Die Auswahl von Aktien kann weit mehr als eine nüchterne Analyse sein – sie ist für viele Profis ein intellektueller Genuss. Besonders Fondsmanager empfinden Freude daran, ihre Investment-Thesen zu formulieren und die zugrundeliegenden Kriterien ihrer Aktienentscheidungen darzulegen. Dabei gibt es keine universelle Methode: Unterschiedliche Ansätze führen zum Ziel, abhängig von der Strategie und den Prioritäten des Investors.
Quantitative Strategien: Datenbasierte Effizienz
Quantitative Ansätze setzen ausschließlich auf harte Fakten und fundamentale Kennzahlen. Aspekte wie Managementqualität oder Unternehmenskultur spielen hier keine Rolle. Stattdessen basieren Entscheidungen auf einer systematischen Analyse von Cashflow, Ertragskraft und Wachstumspotenzialen eines möglichst breiten Aktienuniversums. Bei 2.000 oder mehr analysierten Unternehmen ist ein direkter Kontakt zum Management weder praktikabel noch relevant. Diese datengetriebene Methodik ist stringent und liefert nachvollziehbare Ergebnisse, die auf quantitativer Logik basieren. Dieser Weg hat schon viele Fans und das könnte auch noch weitergehen. Immerhin werden hier die Emotionen nahezu völlig ausgeschaltet. Zahlen sagen mehr als 1.000 Worte ist das Motto dieses Ansatzes.
Qualitative Strategien: Die Bedeutung von Integrität und Kultur
Am anderen Ende des Spektrums stehen Fondsmanager, für die die Integrität des Managements und die Unternehmenskultur zentrale Selektionskriterien sind.
Genau hier kommen die Emotionen ins Spiel oder anders gesagt das Bauchgefühl des Fondsmanagers. Insofern spielen hier die Zahlen natürlich auch eine Rolle. Im Grund geht es aber erst einmal um eine Einschätzung der Unternehmenskultur anhand der Gesprächserfahrungen mit dem Management.
Diese Herangehensweise geht davon aus, dass eine langfristig erfolgreiche Unternehmensführung ohne ethische Grundsätze und ein gesundes internes Klima kaum möglich ist. Doch reicht es aus, lediglich „die Guten“ zu identifizieren, um eine konstante Überrendite zu erzielen? Die Realität ist komplexer: Kultur und Integrität entfalten ihre Wirkung oft erst über längere Zeiträume und müssen von soliden Finanzkennzahlen gestützt werden.
Hier lohnt sich der Blick auf den Einfluss verschiedener Marktfaktoren im Zeitablauf. Tatsächlich sind die Märkte kurzfristig – also auf Sicht eines Monats oder auch etwas darüber – stark bestimmt von den vorherrschenden Emotionen Angst und Gier. Auf Sicht eines Jahres spielt schon die Veränderung des Multiples – also die Bewertung eine größere Rolle.
Konjunktur- und Branchenzyklen haben mittelfristig einen klaren Einfluss. Da geht es um den Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Darüber hinaus bis in den Bereich von 10 Jahren ist es doch die Ertragskraft der Unternehmen, die oft an der Rendite auf das reinvestierte Kapital festgemacht wird. Im langfristigen Zeitraum von zehn Jahren und mehr rücken die handelnden Personen des Unternehmens und die Kultur des Unternehmens immer stärker in den Fokus. Im Grunde geht es hier zentral um die Integrität des Managements.
Microsoft: Ein Paradebeispiel für Kulturwandel und Erfolg
Microsoft veranschaulicht die transformative Kraft von Managementqualität und Unternehmenskultur. Seit der Amtsübernahme von Satya Nadella im Jahr 2014 hat das Unternehmen nicht nur kulturell einen Wandel vollzogen, sondern auch an der Börse beeindruckende Ergebnisse geliefert: Die Aktie legte in zehn Jahren um 1.400 Prozent zu. Nadellas strategische Weitsicht und Führungskompetenz stehen im deutlichen Kontrast zu seinem Vorgänger Steve Ballmer, dessen Amtszeit durch fragwürdige Entscheidungen geprägt war und in der die Aktie rund 65 Prozent ihres Werts verlor. Weshalb wir Microsoft auch Im Portfolio unserer beiden Fonds Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen und Frankfurter UCITS-ETF - Modern Value halten.
Unternehmenskultur: Ein Baustein, kein Allheilmittel
Trotz solcher Beispiele ist klar, dass eine starke Kultur und ein integres Management allein nicht ausreichen. Ohne überzeugende Fundamentaldaten bleiben auch die besten Absichten folgenlos. Für langfristige Investoren sind Kriterien wie Integrität und Kultur jedoch entscheidend, da sie häufig die Grundlage für nachhaltigen Erfolg bilden – auch wenn sich dieser erst nach Jahren manifestiert.
Messbarkeit von Integrität: Zwischen Indikatoren und Intuition
Die Bewertung von Managementintegrität bleibt eine Herausforderung. Dennoch gibt es Indikatoren, die Rückschlüsse auf die Unternehmenskultur zulassen: Ein einfacher Blick auf die Parkplätze vor der Firmenzentrale zeigt oft mehr, als man erwarten würde. Sind die besten Plätze für Kunden oder das Management reserviert? Solche Details können wertvolle Hinweise liefern.
Auch auf persönlicher Ebene gibt es Signale. Würde man sein Portemonnaie während eines Gesprächs mit dem Management unbesorgt auf dem Tisch liegen lassen? Selbst ein kurzer Moment des Zögerns kann ein Anlass sein, die Due-Diligence zu intensivieren und potenzielle Risiken genauer zu prüfen.
Die Vielseitigkeit der Aktienselektion
Ob der Fokus auf quantitative Analysen oder auf qualitative Faktoren gelegt wird, hängt letztlich von der individuellen Investmentphilosophie ab. Es gibt kein universelles „richtig“ oder „falsch“.
Wir haben uns bei Shareholder Value Management ganz klar für die Einbeziehung der Integrität des Managements und die gelebte Unternehmenskultur entschieden. Als langfristig orientierte Value-Investoren sind die eher weichen Faktoren sehr wichtig, weil wir Kontinuität bei einem Unternehmen klar bevorzugen. Personelle Schnellschüsse versuchen wir aus dem Weg zu gehen. Oft sind solche aus der Not geborenen Personalentscheidungen nicht die Besten.
Wir schauen also bei den Unternehmen genau hin und hören auch genau zu – das geht weit über das Analysieren der Fundamentaldaten hinaus. Auch diese Faktoren fließen in unsere Modern Value Strategie mit ein, mit der wir qualitativ hochwertige Unternehmen mit stabilen Wachstumsaussichten und einer im Idealfall werteorientierten Unternehmenskultur für unsere Investments herausfiltern.
Von Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege bei Shareholder Value Management