360°-Blick auf die Lieferketten: Wo löst sich der Knoten?

Sie wird bereits seit Jahren befürchtet, und jetzt ist sie da: die Inflation. Was ein der COVID-19-Krise geschuldeter Kurzbesuch werden sollte, hat sich bei robuster Nachfrage und chaotischen Zuständen in den Lieferketten zu einem längeren Aufenthalt entwickelt. Nun stellt sich die Frage, ob dies unseren Konjunkturausblick gefährdet. AllianceBernstein | 03.12.2021 15:20 Uhr
360°-Blick auf die Lieferketten: Wo löst sich der Knoten? / © Pixabay.com
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Offizielle Daten geben zwar Auskunft über den Gesundheitszustand der US-Wirtschaft, aber sie können den tatsächlichen Bedingungen um Wochen oder sogar Monate hinterherhinken. Für eine zeitnahe Vorhersage von Störungen sind sie daher nicht gerade gut geeignet. Für eine rasche und akkurate Darstellung der unberechenbaren Entwicklung der Inflation haben wir ein Instrument entwickelt, das eine 360°-Perspektive bietet, indem es sowohl traditionelle Indikatoren, Hochfrequenzdaten und Big Data als auch die Einschätzungen unseres globalen Research-Teams berücksichtigt.

Ursache für die drastisch steigenden Güterpreise sind die Lieferketten

Die beiden Inflationskomponenten Güter und Dienstleistungen entwickeln sich seit zehn Jahren unterschiedlich(siehe Abbildung). Während sich die Dienstleistungskomponente in den vergangenen zehn Jahren bei rund 2,5% stabil gehalten hat, verhielten sich die Güterpreise disinflationär. Mitte 2020 stieg die Güterinflation dann aufgrund von Nachfragestau und Lieferkettenunterbrechungen in den zweistelligen Bereich. Ein so dramatischer Anstieg ist einmalig in der modernen Wirtschaftsgeschichte und treibt sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation kräftig in die Höhe.

Wie lässt sich die Inflation senken? Durch Behebung der Lieferengpässe. Einige sehen den Arbeitskräftemangel als Ursache, denn nach den pandemiebedingten Lockdowns haben manche offenbar das Interesse an ihren bisherigen Arbeitsplätzen verloren. Den Beschäftigungszahlen zufolge werden jedoch pro Monat durchschnittlich 500.000 neue Stellen geschaffen, und in einigen Fällen wurden die Werte der Vormonate sogar nach oben korrigiert. Wird das aktuelle Tempo beibehalten, sollte die Beschäftigungslage bis Mitte 2022 auf das Niveau von vor der Krise zurückkehren.

Damit ist der Arbeitskräftemangel zwar Teil der Störungen in den Lieferketten, alleinverantwortlich ist er aber nicht. Die beste Kennzahl für solche Störungen auf Monatsbasis ist der durch das Institute for Supply Management gemessene Auftragsbestand. Seinen Spitzenwert erreichte dieser im Juni; er verharrt allerdings weiterhin deutlich über Normalniveau. Grund dafür sind, neben der Schwierigkeit, Mitarbeiter zu finden und zu binden, auch die zahlreichen Meldungen zu Problemen bei der Beschaffung von Industrieteilen und Materialien, steigende Rohstoffpreise sowie Transportprobleme.

Lieferengpässe auflösen

An den traditionellen monatlichen Konjunkturdaten wird sich früher oder später ablesen lassen, dass sich die Probleme in den Lieferketten nachlassen. Doch bereits zuvor kann man unseres Erachtens mithilfe alternativer Datenquellen in Echtzeit erkennen, an welcher Stelle sich der Knoten löst.

Mit unserem Aggregate Supply Chain Indicator messen wir den Zustand der Lieferketten anhand von tagesaktuellen Daten. Bei der Messung berücksichtigen wir globale Container-Frachtraten, die Kosten für den Transport von Trockenfracht sowie aggregierte Google-Suchen nach Begriffen wie Engpass oder Nahrungsmittelknappheit (siehe Abbildung).

