Lange Zeit war Künstliche Intelligenz – kurz KI - kaum zu greifen. Viele Entwicklungen schienen noch viel zu weit weg vom Alltagseinsatz. Doch seit einigen Monaten hat sich das Blatt komplett gewendet. Durch die Anwendung ChatGPT von Open AI ist KI für Millionen Nutzer plötzlich ein Thema geworden. Mit Microsoft ist einer der größten Technologiekonzerne der Welt an den Machern dieser disruptiven Anwendung beteiligt. Zeit für ein Update zum US-Konzern, der bislang vornehmlich mit seinen Office-Anwendungen und den Cloud-Lösungen für Schlagzeilen gesorgt hat.
Microsoft ist vor allem bekannt als ein weltweit führender Softwareanbieter. Das Unternehmen aus Redmond im US-Bundesstaat Washington bietet ein breites Spektrum an Software-Produkten und Dienstleistungen für verschiedene Nutzergeräte an. Die Produktpalette erstreckt sich von den Windows-Betriebssystemen für PCs, Mobilgeräte und Netzwerke über Serversoftware für Client-Server-Umgebungen, Anwendungsprogramme und Desktop-Applikationen für Unternehmen und private Nutzer, Multimedia-Anwendungen bis hin zu Internet-Plattformen, Entwickler-Tools und Hardware.
Zusammen mit dem weltweit meistverwendeten Betriebssystem Windows bilden die Büroprogramme der Marke Office die Hauptsäule des Unternehmens, wobei jetzt viele Umsätze mit den Abo-Versionen der neuesten Office-Varianten gemacht werden. Im Onlinebereich betreibt der Konzern die Internet-Suchmaschine Bing oder auch den Internet-Telefondienst Skype mit Angeboten im Bereich Sprach- und Videotelefonie. Daneben ist Microsoft im Hardware-Segment aktiv, etwa mit Microsoft Surface, einer Serie von Tablet-PCs mit multi-touch-fähigem Bildschirm.
Mit den Videospielkonsole Xbox One positioniert sich Microsoft außerdem im Spitzenfeld der Videospielbranche. Zudem kaufte Microsoft 2014 die gesamte Handysparte von Nokia. 2016 übernahm der Technologie-Riese auch das Karriere-Netzwerk LinkedIn.
Bei einigen dieser Übernahmen funktionierte die Integration nicht reibungslos – und die Microsoft-Aktie notierte über etliche Jahre nur seitwärts. Doch mit dem aktuellen Vorstandschef Satya Nadella ist Microsoft in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Speziell das Cloud-Segment hat in den vergangenen Jahren wichtige Impulse geliefert. Zwar ist hier Amazon mit seinem Service AWS (Blogbeitrag: AWS: Der versteckte Gewinntreiber bei Amazon) der Platzhirsch am Markt und zeigte in den vergangenen Quartalen auch weiterhin ein starkes Wachstum. Microsoft gewinnt jedoch mit seiner Azure-Lösung jedes Jahr neue Marktanteile hinzu und wächst dabei jährlich um rund 30 Prozent. Der Bereich dürfte auf Jahre hinaus einer der Wachstumstreiber des Konzerns bleiben, da es gelingt, in einem ohnehin stark wachsenden Markt stetig Marktanteile hinzuzugewinnen.
Microsoft hat ChatGPT direkt in die eigene Suchmaschine Bing integriert
Durch KI-Anwendungen wie ChatGPT ergeben sich nun völlig neue Möglichkeiten für Microsoft. Der entscheidende Punkt ist hier die Internetsuche. Bislang bestimmt Google mit einem Marktanteil von rund 90 Prozent die globale Suche im Internet. Das liefert die Basis für das Werbegeschäft von Google (Blogbeitrag: Alphabet: Viel mehr als nur die Google-Suche).
