Der überraschend klare Sieg von Donald Trump hat den Finanzmärkten erst einmal Klarheit gebracht. Das mag die Börse. Vor allem US-Aktien haben zum Teil deutlich zugelegt. Gleichzeitig ging es in Europa erst einmal nach unten. Das könnte ein Fingerzeig für die nahe Zukunft sein. Trump steht mit seiner „Make America Great Again“ Politik klar für die Stärkung der USA – oft ohne Rücksicht auf Verbündete oder Handelspartner.
Allerdings muss sich die Dynamik der von Trump geplanten Änderungen – vor allem mit Zöllen bei der Handelspolitik und mit Steuersenkungen für Unternehmen – erst noch zeigen. Bis zum Amtsantritt Trumps am 20. Januar 2025 sitzt noch Joe Biden im Weißen Haus.
Der Blick in die Geschichte zeigt: Im ersten Jahr als neuer Präsident haben Demokraten eine bessere Performance aufzuweisen als die republikanischen Präsidenten. Das bezieht sich vor allem auf den Dow-Jones-Index. Allerdings war die erste Amtszeit von Donald Trump hier eine positive Ausnahme.
30 Billionen Dollar Staatschulden sind es jetzt schon
Doch wie geht es jetzt konkret weiter – auch beim Thema Schulden? Fakt ist: Donald Trump hat schon angekündigt, die US-Schulden weiter auszubauen. Klar ist aber auch: Der Zustand der US-Finanzen ist sehr schlecht und verschlechtert sich weiter. Das Congressional Budget Office (CBO) hat kürzlich seine neuesten Schätzungen zur Haushaltslage veröffentlicht. Demnach wird das Haushaltsdefizit – also der Betrag, den die Regierung jedes Jahr mehr ausgibt, als sie einnimmt – im Jahr 2025 fast 2 Billionen Dollar betragen. Ein Großteil dieser Summe wird nur dafür benötigt, die Zinsen auf die bereits bestehenden Schulden zu zahlen. Am Ende des Haushaltsjahres 2025 wird die Gesamtverschuldung der Regierung bei 30,2 Billionen Dollar liegen, fast so viel wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes.
Das CBO geht davon aus, dass die Schulden bis 2034 auf über 50 Billionen Dollar ansteigen, und allein die jährlichen Zinszahlungen werden dann 1,7 Billionen Dollar betragen. Das Problem könnte sogar schlimmer sein, da das CBO nur ein moderates Wirtschaftswachstum und eine niedrige Inflationsrate annimmt – ohne die Möglichkeit einer Rezession, also eines Wirtschaftseinbruchs, zu berücksichtigen. Eine solche Rezession würde das Defizit weiter erhöhen, da die Einnahmen des Staates sinken und die Ausgaben für soziale Unterstützung steigen würden.
Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass die derzeitigen Steuergesetze ab 2026 eine große Steuererhöhung vorsehen, wenn die Steuererleichterungen von 2017 auslaufen. Sollte der Kongress diese Erhöhung nicht abwenden, könnten die Steuersätze für Privatpersonen spürbar steigen, was wiederum die Wirtschaft belasten und möglicherweise eine Rezession auslösen könnte. Hier ist es nun möglich, dass der neue US-Präsident Trump diese Regelung kippen wird. Somit würden die Steuererleichterungen von 2017 weiter in Kraft bleiben.
Langfristig gesehen wird die Verschuldung bald den Höchststand erreichen, den sie während des Zweiten Weltkriegs hatte. Doch damals konnte die Wirtschaft das Schuldenniveau schnell wieder senken, was heute deutlich schwieriger wäre. Auch die staatlichen Sozialkassen für die Rente und die Krankenversicherung (Sozialversicherung und Medicare) werden in den 2030er Jahren ihre Reserven aufgebraucht haben. Danach könnten diese Programme nur noch durch die laufenden Steuereinnahmen finanziert werden, was wahrscheinlich zu erheblichen Leistungskürzungen führen wird.
Mit Trump könnten noch bis zu 15 Billionen Dollar neue Schulden dazukommen
Schließlich analysierte der Ausschuss für einen verantwortungsvollen Bundeshaushalt (CRFB) auch die Auswirkungen der politischen Pläne der beiden Präsidentschaftskandidaten. Beide würden laut CRFB die Schulden weiter erhöhen. So könnten die ursprünglichen Pläne von Harris die Schulden um bis zu 8,3 Billionen Dollar erhöhen, während Trumps Pläne bis zu 15,55 Billionen Dollar zusätzlich kosten könnten – in beiden Fällen eine große Belastung für den Haushalt. Insgesamt zeigen die Schätzungen, dass mit einem Präsident Trump die Schulden sogar noch deutlich stärker steigen werden.
Vor 20 Jahren war es theoretisch noch möglich, das Haushaltsdefizit auszugleichen und die Schulden zu reduzieren. Heute stehen wir an einem Punkt, an dem alle Lösungen schmerzhaft sind. Um das Schuldenproblem zu lösen, braucht es eine lange, schrittweise Vorgehensweise, bei der nicht alles auf einmal umgesetzt werden kann. Wenn man meint, das Problem ließe sich mit ein paar Steuererhöhungen für Reiche oder durch das Kürzen bestimmter Ausgaben beheben, dann irrt man sich – solche Maßnahmen reichen allein nicht aus.
Mit Trump wird die US-Politik wohl unberechenbarer – auch beim Thema Schulden
Die politische Realität zeigt, dass beide Parteien bisher wenig Interesse an einer gemeinsamen Lösung hatten. Es gab vor einigen Jahren eine ernsthafte, überparteiliche Initiative zur Schuldenreduktion, die „Simpson-Bowles-Kommission“. Diese Kommission stellte einen Plan vor, doch weil nicht genügend Unterstützung dafür gewonnen werden konnte, scheiterte der Plan im Kongress. Das zeigt, dass das Problem der steigenden Schulden weiter besteht und noch keine wirkliche Lösung in Sicht ist. Und mit Donald Trump im Weißen Haus wird die US-Politik auch in Bezug auf die weitere Entwicklung der Schulden unberechenbarer – das hat schon die erste Amtszeit gezeigt. Tatsächlich wird das Thema Schulden mit dem Fokus auf den USA in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Die Stabilität der globalen Finanzmärkte könnte hier deutlich gefährdet sein. Es ist aber ebenfalls gut möglich, dass die großen Probleme aus den hohen Schuldenständen sich erst dann zeigen werden, wenn Donald Trump nicht mehr im Amt sein wird. Diese Probleme bauen sich nicht in Monaten, sondern eher in Jahren auf. Dennoch lohnt sich schon jetzt ein genauer Blick auf die Entwicklung, denn das Thema entwickelt sich schon jetzt massiv im Untergrund – auch wenn die Folgen an der Oberfläche noch nicht erkennbar sind.
Von Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege bei Shareholder Value Management