Behalten die USA ihre derzeitige Politik bei, könnte die US-Verschuldung innerhalb des nächsten Jahrzehnts von rund 100% des BIP auf 125% steigen. Der Markt müsste erheblich mehr Staatsanleiheemissionen absorbieren. Dies könnte zu einem Anstieg der Renditen führen.
US-Renditen hoch, aber auch ausreichend?
Vor der Pandemie waren die Zinsen über einen längeren Zeitraum ungewöhnlich niedrig. Sie stiegen erst mit dem Inflationsschock von 2022/23. Seit Anfang 2023 bewegen sich die US-Renditen, insbesondere bei einer Laufzeit von 10 Jahren, in einer stabilen Bandbreite um 4,5%. Inflationsbereinigte 2,1 bis 2,2% für 10jährige und fast 2,6% bei längeren Laufzeiten sind für langfristige Anleger, die inflationsbereinigte Renditen anstreben, außergewöhnlich attraktiv. Angesichts der ausufernden Staatsausgaben und der steigenden Emissionen ist die Sorge jedoch verständlich, dass selbst diese Renditen nicht ausreichen könnten, um den längerfristigen Angebotsdruck auszugleichen.
Lockerung, aber gedehnt
Trumps fortgesetzte Zoll-Ankündigungen und die daraus folgende Inflationsunsicherheit verkompliziert das Bild zusätzlich. Die Preissteigerung hat sich zwar abgeschwächt, aber in den USA nicht vollständig normalisiert. Tatsächlich könnten Trumps protektionistische Maßnahmen den Trend umkehren und die Fed bei der weiteren Lockerung ihrer Geldpolitik zu mehr Vorsicht veranlassen. Sie wird die Zinsen zwar senken, da die aktuellen geldpolitischen Rahmenbedingungen restriktiv sind und sich die Anzeichen einer Konjunkturabkühlung verdichten. Doch dürfte der Zinssenkungszyklus zurückhaltender erfolgen und über einen längeren Zeitraum ausgedehnt werden.
Das kurze Ende der US-Zinsstrukturkurve (d. h. Laufzeiten unter 10 Jahren) beurteilen wir positiv. Bei längerfristigen US-Staatsanleihen sind wir vorsichtiger, da hier die Bedenken hinsichtlich Schuldentragfähigkeit und Inflation stärker greifen.
Noch eine EZB-Zinssenkung
In Europa ist das Konjunkturumfeld gedämpfter, die Inflation hat sich weitgehend normalisiert und dürfte unter das EZB-Ziel von 2% fallen. Hierzu tragen ein starker Euro, eine gedämpfte Binnennachfrage und steigende Importe von Billigwaren (insbesondere aus China) bei. Höhere Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben werden Jahre brauchen, bis sie spürbar für mehr Wachstum sorgen. Dies stärkt die kurz- bis mittelfristigen Disinflationsaussichten und dürfte die EZB in ihrer unterstützenden Haltung bestärken. Wir sehen Spielraum für mindestens eine weitere Zinssenkung; was künftige Erhöhungen angeht, dürfte der Markt derzeit falsch liegen. Daher stehen wir der Duration in Europa über die gesamte Zinsstrukturkurve hinweg positiv gegenüber.
Neutrale Position bei Kreditanleihen
Neue Kreditanleihen kamen zuletzt reichlich an den Markt und wurden dort aufgenommen. Die Renditeaufschläge (Spreads) hatten sich kurzzeitig ausgeweitet, liegen jetzt wieder nahe ihrem Niveau zu Jahresbeginn. Dies vergütet das Halten von Unternehmensanleihen angemessen, eine weitere Spreadeinengung ist jedoch unwahrscheinlich. Wir bleiben bei unserer neutralen Position. Die aktuellen Bewertungen lassen zwar keine unmittelbare Outperformance erwarten, aber auch das Risiko einer Ausweitung ist begrenzt – sowohl bei Investment-Grade- als auch bei Hochzinsanleihen.
Von Sam Vereecke, CIO Fixed Income bei DPAM
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