Mithilfe dieses Messinstruments sind wir in der Lage, Veränderungen in den Lieferketten schneller zu entdecken als anhand traditioneller Daten. Der Indikator zeigte während der Pandemie einen Ausschlag, scheint sich aber inzwischen zu stabilisieren, wenn auch auf erhöhtem Niveau. Hauptgrund für den Ausschlag sind die derzeit wieder sinkenden, aber weiterhin deutlich erhöhten globalen Container-Frachtraten.

Darüber hinaus bewerten wir mithilfe von Natural Language Processing (Verarbeitung natürlicher Sprache, NLP), inwieweit die Lieferketten unter Druck stehen. Dank dieser Big-Data-Technologie sind Computer in der Lage, geschriebene Texte zu verstehen. Untersucht wurden Erwähnungen der Begriffe Lieferkette, Logistik, Fracht und Transport in 4.000 Mitschriften von Konferenzen zu Quartalsberichten seit 2010. Die Erwähnungen jedes Begriffs wurden gezählt und vor- bzw. nachstehende Wörter dahingehend bewertet, ob sie eine positive, neutrale oder negative Bedeutung ergeben. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass Lieferkettenprobleme 2020 und 2021 von Managementseite häufiger diskutiert wurden als irgendwann sonst in den letzten zehn Jahren – und dass die negativen Betrachtungen deutlich gestiegen sind. Im bisherigen Jahresverlauf sind die Automobilbranche, der Einzelhandel, der Technologiesektor, das Transportwesen und Grundstoffe am stärksten betroffen. Die Ursachen der Lieferengpässe liegen jedoch woanders.

Engpässe finden sich in der Logistik, bei Zulieferern und am Arbeitsmarkt (höhere Kosten). Die schlimmsten Probleme resultierten aus den Engpässen der Zulieferer, insbesondere dem Mangel an Industrieteilen, sodass Unternehmen die sich erholende Nachfrage kaum decken konnten. Vergebliche Versuche, Personal wieder aufzustocken und dazu die höheren Arbeitskosten werden transportnahen Sektoren sowie Hotels, Restaurants und der Freizeitbranche zum Verhängnis. Logistikprobleme schließlich – die Tatsache, dass Waren nicht von A nach B transportiert werden können, oder deutlich gestiegene Frachtkosten – belasten den Einzel- und Lebensmittelhandel.

Die Folgen der Lieferkettenprobleme überwachen

Angebotsengpässe belasten weiterhin die Margen der Unternehmen, und die Prognosen haben sich im Jahresverlauf deutlich verschlechtert. Dennoch ist der Ausblick auf die nach der Pandemie erwarteten Margen für die meisten Branchen positiv, und die Erwartungen für 2022 liegen nach wie vor über den Prognosen für 2019 und 2020.

Unsere Einschätzung der Lieferketten Die schlechte Nachricht ist, dass sich die infolge der Wiedereröffnung nach der COVID-19-Krise entstandenen Probleme deutlich an Unternehmensmargen und Inflation ablesen lassen. Die gute Nachricht ist, dass das verfügbare Einkommen der Haushalte ausreicht, um trotz steigender Preise den Konsum aufrecht zu erhalten – jedenfalls vorerst. Die Störungen der Lieferketten haben unseren generellen Wachstumsausblick also nicht wesentlich verändert.

Dennoch halten wir weiterhin Ausschau nach Anzeichen für nachlassenden Konsum. Sollte es solche Anzeichen geben, noch bevor sich die Angebotsengpässe auflösen, könnte sich der Wachstumsausblick verschlechtern. Vor diesem Hintergrund halten wir es für ausgesprochen wichtig, die Lieferketten gut im Auge zu behalten: Je früher sich der Knoten löst, desto kleiner das wirtschaftliche Risiko.

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