Zu Beginn des letzten Quartals ist klar: Nur noch knapp drei Monate bis zu Jahresende. Das bedeutet Hochkonjunktur für Jahresendprognosen. Also wo steht der DAX? Wie viele Zinssenkungen wird die Fed noch durchführen? Aber in diesem Jahr steht vorher noch ein Großereignis an – und auch daraus ergeben sich Fragen. Die wichtigste lautet natürlich: Wer wird die US-Wahl gewinnen und als nächstes ins Weiße Haus einziehen?
Diese Fragen sind alle spannend. Wer will nicht wissen, was die nahe Zukunft für uns bereithält? Doch genau hier liegt auch das große Problem. Wenn es um die konkrete Entwicklung von Indizes oder Zinsen auf Sicht von drei Monaten geht, ist eine seriöse Prognose kaum möglich. Und was noch viel wichtiger ist: Sie bringt auch nicht viel. Solche Prognosen sind eben immer nur eine Seite der Medaille. Was das aber konkret für die Kapitalmärkte bedeutet steht dann auf der anderen Seite der Medaille.
Und das hängt wiederum von so vielen Faktoren ab, die man auf die Schnelle kaum überblicken kann. Im Grunde sollte die Investment-Strategie so ausgelegt sein, dass die kurzfristige Entwicklung der Zinsen keine große Auswirkung darauf hat.
Bei binären Ereignissen wie Wahlen sieht es natürlich anders aus. Hier kann eine Wahl schon kurzfristig einen Einfluss auf die Märkte haben – aber oft auch anders als gedacht. Rückblick 2016: Damals war die US-Wahl eigentlich schon klar entschieden: Hillary Clinton galt als klare Favoritin und Donald Trump als Außenseiter. Was aber klar war: Sollte es Trump wirklich ins Weiße Haus schaffen, wäre das schlecht für die Kapitalmärkte. Ein stark zu erwartender Sieg von Hillary Clinton wäre hingegen gut für die Börse.
Donald Trump war gut für die Börse – entgegen aller Prognosen
Nun wissen wir alle das Ergebnis: Donald Trump gewann die Wahl. Das war eine Überraschung. Danach stiegen dann die Börsen deutlich an. Das war schon eher eine Sensation. Im Rückblick sind die Börsenkurse in der Amtszeit von Donald Trump um 72 Prozent gestiegen – gemessen am S&P 500 Index. Amtsinhaber Biden bringt es bis jetzt immerhin auf knapp 50 Prozent und viele Indizes stehen nahe den Rekordständen. Trump hat es früh in der ersten Amtszeit verstanden, mit Steueranreizen für Unternehmen viele positive Effekte auch an den Börsen freizusetzen.
Schauen wir rational auf die vor uns liegende Wahl, so ist der Wahlausgang komplett offen zu diesem Zeitpunkt. Kamala Harris hat zuletzt zwar in einigen Umfragen vorne gelegen. Doch der Vorsprung ist so gering und ist noch in der Fehlertoleranz, so dass ein klares Ergebnis nicht erkennbar ist.
Gleichwohl ist es sinnvoll, direkt nach der Wahl auf das Ergebnis zu reagieren. Trump oder Harris macht hier schon einen Unterschied. Aber wer nun besser für die Börsen ist, wird sich erst zeigen müssen. Doch jetzt schon Anpassungen am Portfolio vorzunehmen gleich doch einem Münzwurf, denn ähnlich ungewiss ist doch der Ausgang.
Nun ist die US-Wahl ohnehin ein spezielles Ereignis. Selten haben Wahlen wirklich einen großen Einfluss auf die Börse. Das hat sich auch bislang in diesem als Superwahljahr bezeichneten 2024 gezeigt. Viele Wahlen sind sogar in den Ländern selbst ohne große Folgen geblieben. Dabei erleben wir wirklich ein historisches Jahr: Noch nie waren so viele Menschen weltweit zu Wahlen aufgerufen. Mit mehr als 4 Milliarden Mensch ist es mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Große Länder wie Brasilien, Indien oder Indonesien waren bis jetzt schon darunter aber auch die Europawahl hat hier eine Bedeutung für fast 450 Millionen EU-Bürger gehabt.
Nun steht noch mit der US-Präsidentenwahl der Höhepunkt des Superwahljahres bevor. Wie so oft gilt auch bei dieser Wahl: Die kurzfristigen Auswirkungen einer Wahl werden oft überschätzt, wohingegen die langfristigen Auswirkungen zumeist unterschätzt werden. In den USA mag es an den Börsen kurzfristige Turbulenzen auf Grund des Wahlausgangs geben. Viel weitreichender können jedoch die langfristigen Folgen sein. So tauchen immer wieder Äußerungen von Donald Trump bezüglich der US-Wahl 2028 auf. Laut der Verfassung kann sich Trump nicht noch einmal zur Wahl stellen. Aber er lässt bei seinen Äußerungen viel Spielraum für Spekulationen, dass vielleicht die nächste Wahl in den USA unter anderen Vorzeichen stattfindet und er dann sogar in der Lage sein könnte, noch einmal als Präsidentschaftskandidat antreten zu können.
Das ist Zukunftsmusik und wahrlich schwer einzuschätzen. Aber das Beispiel der US-Wahl zeigt deutlich auf, wie unzuverlässig doch oft Prognosen sind – selbst wenn sie auf empirisch sauber durchgeführten Wählerumfragen basieren.
Auch bei Börsenprognosen ist Vorsicht geboten
Bezogen auf die Börse und die Wirtschaft existieren auch unzählige Prognosen – ob zur Inflationsentwicklung, Konjunktur, den Zinsen oder den Wechselkursen. Viele verschiedene Parameter bilden die Basis für die Prognosen. Aber am Ende bleit es doch bei der einfachen Feststellung: Die Zukunft ist ungewiss. Daher sollten wir alle nicht zu sehr auf Prognosen zur nächsten Wahl oder dem Börsenverlauf der nächsten Monate schauen und vor allen Dingen nicht die eigene Anlagestrategie danach ausrichten.
Schon Mark Twain brachte es im späten 19. Jahrhundert wie so oft treffend auf den Punkt: "Es ist nicht das, was du nicht weißt, das dich in Schwierigkeiten bringt. Es ist das, was du mit Sicherheit weißt, das einfach nicht so ist." Und genau hier liegt das Problem bei Prognosen: Sie bieten eine vorgetäuschte Sicherheit bezüglich der Zukunft, die sie aber nicht wirklich bieten können.
Von Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege bei Shareholder Value Management