Die Unsicherheit, die Chinas Razzia gegen seine Tech-Konzerne, die Restrukturierung von Evergrande, das erwartete Delisting von den US-Börsen sowie die schwächelnde chinesische Konjunktur auslösten – all das hat zur Exit-Laune der Investoren gegenüber dem chinesischen Markt beigetragen. Auch aktuell hat die ambivalente Position Pekings gegenüber Russlands Einmarsch in die Ukraine selbst die hartnäckigsten internationalen Investoren aus den chinesischen Märkten gedrängt, da eine Ansteckung der chinesischen Märkte durch den russischen Abverkauf befürchtet wird.
Die derzeitige fulminante Erholung, ausgelöst durch die ermutigenden Botschaften in Rede des stellvertretenden Ministerpräsidenten Liu He in der vergangenen Woche, erscheint uns jedoch wie ein Déjà-vu aus dem Jahr 2016. Dieses begann mit erheblichen Korrekturen an den chinesischen Aktienmärkten, erwies sich jedoch schließlich als ein sehr starkes Jahr für Chinas Aktien.
Was wäre also, wenn die oben erwähnten Negativfaktoren sich ebenfalls allmählich auflösen würden? In diesem Fall würden die derzeit attraktiven Bewertungen für einige ausgewählte Segmente dieser Märkte einen guten Einstiegspunkt für Anleger bieten. Und, was noch wichtiger ist, die Auflage eines umfangreicheren Konjunkturprogramms, damit das „übliche“ BIP-Wachstumsziel des Landes von 5 % erreicht wird, könnte diesem Markt sogar Auftrieb geben.
Denn zu unserer Überraschung hat Liu He auf der Sitzung des Komitees für Finanzielle Stabilität und Entwicklung all die wichtigen obengenannten Bedenken der Marktteilnehmer auf eine sehr konstruktive Art und Weise angesprochen. Er kündigte einen regulatorischen Vorstoß in Richtung einer „Ampelsystems“ sowie mehr Transparenz bei der zukünftigen Regulierung chinesischer Internetplattformen an. Zudem ging er auf die aktuellen Probleme des angeschlagenen chinesischen Immobiliensektors ein, für den Evergrande als Ganzes steht, und wies darauf hin, dass die Kreditunterstützung für den Sektor, insbesondere Kredite für Bauträger, verstärkt werden könnte.
Darüber hinaus erklärte er, dass die chinesische Politik weiterhin Börsennotierungen in Übersee unterstützen und einen konkreten Plan vorlegen werde, um die Prüfung von Unterlagen durch US-Behörden zu erleichtern. Damit sollen die Befürchtungen eines ungeordneten Delistings chinesischer Unternehmen in den USA verringert werden. Nicht zuletzt bekräftigte He, dass die politischen Entscheidungsträger dafür sorgen wollen, dass das Wirtschaftswachstum in einem vernünftigen Rahmen bleibt, indem sie „aktiv“ auf die Geldpolitik reagieren und ein angemessenes Wachstum der Neukredite aufrechterhalten.
Wie üblich müssen diesen politischen Ankündigungen konkrete Maßnahmen folgen, bevor sich die internationalen Anleger entschließen, in nennenswertem Umfang in diese Märkte zurückzukehren. Dieses starke politische Signal könnte jedoch einen Wendepunkt darstellen oder zumindest einen „Peking-Put“ auf die chinesischen Aktienmärkte für die Zukunft bedeuten. Auch wenn die Frage der chinesischen Haltung zur Ukraine offen bleibt – die Gründe dafür, nämlich Taiwan, sind offensichtlich – , spricht vieles für einen positiven Ausblick für chinesische Aktien im Jahr 2022. Wie immer, wird das Timing für die Anleger entscheidend sein. Doch wir alle wissen: Abzuwarten, bis wirklich alle Sterne richtig stehen, ist keine gute Strategie.
Gergely Majoros, Mitglied des Investmentkomitees von Carmignac