USA vor Zinssenkungen
Fed-Chef Jerome Powell betont bei jeder Gelegenheit, dass er sich an der aktuellen Fakten- und Datenlage orientieren wird. Aber die sprechen für eine Zinssenkung im September. So zeigen die Einzelhandelsumsätzen in den USA im Juli, dass die Kauflaune der US-Verbraucher wieder zugelegt hat: Die Umsätze stiegen gegenüber dem Vormonat um ein Prozent, wohingegen Analysten einen Zuwachs von nur 0,3 Prozent prognostiziert hatten. Zudem sind die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der vergangenen Woche unerwartet gesunken, auch wenn die Zahlen jüngst wieder korrigiert wurden. Entsprechend kündigte Fed-Chef Jerome Powell auch nach dem Notenbanktreffen in Jackson Hole eine baldige Zinssenkung an.
Aber: die jüngsten Daten lösten wesentlich stärkere Marktbewegungen aus als die US-Verbraucherpreisdaten. Wurden infolge von Sorgen um eine mögliche US-Rezession an den Terminmärkten zeitweise noch 1,5 Prozentpunkte an Zinssenkungen der Fed für 2024 eingepreist, reduzierten sich diese eingepreisten Zinssenkungen nun auf 0,93 Prozentpunkte. Die Renditen zweijähriger US-Staatsanleihen stiegen um 0,15 Prozentpunkte, der US-Dollar wertete auf. Die Aktienmärkte profitierten von den guten Nachrichten. Dow Jones, S&P 500 und der NASDAQ 100 legten spürbar zu.
Warten auf die Fed-Zinssenkung und die Präsidentschaftswahlen
Doch noch ist nichts in trockenen Tüchern. Man muss die Sitzung der Fed im September abwarten, in welcher Höhe die Zinsen wirklich gesenkt werden. Und dass, obwohl Präsidentschaftskandidat Donald Trump in seiner typischen Art gefordert hatte, vor den Wahlen im November nicht an der Zinsschraube zu drehen. Aber noch ist er nicht im Amt. Und ob das überhaupt geschehen wird, ist weiter fraglich, denn der Kampf mit Kamala Harris um die Gunst der Wähler ist absolut offen. Doch eines steht fest: Sollte Trump gewinnen, will er die Steuern senken, was in der Wirtschaft gut ankommen würde. Harris will dagegen die Unternehmenssteuern von 21 auf 28 Prozent erhöhen, um ihre Politik für die Schwächeren in der US-Gesellschaft zu stärken. Darüber hinaus will die Demokratin unter anderem einen Preisdeckel für Lebensmittel einführen und Mieten sowie Immobilien ebenfalls mit einer Preisbremse versehen. Es bleibt also spannend.
Alphabet günstiger bewertet als der S&P 500
Was bedeutet das für den aktuellen Aktienmarkt? Wir halten uns bei unseren Mandaten wie dem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen und dem Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value in puncto US-Aktien derzeit etwas bedeckt und warten erst mal die nächste Fed-Sitzung und die Wahlen ab. Zu unsicher ist derzeit die Gemengelage. Das bedeutet aber nicht, dass wir ganz auf US-Papiere verzichten. So sind wir weiter in Microsoft und Alphabet investiert. Hier besticht derzeit vor allem die Google-Muttergesellschaft durch eine günstige Bewertung. Der Konzern wächst derzeit mustergültig in seine einst hohe Bewertung hinein, weil der Konzerngewinn schneller als der Aktienkurs steigt. Mit einem KGV von 19,4 auf Basis der prognostizierten Gewinne für die nächsten vier Quartale ist Alphabet auf dem aktuellen Kursniveau die günstigste Aktie unter den „Glorreichen Sieben“. Zum Vergleich: Das durchschnittliche KGV für die Konzerne im S&P 500 liegt bei 21.
Diasorin, das Nespresso der Medizintechnik
Ansonsten haben wir Europa übergewichtet. Hier favorisieren wir eine breite Palette an Aktien aus unterschiedlichen Bereichen und Ländern. Angeführt wird die Liste von der guten, alten Allianz. Dann halten wir Aktien des italienischen Medizintechnik-Konzerns Diasorin. Das Unternehmen hat sich auf Diagnoseprodukte, hauptsächlich klassische Tests von Proben, spezialisiert. Das Unternehmen platziert ihre Diagnosemaschinen günstig oder teilweise sogar gratis bei den Kunden. Warum? Sein Angebot ist für viele zu gut, um es abzulehnen - die Maschinen können aber nur Tests von Diasorin auswerten. So bindet man die Kunden und sichert sich eine stabile, wiederkehrende Nachfrage nach den Tests. So wie es Nespresso mit ihren Kapseln macht.
Hinzu kommen die britische Rightmove, der norwegische Finanzdienstleister Storebrand und viele andere. Wir sehen in europäischen Aktien das größere Wachstumspotential. Und schützen uns so vor den Risiken der US-Märkte.
Von Frank Fischer, Vorstandsvorsitzender und Chief Investment Officer bei Shareholder Value Management AG