Notenbanken vs. Quartalszahlen
Es sind zwei Faktoren, die den weiteren Verlauf an den Börsen bestimmen werden. Da sind zum einen die Notenbanken, dann die Quartalszahlen, die derzeit die Schlagzeilen beherrschen. Starten wir mit den Quartalszahlen. Die waren bisher größtenteils erfreulich. RWE hat mehr umgesetzt und verdient als zuvor erwartet, SAP (Deep Dive SAP mit Frank Fischer) durchwachsen, während Mastercard und Visa ihre Gewinne zum Teil erheblich steigern konnten, um nur einige zu nennen. Die große Überraschung war bisher Tesla, das beim Umsatz und Gewinn sehr hohe Zugewinne ausweisen konnte. All diese Zahlen lassen für die weitere Berichtssaison hoffen. Hinzu kommt, dass die US-amerikanische Wirtschaft trotz hoher Inflation und steigender Zinsen im 4. Quartal 2022 relativ kräftig gewachsen ist. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Oktober bis Dezember auf das Jahr hochgerechnet um 2,9 Prozent zu. Damit hatten selbst Optimisten nicht gerechnet.
Notenbanken bleiben restriktiv
Kommen wir damit zu den Notenbanken. Nach Ansicht der Vizechefin der US-Notenbank, Lael Brainard, könnte eine Rezession vermieden werden. Daten deuteten allerdings auf ein gedämpftes Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr hin. Dazu zählten eine beträchtliche Abschwächung des Industriesektors und ein verhaltener Konsum. Die steigenden Zinsen haben zudem der Immobilienwirtschaft zugesetzt. Und genau diese Zinsen sollen weiter steigen, so die Ankündigung der US-Notenbank. Nach Ansicht von FED-Chef Jerome Powell werden sie dann auch noch eine ganze Weile hoch bleiben, um die Inflation längerfristig in den Griff zu bekommen. Gleiches gilt auch für die Europäische Zentralbank. EZB-Chefin Christine Lagarde hat dieser Tage weitere Zinserhöhungen als „unabdingbar“ bezeichnet. „Wir haben deutlich gemacht, dass die EZB-Zinsen noch deutlich und stetig steigen müssen, um ein ausreichend restriktives Niveau zu erreichen, und dass sie so lange wie nötig auf diesem Niveau bleiben müssen“, hatte sie bei einem Empfang bei der Deutschen Börse betont.
Entlassungswelle bei den Tech-Giganten
Und da ist es: Das Spannungsfeld einer restriktiven Notenbankpolitik und den doch relativ guten Quartalszahlen der Unternehmen. Das schlägt sich auch auf die Aktivitäten der Konzerne nieder. Sie versuchen sich an die neue Lage anzupassen. Was auffällt ist der große Job-Cut vor allem bei den Tech-Giganten. Twitter feuert 7,500 Mitarbeiter, bei Salesforce sind es 8,000, bei Microsoft 10,000 (Microsoft: Mehr als Windows und Office) und bei Alphabet (Alphabet: Viel mehr als nur die Google-Suche) gar 12,000. Und SAP setzt 3,000 Mitarbeiter frei. Das sind schon gigantische Zahlen. Und die Menschen – vor allem Facharbeiter, die wahrscheinlich im nächsten Aufschwung wieder gebraucht werden - die jetzt ihren Job verlieren, werden demnächst nicht mehr viel konsumieren können. Die Tech-Branche passt sich an die neuen Realitäten an, dass nämlich auch ihr Wachstum endlich ist und nicht immer so weitergehen kann, wie man es die letzten zwei Jahrzehnte „genießen“ konnte. Zwar verdienen sie weiterhin Milliarden, aber die Zeit der Maßlosigkeit scheint vorläufig vorbei.
Chinas neue Null-Covid-Politik sorgt besonders in Europa für neuen Schwung
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Positives zu vermelden. Besonders europäische Unternehmen profitieren wegen ihrer engen Handelsverflechtungen mit China besonders vom Ende der Null-Covid-Politik und dem damit einhergehenden Schub für die Wirtschaft. US-Konzerne sind indes weniger vom China-Geschäft abhängig; sie erzielen im Schnitt weniger als fünf Prozent ihrer Umsätze im Reich der Mitte. Dennoch kommt auch US-Unternehmen das „Re-Opening“ zugute. Üblicherweise geht eine Beschleunigung des Weltwirtschaftswachstums um einen Prozentpunkt mit einem Anstieg der Gewinne des S&P 500 um ein Prozent einher. Volkswirte haben ihre Prognosen des Weltwirtschaftswachstums nach der Öffnung der chinesischen Wirtschaft jedoch nur um knapp einen halben Prozentpunkt angehoben. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Die Abkehr von einer zu großen Abhängigkeit von China ist bereits eingeläutet. Das trifft auch auf deutsche Unternehmen zu.
Eine gewisse Zurückhaltung ist geboten
Wie positioniert man sich in einer solchen Phase? Wir sind durchaus positiv für den mittelfristigen Verlauf eingestellt, bleiben aber vorsichtig. Denn die Volatilität dürfte wieder steigen. Entsprechend sind wir auch bei unserem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen positioniert, während unser Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value natürlich weiter voll investiert bleibt. Derweil gibt es einige Risiken, die nicht vergessen werden sollten. So wird die Inflation nicht so schnell verfliegen, außerdem wird durch das „quantitative tightening“ der Notenbanken dem Markt Liquidität entzogen. Und eine rückläufige Liquidität ist Gift für die Aktienmärkte. Auf der anderen Seite stehen vor allem noch viele institutionelle Investoren am Spielfeldrand. Wenn die wieder Mut fassen und in den Markt einsteigen, könnte das den Börsen neuen Schwung geben. Dazu müssen aber die Quartalszahlen weiterhin gut ausfallen.
Von Frank Fischer, CEO & CIO der Shareholder Value Management AG