kapitalmarkt. Mittlerweile haben sich die Aktienkurse wieder etwas erholt, die Volatilität hält aber weiter an. Das globale Wachstum verliert an Tempo – eine Systemkrise ist allerdings nicht in Sicht. Institutionelle Investoren kommen in dieser Marktphase nicht mehr umhin, sich mit Renditequellen jenseits der traditionellen Lösungen auseinanderzusetzen.
Teil 1: In den USA zeichnet sich eine Wachstumsverlangsamung ab
Teil 2: Chinas wirtschaftlicher Transformationsprozess kostet Dynamik
Teil 3: Der Ölpreisverfall schürt Befürchtungen vor strukturellen Verwerfungen
Ölkrise erschüttert die Märkte
Neben den Wachstumssorgen in den USA und China war der niedrige Ölpreis in den vergangenen Monaten über weite Strecken ein Belastungsfaktor für die Märkte. Anfang 2016 wurde vorübergehend der tiefste Stand seit zwölf Jahren markiert. Während ein Barrel Öl der Sorte Brent im Januar 2014 noch 110 US-Dollar kostete, waren es zwei Jahre später zeitweise weniger als 30 US-Dollar – ein Preisrutsch um mehr als 70 Prozent. Auch wenn es hier in den letzten Wochen eine Gegenbewegung gegeben hat, so bleibt das Preisniveau niedrig und das fundamentale Risikoszenario damit bestehen: Billiges Öl ist zwar per se für den Konsumenten und das Verarbeitende Gewerbe positiv. Für erdölfördernde Staaten sowie Energieunternehmen führt das allerdings zu großen Problemen bis hin zu Unternehmensinsolvenzen oder gar der potenziellen Gefahr von Staatsbankrotten.
Problem liegt auf der Angebotsseite
Die Ursache für den dramatischen Preisrutsch der vergangenen Monate liegt dabei primär nicht in der Weltkonjunktur – und damit auf der Nachfrageseite – begründet. Vielmehr handelt es sich in erster Linie um die Folgen des Fracking-Booms und dem Kalkül Saudi-Arabiens, Rivalen im Kampf um Marktanteile durch eine Aufrechterhaltung der hohen Fördermenge unter Druck zu setzen. Aus strategischer Sicht gibt es für den größten OPEC-Staat derzeit keinerlei Gründe, vom eingeschlagenen Pfad abzuweichen. Daher erwarten wir für die kommenden Monate keine nachhaltige Erholung der Notierungen bei Rohöl. Die Schieflage der Wirtschaft ist also nicht die Ursache des Preisrutsches.
Wo Verlierer, da Gewinner
Der extrem niedrige Ölpreis hat positive wie negative Auswirkungen: Die erdölexportierenden Länder wie Saudi-Arabien oder Venezuela weisen starke – und mit fallendem Ölpreis sogar noch wachsende – Haushaltsdefizite auf, da ihre Staatseinnahmen zu überwiegenden Teilen von den Ölverkäufen abhängig sind. Aufgrund hoher Kapitalreserven kann sich das Königreich Saudi-Arabien derzeit den Preiskampf noch leisten. Allerdings sind auch dort die finanziellen Ressourcen endlich. In Venezuela sind die entsprechenden Spielräume wesentlich geringer, hier steht die Zahlungsfähigkeit des Landes in absehbarer Zeit zur Disposition.
Auch auf der Unternehmensseite sind erhebliche Auswirkungen zu erwarten. Dies gilt beispielsweise für die amerikanischen Fracking-Industrie, wo die Förderung bereits gedrosselt wird. Dies wirkt sich wiederum auch auf den Bankensektor aus, da das Wachstum der Fracking-Unternehmen zum Großteil kreditfinanziert ist. Erste Geldhäuser haben schon mit der Bildung von Rückstellungen für mögliche Kreditausfälle begonnen.
Doch wo Verlierer, gibt es auch Gewinner. Der Verbraucher in den meisten Industriestaaten profitiert von niedrigen Heizöl- und Benzinpreisen, das (nachfragewirksame) verfügbare Einkommen steigt. Und auch Unternehmen und Staaten, die Rohstoffe weiterverarbeiten, sowie Transportunternehmen und Airlines, deren Kosten erheblich sinken und deren Profitabilität sicher somit erhöht, kommt der niedrige Ölpreis gelegen. Allerdings sind hier die positiven Effekte häufig schwieriger zu kalkulieren als auf der Verliererseite.
Sicher ist hingegen, dass das niedrige Niveau des Ölpreises sowie das Tempo des erneuten Preisverfalls in den vergangenen Monaten für Unsicherheit an den Kapitalmärkten gesorgt hat. Zeitweise waren hohe (positive) Korrelationen zwischen Aktienindizes wie etwa dem DAX und dem Ölpreis die Folge – ein historisch eher ungewöhnlicher Befund, der sich vor allem mit den skizzierten Wachstumssorgen erklären lässt. Für die kommenden Monate sind – auch wenn es zuletzt zu einer Beruhigung kam – entsprechende Phänomene nicht auszuschließen.
Zwischenfazit: Keine systemische Krise vor der Tür
Was bedeuten diese Entwicklungen aus Investorensicht? Das Jahr 2016 birgt einige Kapitalmarktrisiken (Stichworte US-Wachstum, China, Ölkrise), die in dieser geballten Häufung im vergangenen Jahr im derzeit diskutierten Ausmaß noch nicht bzw. nicht vollumfänglich vorlagen. Diese Punkte gilt es nicht nur gedanklich einzuordnen, sondern auch adäquat zu berücksichtigen. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass sich in Summe die Aussichten an den Kapitalmärkten zwar eingetrübt haben. Eine systemische Krise erwarten wir aber nicht.
Was bedeutet das für den institutionellen Anleger und wie sollte er sich in diesem Marktumfeld positionieren? Das erfahren Sie in Teil 4 unserer Serie am 15. April.