"Das Brexit-Votum und die daraus resultierende Risikoaversion der Anleger haben einen erheblichen Kurssturz vieler europäischer Unternehmensanleihen ausgelöst. Dies führte zu höheren Renditen und ausgeweiteten Spreads, insbesondere im High-Yield-Bereich. Die sichersten Staatsanleihen hingegen profitierten von der Flucht in „Safe Havens”.
Europäische Aktien litten in den ersten beiden Tagen nach dem Brexit-Ergebnis stark. Die Anleger verlangen eine höhere Risikoprämie für die politische Unsicherheit in Europa. Aufgrund des erhöhten Rezessionsrisikos in Britannien und vielleicht sogar dem Rest Europas, preisen sie zudem niedrigere Gewinne ein.Was sollten europäische Anleger in diesem unsicheren Umfeld tun? Wo finden sie Anleihen, welche die ihnen zugedachte defensive Rolle im Depot am besten spielen können? Und wie können sie sicherstellen, dass Aktien die hohen Erträge erzielen, die sie von ihnen erwarten? Wir sind überzeugt, dass es wichtig ist aktiv zu bleiben, um die Risiken in Europa zu umschiffen und Chancen aufzudecken, die durch dieses volatile Umfeld geschaffen werden.
Die ganze Breite des Anleihenmarkts nutzen
Wenn die Märkte durch Unsicherheit bestimmt werden, müssen Anleiheninvestoren in der Lage sein, aktiv die beiden wichtigsten Stellschrauben in ihren Depots zu bedienen: Bonität und Duration. Diese bewegen sich meist in gegenläufige Richtung.
Kredit- oder Bonitätsrisiko lohnt sich am meisten in risikobereiten Märkten, während Duration eher in risikoaversen Zeiten funktioniert. Manchmal bieten hochverzinsliche Anleihen mit niedriger Bonität und relativ hoher Korrelation zu Aktien die besten Renditechancen. Aber Anleger benötigen auch Zinsdurationsengagements, denn die langläufigsten Papiere performen in der Aktien-Baisse am besten. Wer die Bonitätsschraube lockert, sollte die Durationsschraube im Allgemeinen anziehen, und umgekehrt.
Auf der Suche nach Risikopuffern
Zugleich haben Anleger die Möglichkeit, mehr Stabilität in ihr Anleihenportfolio zu bringen. Die Renditen langdatierter europäischer Staatsanleihen, die die Benchmarks dominieren, sind derart niedrig, dass sie selbst bei anhaltenden Turbulenzen kaum Raum nach unten haben. Bundesanleihen sind mittlerweile bis auf 15 Jahre hinaus sogar mit negativen Renditen behaftet. Unseren Analysen zufolge wird selbst eine anhaltende „Safe Haven“-Bewegung diese Renditen nicht signifikant weiter drücken. Bundesanleihen und ähnlich niedrig rentierende Papiere sind als Risikopuffer bei fallenden Aktienmärkten wenig effektiv.
Wer dagegen höher rentierende Anleihen von Regierungen außerhalb Kerneuropas wählt, könnte damit einen besseren Schutz gegen die Aktien-Baisse erhalten. Britische, australische und amerikanische Staatsanleihen haben während den jüngsten Turbulenzen signifikant besser abgeschnitten als Bundesanleihen.
Die Marktstimmung wird aktuell von der hohen Volatilität dominiert. Es empfiehlt sich jedoch, einen breiteren Kontext zur Betrachtung europäischer Anleihen heranzuziehen. Die EZB fährt unbeirrt in ihrem Anleihenkaufprogramm fort, und erwirbt jeden Monat Staatsanleihen, Pfandbriefe und Unternehmensanleihen im Wert von 80 Milliarden Euro. Dies hat bereits dazu beigetragen, die Märkte etwas zu entspannen und wird die Brexit-Ansteckungsgefahr für die breiteren Märkte unserer Ansicht nach verringern.
Auf der Suche nach Aktienchancen
Der Kursrutsch an Europas Börsen war nicht gleichmäßig verteilt. Unternehmen mit den offensichtlichsten Risiken, wie zum Beispiel der Finanzsektor, litten am stärksten, während defensivere Titel widerstandsfähiger waren und zum Teil sogar stiegen.
Auch die Auswirkungen des Kurssturzes des britischen Pfund und im geringerem Maße des Euro auf die jeweiligen Unternehmen nahmen die Märkte rasch in Betracht. Unternehmen, die ihre Gewinne primär in diesen Währungen erwirtschaften, wurden härter abgestraft als Firmen mit Fokus auf Amerika oder Asien. Unserer Meinung nach haben die Märkte also recht ausgewogen auf den veränderten Ausblick reagiert, insbesondere angesichts der großen Unsicherheit hinsichtlich des Zeitplans und der Details des britischen EU-Austritts.
Die Krise hat jedoch auch neue Chancen geschaffen – besonders für:
- Europäische Large Caps die besonders unter Indexverkäufen gelitten haben. Anleger, die Risk-Parity- oder ähnliche Ansätze verfolgen sind gezwungen, bei starken Kursstürzen zu verkaufen, und verwenden dann oft ETFs oder andere passive Instrumente. Dies schadet vielen Indexschwergewichten mehr als es ihre individuellen Aussichten hergeben.
- Finanzaktien mit geringer Zyklizität. Einige solide finanzierte, etablierte Geschäftsbanken, insbesondere in Nordeuropa, könnten nach dem Abverkauf bessere Erträge bieten.
- Energieunternehmen mit Gewinnen im Dollarraum und niedrigem Engagement in Europa. Der Ölpreis fiel nach dem Brexit-Ergebnis ebenso wie andere Risikosektoren. Doch unser Research kommt zu dem Ergebnis, dass ein sinkendes Angebot, und nicht die Marktstimmung, in den kommenden Monaten entscheidend für die Ölpreisbildung sein werden.
Das überraschende Brexit-Votum war für Anleihen- und Aktienanleger gleichermaßen schmerzlich. In solchen Zeiten sollten Portfoliomanager unserer Überzeugung nach sorgsam auf Kapitalschutz in den betroffenen Bereichen bedacht sein, aber zugleich neue Potenziale für attraktive Erträge erschließen."
John Taylor, Portfolio Manager, AB
Tawhid Ali, Portfolio Manager, AB