Biden und die Unternehmenssteuer - Ein wichtiger Wendepunkt

DPAM | 20.07.2021 10:00 Uhr
Florent Griffon, Responsible Investment Specialist bei DPAM / © e-fundresearch.com / DPAM
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In den vergangenen Monaten hat sich in Bezug auf die internationale Steuerharmonisierung viel getan. Joe Bidens Ankündigung einer umfassenden Neugestaltung der Unternehmensbesteuerung in den USA Anfang April – der „Made in America Tax Plan“ – setzte bereits einen Schlussstrich unter die jahrzehntelangen Senkungen der Körperschaftssteuer. Zudem wurde Anfang Juni mit der Einigung der G7 die Grundlage für einen internationalen Rahmen zur Besteuerung multinationaler Unternehmen geschaffen. Diese Ereignisse sind vielleicht die ersten Meilensteine eines neuen Zyklus der internationalen Steuerharmonisierung nach einem „dreißigjährigen Wettlauf um die niedrigsten Unternehmenssteuersätze“, wie es US-Finanzministerin Janet Yellen ausdrückte.

STEUERWETTBEWERB WURDE IMMER STÄRKER

Seit Anfang der 1980er Jahre hat der Zyklus der Deregulierung zu einem verstärkten Steuerwettbewerb zwischen den Staaten und infolgedessen zu einem allmählichen Rückgang der effektiven Körperschaftssteuersätze geführt. Der durchschnittliche globale Unternehmenssteuersatz ist damit von 40 % im Jahr 1980 auf 24 % im Jahr 20191 gesunken. Das Für und Wider dieses Steuersenkungswettbewerbs ist umstritten. Seine Befürworter sehen darin einen Schutz gegen die vermeintliche Tendenz von Regierungen, den Steuerdruck auf Unternehmen zu erhöhen. Die Gegner verweisen auf die Ungerechtigkeit der Besteuerung zwischen verschiedenen Wirtschaftsakteuren. Fakt ist, dass der Steuerwettbewerb für die Staaten einen Einnahmeverlust mit sich bringt und ihre Fähigkeit zur Umsetzung öffentlicher Maßnahmen untergräbt. Die OECD schätzt, dass dieser Einkommensausfall in den OECD-Mitgliedsstaaten zwischen 100 und 240 Milliarden US-Dollar pro Jahr und zwischen 500 und 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr auf globaler Ebene beträgt2.

DIE BIDEN-INITIATIVE: EIN UNTERNEHMENSSTEUERSATZ VON MINDESTENS 15 %

Anfang April kündigte US-Finanzministerin Janet Yellen auf dem G20-Gipfel nachdrücklich an, dass an der Festlegung eines Mindeststeuersatzes für Unternehmen gearbeitet werde. Ende April demonstrierte die Biden-Administration erneut ihre Entschlossenheit, indem sie für die OECD-Mitgliedsländer einen Satz von mindestens 15 % vorschlug, mit dem ausdrücklichen Ziel, ihn bis auf 21 % zu erhöhen. Und schließlich verkündeten die Finanzminister der G7-Staaten Anfang Juni eine Einigung auf einen globalen Mindeststeuersatz. Diese Einigung stellt einen Durchbruch in der internationalen Koordinierung der Unternehmensbesteuerung dar und könnte ein Ausgangspunkt auf dem Weg zu einer globalen Reform sein. Die Vereinbarung umfasst zwei Säulen. 

Die erste Säule verleiht den Staaten im Wesentlichen das Recht, multinationale Unternehmen auf der Grundlage des Landes zu besteuern, in dem die Einnahmen erzielt werden, und nicht des Landes, in dem die Gewinne erklärt werden. Dies ist eine besonders wirksame Maßnahme für die Besteuerung von multinationalen digitalen Unternehmen. Im weiteren Sinne würde dies den Anreiz zur Gewinnverschiebung in Niedrigsteuerländer verringern. Die zweite Säule verleiht Staaten ein Recht auf „Nachversteuerung“ , wenn andere Staaten eine niedrigere Einkommensbesteuerung anwenden. Diese Maßnahme würde de facto einen globalen Mindestkörperschaftsteuersatz für multinationale Unternehmen schaffen und damit vielen Steueroasen einen Strich durch die Rechnung machen.

