Die wöchentliche Sentix-Umfrage ist immer nah am Puls der Investoren. In der Umfrage wird die kurzfristige Einschätzung auf Sicht der nächsten 30 Tage abgefragt. Speziell der Blick auf die aktuelle Einschätzung des US-Aktienmarkt zeigt das mangelnde Vertrauen in die derzeit hohen Indexniveaus. „Das Sentiment für US-Aktien bleibt oben – wenn auch auf gemäßigtem Niveau. Nach dem Euphorie-Hoch vor zwei Wochen entsteht nun langsam eine Divergenz zwischen Sentiment und Aktienkursen. Dies ist allzu typisch für die Bildung von Höchstkursen und dokumentiert eine schrittweise Erosion des Bullen-Camps“, heißt es zum US-Aktienmarkt in der aktuellen Sentix-Analyse.
Gleichzeitig bleibt der längerfristige Blick auf den US-Aktienmarkt sehr schwach. Dieser „Strategischer Bias“ genannte Indikator bezieht sich auf die Marktaussichten der kommenden sechs Monate. In dieser Woche ist er auf den niedrigsten Stand seit Juni 2022 abgesackt. Damit gilt: Die Anleger trauen den steigenden Kursen nicht.
Neben Aktien fragt die Sentix-Umfrage auch andere Anlageklassen ab. Besonders spannend ist derzeit der Blick auf Gold. Hier hat der Preis zuletzt im Bereich um 2.000 Dollar ganz klar einen Widerstand aufgebaut. Nun stellt sich die Frage, ob Gold das Potenzial hat, das alte Rekordhoch von 2.070 Dollar pro Feinunze nachhaltig zu überschreiten. Hier fällt das Urteil in der Sentix-Analyse klar aus: „Gold dürfte es in den nächsten 12 Wochen schwer haben. Die charttechnische Hürde bei 2.000 Dollar erweist sich als harte Nuss. Der Faktor Saisonalität ist bis dahin ungünstig. Ab Juli könnte dann aber die nächste „Glanzperiode“ anstehen.“
Globale Fondsmanager bleiben vorsichtig
Deutlich weiter gefasst sind die Fragestellungen beim Global Fund Manager Survey der Bank of America. Diese monatliche Umfrage gibt ein grundlegendes Stimmungsbild der globalen Fondsmanager wieder. Ich war bereits zum zweiten Mal Teilnehmer. Die Beantwortung der Fragen, sowie die Auswertung der Ergebnisse tragen zu meiner aktuellen Einschätzung der Märkte bei. Insofern werde ich dieses Thema regelmäßig im Frankfurter Investmentblog aufgreifen.
Trotz der zuletzt guten Entwicklung an den Börsen sind auch die globalen Fondsmanager aktuell pessimistisch eingestellt. Die Turbulenzen der Banken im März haben hier Spuren hinterlassen. Daher erwarten immerhin 63 Prozent der Fondsmanager eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung. Das sind immerhin 13 Prozent mehr als noch im Monat zuvor und bedeuten den schwächsten Stand seit Dezember 2022.
Beim Thema Inflation herrscht hingegen eine klare Meinung vor: 84 Prozent der Fondsmanager erwarten hier einen Rückgang der Preissteigerung. Spannend ist auch die monatliche Frage nach den Zinserwartungen. Aktuell gehen mit 35 Prozent die meisten Fondsmanager von einer Zinssenkung im ersten Quartal 2024 - 28 Prozent erwarten diesen Schritt schon im 4. Quartal 2023. Nur 14 Prozent glauben an eine noch frühere erste Zinssenkung im 3. Quartal des laufenden Jahres und 10 Prozent sehen die Trendwende bei den Zinsen erst im 2. Quartal 2024. In der Konsequenz bedeutet das erst einmal ein Zinsniveau im Bereich um 5 Prozent in den USA – wobei in der aktuellen Umfrage nicht geklärt wurde, ob noch weiter Zinserhöhungen realistisch sind.
Risiko einer globalen Rezession weiterhin hoch
Welche Folgen das höhere Zinsumfeld haben könnte, stellten die Pleiten im Bankensektor unlängst unter Beweis. Tatsächlich sehen die Fondsmanager weitere Probleme im Bankengeschäft, mit einer Kreditklemme und einer daraus folgenden globalen Rezession, als das größte Risiko der Finanzmärkte an (35 Prozent). Ganz knapp dahinter mit 34 Prozent folgt dann aber schon das Risiko weiterhin hoher Inflationsraten und einer zu restriktiven Zinspolitik der Notenbanken. Noch vor einem Monat war hingegen ein weiterer Bankenzusammenbruch das mit Abstand größte Risiko. Die Furcht davor ist in den vergangenen Wochen deutlich gesunken und so rangiert dieses Risiko mit 16 Prozent nur noch auf dem dritten Rang. Noch dahinter folgen die geopolitischen Risiken mit ihrem negativen Potenzial für die Finanzmärkte. Das schätzen nur noch 11 Prozent der Fondsmanager als Risiko ein.
Eine wichtige Kennziffer zur Risikoeinschätzung der Fondsmanager sind die Cash-Level. Mit 5,5 Prozent hat es hier im Vergleich zum Vormonat keine Veränderung gegeben. Aus der Erfahrung heraus sind Cashbestände von 5 Prozent und mehr ein taktisches Kaufsignal an den Märkten. Doch dieses Signal besteht schon seit November 2021 – und damit seit 17 Monaten. Wer zu dem Zeitpunkt in den Markt eingestiegen ist, hat eine schwere Zeit mit deutlichen Verlusten erlebt. Hier ist einmal mehr erkennbar, wie schwierig es ist, solche Signale tatsächlich für die Steuerung der Aktienquote einzusetzen.
Krise bei Immobilien noch nicht ausgestanden
Abschließend noch ein Blick auf Gold und den Immobilien-Sektor. Beim Edelmetall sehen die Experten erstmals seit August 2021 wieder eine Überbewertung. Es sind zwar nur 6 Prozent der Fondsmanager. Doch seit August 2021 wurde Gold dauerhaft als unterbewertet eingestuft. Gleichzeitig sind die Fondsmanager im Immobiliensektor so deutlich untergewichtet wie seit der Globalen Finanzkrise 2009 nicht mehr. „Die Sorgen, vor allem im Bereich Gewerbeimmobilien, belasten den gesamten Sektor weiterhin deutlich“, heißt es dazu von Michael Hartnett, dem verantwortlichen Analysten der Bank of America.
Insgesamt zeigen beide Umfragen: Die Profis bleiben vorsichtig und von einer euphorischen Stimmung an den Börsen sind wir weit entfernt.
Von Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege bei Shareholder Value Management AG