Herr Fischer, wäre GameStop eine Aktie gewesen, die Sie sich ins Portfolio gelegt hätten?
Frank Fischer: Nein, sicher nicht. GameStop hätte unsere Bewertungskriterien nicht erfüllt. Die Gründe für den Hype liegen ja hier auch woanders. Das, was in den vergangenen Tagen und Wochen passiert ist, ist eine Mischung aus Protestbewegung, Aktionismus und Gier. Das hat mit unserer Philosophie überhaupt nichts zu tun.
Aber zeigt das Chaos nicht, dass die Märkte doch ineffizient sind und anfällig für solche Manipulationen?
Mit der These von der Effizienz der Märkte habe ich ohnehin so meine Schwierigkeiten, weil sie wesentliche Treiber wie Angst und Gier außen vorlässt, also das, was wir unseren manisch-depressiven Mr. Market nennen. Und Mr. Market ist nun mal ein fester Bestandteil der Börse. Die Frage ist aber dabei immer, wie lang solche Verzerrungen wirken. Die Aktien, die jetzt im Mittelpunkt stehen.
… neben GameStop unter anderem auch Nokia, Blackberry oder AMC Entertainment…
… steigen ja nicht, weil plötzlich irgendwelche Bewertungsfaktoren sich verändert haben. Aktivisten haben den vermeintlich bösen Hedgefonds den Kampf angesagt, die Robinhood-Trader sind auf den Zug aufgesprungen und jetzt wird mit Eifer und Zorn das Finanzestablishment bekämpft. Ich kann mir vorstellen, dass wir das in der nächsten Zeit öfter sehen werden. Aber solche Wellen sind irgendwann auch vorbei, die aktuelle Welle trägt den Kern ihres Zusammenbruchs schon in sich, und dann geht es wieder um die Fundamentaldaten. Ich gehe davon aus, dass viele Privatanleger schnell Gewinne mitnehmen werden. Diejenigen, die den Ausstieg nicht schnell genug schaffen, werden massive Verluste erleiden. Und sie werden dann beim nächsten Unternehmen nicht mehr dabei sein können. Ich befürchte, hier verlieren viele Geld und es verbrennt wieder eine ganze Anlegergeneration. Aber uns betriff das sowieso nicht, wir sind eher in der Rolle des interessierten Zuschauers.
Warum?
Unsere Anlagephilosophie ist eine ganz andere. Wir gehen keine Short-Positionen für eine kurzfristige Rendite ein. Und das aus gutem Grund. Denn wir sehen am Beispiel von Melvin Capital, wie hoch das Risiko für Short-Seller ist. Sie zahlen die Leihgebühr und dann müssen sie hoffen, dass die Aktie fällt. Im schlimmsten Fall droht der Totalverlust und sie müssen sich zu völlig irrationalen Preisen wieder eindecken. Das ist reine Spekulation. Wir hingegen sehen uns als langfristige Investoren und Partner unser Unternehmen. Unser Fokus liegt auf Qualitätsunternehmen, nicht auf dem nächsten Börsenhype.
Was für Merkmale machen denn für Sie solche Qualitätsunternehmen aus?
Wir suchen nach familien- oder eigentümergeführten Unternehmen mit einem stabilen Geschäftsmodell, einer gesunden Bilanz, einem guten Management und hohen Kapitalrenditen. Oft verfügen solche «wonderful companies» über einen Wettbewerbsvorteil, der ihnen Preissetzungsmacht verschafft und so einen inhärenten Inflationsschutz bietet. Das spielgelt sich dann eben in finanziellen Kennzahlen wieder. Einer unserer wichtigsten Parameter ist der interne Zinsfuß. Er bestimmt letztendlich den Mehrwert, den wir als Investor erhalten. Wir favorisieren deshalb Geschäftsmodelle, die für organisches Wachstum wenig bis gar kein Kapital benötigen. Gleichzeitig achten wir darauf, dass Faktoren, die den Unternehmenserfolg langfristig gefährden können, möglichst ausgeschlossen sind. Bestimmte Geschäftspraktiken wie Korruption, Kinderarbeit und problematische Branchen wie die Herstellung von Rüstungsgütern, Kernenergie oder Fracking sind für uns von vornherein nicht investierbar.
Nun gab es in den vergangenen Wochen ja nicht nur die GameStop-Spekulation. Wenn man die Indexstände zu Jahresbeginn und im Dezember vergleicht, könnte man meinen, es sei überhaupt nichts gewesen. Der Aufschwung ab März wurde von viel Euphorie und Optimismus getragen. Sind dann die aktuellen Bewertungen in der Breite gerechtfertigt? Sind dann die aktuellen Bewertungen gerechtfertigt?
Hier muss man unterscheiden. In einzelnen Bereichen wie E-Commerce ist viel künftiges Wachstum eingepreist. Hier ist die Frage, wie stark die Kurse kurzfristig noch steigen können. Und das hängt wiederum davon ab, ob es gelingt, die Gewinne weiter zu steigern. In anderen Bereichen sehe ich dafür durchaus Potenzial, zum Beispiel im Bereich Data-Security. Hier passiert im öffentlichen Bereich so viel, dass wir hier weiter mit einem starken Wachstum rechnen.
Auch bei zyklischen Unternehmen gibt es noch Kurspotenzial. Die Anleger haben hier bislang zurückhaltend agiert, weil der Fokus in anderen Bereichen lag. Aber die konjunkturelle Erholung wird kommen. Vielleicht etwas später als erwartet, aber dann werden Branchen wie Baustoffe oder Touristik zurückkommen. Jetzt ist der Zeitpunkt, um Qualitätsunternehmen aus diesen Bereichen zu kaufen, um für die Erholung positioniert zu sein.
Für die nächsten Wochen und Monate gehen wir aber zunächst auch eher von einer holprigen Entwicklung aus. Umso wichtiger ist deshalb unser Fokus auf stabile Qualitätsunternehmen mit Preissetzungsmacht. Warum wird mit Blick auf den «Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen» deutlich, der über die letzten Monate seit dem Tief seine alte Stärke wieder zeigt.
Die Bewertungen teilweise zu hoch, kurzfristige spekulative Blasen und gleichzeitig die Cash-Quoten sehr niedrig - die perfekte Mischung für einen heftigen Abschwung?
Ich glaube, dass ein kurzfristiger Rücksetzer durchaus deutliche Korrekturen mit sich bringen kann. Aber es ist wie im Sport: manchmal braucht man eine Pause, um danach gestärkt weiter zu machen. Wir haben im «Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen» aktuell eine Cash-Quote von 14 Prozent und können Rücksetzer zum Nachkaufen nutzen. Damit und mit unserem Fokus auf Qualitätsunternehmen sind wir gut aufgestellt, um von den unterschiedlichen Szenarien an den Börsen profitieren zu können.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fischer!