DER TEUFEL STECKT – VIELLEICHT – IM DETAIL

In jedem Fall ist das G7-Abkommen ein Durchbruch im Hinblick auf die internationale Steuerharmonisierung. Allerdings kann es die Steueroptimierung – noch – nicht wirklich aushebeln. Eine erste Einschränkung dieses Abkommens besteht darin, dass es nur für Unternehmen oberhalb einer Gewinnmargenschwelle von 10 % gilt, und zwar nur für 20 % der über dieser Schwelle erzielten Gewinne. Das bedeutet, dass ein Unternehmen wie Amazon, um das am stärksten mediatisierte Beispiel zu wählen, möglicherweise nicht betroffen ist.

Ein entscheidender Punkt wird sein, ob das endgültige Abkommen die sog. „Segmentierung“ berücksichtigt, was bedeutet, dass die Staaten die Steuern basierend auf den Umsätzen der Unternehmen nach Segmenten und nicht nur auf Unternehmensebene berechnen könnten. Dies ist besonders relevant für Unternehmen wie Amazon, bei denen eine Sparte hochprofitabel ist, während die Gewinnmarge des Gesamtunternehmens unter der 10%-Schwelle liegt.

Als nächstes müssen die G7-Mitglieder andere Länder – und insbesondere China – davon überzeugen, sich dem Abkommen anzuschließen. Darüber hinaus muss die Einigung im US-Kongress verabschiedet werden. Auf EU-Ebene könnte sie dann unter der französischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 in Kraft treten. In jedem Fall wird das G7-Abkommen ein historischer Schritt bleiben. Es legt die Grundlagen eines internationalen fiskalischen Rahmens für das 21. Jahrhundert, angepasst an eine globalisierte, digitalisierte Wirtschaft. Einige Experten haben den Steuersatz von 15 % als zu niedrig kritisiert, da die meisten multinationalen Unternehmen diesen bereits zahlen. Dennoch ist dieses Abkommen ein erster Schritt, und es schafft Instrumente, um die aggressivsten Formen der Optimierung der Körperschaftssteuer zu bekämpfen.

DIE PANDEMIE ALS AUSLÖSER, ABER MITTELFRISTIG EIN TREND

Die Biden-Initiative und die sie begleitenden Erklärungen markieren einen Wendepunkt in der Haltung der US-Regierung zur Steueroptimierung und zu multinationalen Unternehmen im Allgemeinen. Der neue amerikanische Freiwilligkeitssinn könnte durchaus einen Zyklus steigenden Steuerdrucks auf Unternehmen, regulatorischer Verschärfung und internationaler Steuerharmonisierung einleiten. Die gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen zur Bekämpfung des Corona-Virus haben die Einführung kostspieliger Konjunkturprogramme durch die Regierungen erforderlich gemacht, obwohl ihr budgetärer Spielraum – in den meisten Fällen – eng ist. In diesem Zusammenhang hat die Biden-Administration ihre Bereitschaft klar zum Ausdruck gebracht, diese zusätzlichen Haushaltsmittel – bis zu 2 Billionen US-Dollar – durch Unternehmenssteuererhöhungen aufzubringen. Die neuen Maßnahmen gegen die Steueroptimierung spielen dabei eine wesentliche Rolle. Denn sie müssen verhindern, dass sich Unternehmen diesen Steuererhöhungen entziehen können.

Mittelfristig, über die Corona-Krise hinaus, und angesichts des politischen Hintergrunds in den USA im Zusammenhang mit der wachsenden Ungleichheit ist zu erwarten, dass die Dynamik gegen die Steueroptimierung in den Vereinigten Staaten, wie in den meisten OECD-Ländern, anhalten wird. Solche strukturellen Veränderungen könnten sich auch in den kommenden Jahren auf die Finanzmärkte auswirken und eine allmähliche Wiedererlangung der Kontrolle der Regierungen über multinationale Unternehmen einläuten.

Florent Griffon, Responsible Investment Specialist bei DPAM

1JP Morgan Cazenove, The Long-View: Towards a global minimum corporate tax?, April 2021
2 https://www.oecd.org/tax/beps/about/

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