Doch schon heute ist Microsoft mit seiner Suchmaschine Bing die globale Nummer zwei. Das hört sich allerdings zunächst besser an als es ist, denn der Marktanteil von Bing schwankt regelmäßig zwischen vier und fünf Prozent. Und hier kommt jetzt die KI-Anwendung ChatGPT ins Spiel: Sie ist zwar erst seit Dezember auf dem Markt. Doch Microsoft hat sie schon in seine Suchmaschine integriert.
Wenn nun immer mehr Nutzer die Vorteile dieser Internetsuche entdecken, könnte Alphabet schon etwas von seinem Vorsprung einbüßen. Und das kann sehr schnell gehen. Das zeigt die rasche Ausbreitung von ChatGPT. Bis zur Grenze von einer Million Nutzer dauerte es nur fünf Tage. Das ist ein neuer Rekord für die Nutzung einer disruptiven Technologie. Zwar hat sich der Zeitraum bei der Durchdringung neuer Technologien oder Anwendungen zuletzt immer stärker beschleunigt: die Ausbreitung der Personal Computer von den ersten Geräten am Markt bis zu einer Nutzerzahl von 50 Millionen dauerte immerhin noch 14 Jahre. Aber ChatGPT hat bereits nach weniger als zwei Monaten die Marke von 100 Millionen Nutzern erreicht.
Großes Potenzial könnte zudem in möglichen Einbindungen der KI ins Office-Paket liegen. Stellen Sie sich vor, Sie könnten in Excel einfach einen Befehl eingeben und die KI bearbeitet dann Ihr Sheet. Derartige Anwendungen könnten den Alltag unzähliger Office-Nutzer erleichtern. Es spart Zeit und bietet so effiziente Arbeitsprozesse. Die ständige Verbesserung und Weiterentwicklung des Office-Pakets begründet den tiefen und breiten wirtschaftlichen Burggraben des Softwareunternehmens, der Preissetzungsmacht verleiht.
Microsoft bleibt eine Gewinnmaschine
Was der Zweig der Künstlichen Intelligenz wirtschaftlich für Microsoft bedeutet, wird sich noch zeigen müssen. Doch eines ist jetzt schon klar: Microsoft ist wieder gut aufgestellt, um Lösungen für die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft anzubieten. Genau das zeichnet einen solchen Technologie-Giganten aus. Daher ist es derzeit wirklich richtig zu sagen: Tech is back (Blogbeitrag: Tech-Aktien: Totgesagte leben länger!).
Insgesamt hat sich Microsoft vor allem in den vergangenen Jahren zu einer Gewinnmaschine entwickelt. Das unterstreicht der Blick auf die Jahresüberschüsse. Die lagen zum Bilanzstichtag 30. Juni 2019 bei 39,24 Milliarden Dollar. 2020 ging es auf 44,28 Milliarden Dollar nach oben und zum Stichtag 2021 erreichte der einbehaltene Gewinn sogar schon die Marke von 61,27 Milliarden Dollar. Im Geschäftsjahr 2022 nun hat Microsoft den Gewinn sehr deutlich auf 72,74 Milliarden Dollar gesteigert.
Die folgende Grafik zeigt, das Wachstum des wichtigen Cloudgeschäfts, sowie des Jahresüberschusses und der Kursentwicklung zu den Stichtagen (30. Juni) seit 2019. Der Einfluss des Cloudgeschäfts auf die Gewinne und den Kurs ist deutlich zu sehen.
Microsoft hat hier also in den vergangenen Jahren den Substanzwert stetig gesteigert - für uns ist das ein Kennzeichen für ein „wunderbares Unternehmen“.
Und wenn Investoren bei der Entwicklung neuer Trends nicht auf junge Unternehmen setzen wollen, bei denen das Risiko naturgemäß sehr groß ist, dann bietet jetzt ein Technologiekonzern wie Microsoft diese Möglichkeit – aber mit der Sicherheit eines der größten Unternehmen der Welt.
Von Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege bei Shareholder Value Management AG