Shareholder Value Management Stratege Böhmer: Das große Europa-Comeback

Shareholder Value Management AG | 12.03.2025 12:09 Uhr
Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege, Shareholder Value Management / © e-fundresearch.com / Shareholder Value Management AG
Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege, Shareholder Value Management / © e-fundresearch.com / Shareholder Value Management AG

Europa ist wieder da – das gilt für die Bilanz an den Börsen nach den ersten beiden Monaten des Jahres. Das gilt aber auch für die Reaktion auf die rigiden Änderungen der US-Sicherheitspolitik.

Für jeden US-Verbündeten heißt es dauerhaft wachsam zu sein, denn auf einmal geht es nicht mehr um jahrzehntelange gewachsene Verbindungen. Es geht nur noch um Gehorsam für die aktuelle Trump-Regierung. Was bei US-Präsident Bush Junior noch belächelt wurde, als es hieß, wer nicht für uns ist, der ist gegen uns, hat mit Trump ganz neue Dimensionen erreicht. 

Die EU und die sich bildende neue deutsche Regierung haben diesen Weckruf verstanden – immerhin. Jetzt fließen Hunderte Milliarden in die neue Sicherheitsstruktur in Europa. Die zuletzt auch von der Union hoch gehaltene Schuldenbremse wird lässig aufgelockert, denn es geht um ein größeres Ziel. Komisch nur, dass auf einmal auch das große Paket für die Infrastruktur nicht durch neue Schulden, sondern durch Sondervermögen aufgebracht werden sollen.

Wenige Tage nach der Wahl müssen wir uns alle wieder an die großen Zahlen gewöhnen. Auf jeden Fall steht das aktive Handeln jetzt im Fokus. Ich bin gespannt, wie mit diesen neuen Füllhörnern nun die Koalitionsgespräche laufen. Genug Geld zum Verteilen ist auf einmal da.

Daraus ergeben sich gleich zwei maßgebliche Dinge:

  1. Deutschland hat wieder das Potenzial mit den schuldenfinanzierten und hoffentlich zielgerichteten Investitionen wirklich zu wachsen.
  2. Europa ist jetzt gefordert, die eigene Sicherheitsarchitektur auch wirklich umzusetzen – und das am besten mit europäischen Unternehmen. 

In beiden Fällen taucht so etwas wie eine neue Strategie auf. Die Taktik wird erst einmal beiseitegeschoben und der langfristige Blick tritt in den Mittelpunkt. Was aber von Seiten der Politik noch fehlt, ist eine notwendige Ehrlichkeit an die Bürger. Hier werden massive Schulden immer weiter in die Zukunft verschoben und das wird uns alle über Jahrzehnte belasten. Und das sollte man uns und unseren Kindern auch genau so erklären. Wenn nicht jetzt wann dann zu Beginn einer neuen Regierung können die Wähler die Wahrheit vertragen, denn das, was uns gerade umgibt, ist eben mehr als die von Olaf Scholz bezeichnete Zeitenwende. Wir erleben schlicht und einfach einen Epochenwechsel.

Das transatlantische Bündnis steht vor einem Scherbenhaufen und es ist völlig unklar, wie es weitergeht. Und die Auswirkungen der neuen Zölle der Trump-Regierung sind in ihren Auswirkungen noch völlig unklar.

Europa hat die Nase vorn an der Börse

Die Börsen haben seit Jahresanfang schon einen Vorgeschmack darauf geliefert. Während die in den beiden vergangenen Jahren herausragende US-Technologiebörse jetzt leicht im Minus liegt, hat der maßgebliche Europa-Index EuroStoxx50 bis jetzt schon um mehr als zehn Prozent zugelegt. 

Im Ausblick 2025 schrieb ich von größeren Risiken und einer zu erwartenden höheren Volatilität in diesem Jahr. Genauso ist es bislang gekommen. Gleichzeitig haben wir schon im vergangenen Jahr die Chancen auf dem europäischen Aktienmarkt gesehen und auch aus der deutlichen Unterbewertung vieler Unternehmen den Europa-Anteil in unseren Mandaten deutlich erhöht. 

Mit dieser Ausrichtung fühlen wir uns wohl, denn sicherlich sind die USA weiterhin der größte Kapitalmarkt der Welt. Doch die Musik an der Wall Street ist doch in den vergangenen Wochen etwas leiser geworden und es hat sich so mancher Misston mit eingeschlichen.

Fakt ist: Die Trump-Euphorie an den Börsen ist zuletzt komplett verflogen. Viele Indizes notieren jetzt wieder auf dem Niveau der US-Wahl im November. Der folgende Hype um Werte wie Tesla hat sich als nicht nachhaltig erwiesen.

Europa ist gezwungen zu handeln und grundlegende Dinge neu zu regeln. Das kann auch die EU voranbringen. In Krisenzeiten treten kleinstaatliche Überlegungen im Normalfall in den Hintergrund. Es bleibt spannend, ob sich diese Erkenntnis sowohl in Berlin als auch in Brüssel durchsetzt. Neben den Risiken einer weiteren Eskalation bietet die Neuorientierung aber auch Chancen – speziell an den Finanzmärkten.

Von Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege bei Shareholder Value Management

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