In einem aktuellen Fachbeitrag zu den fiskal- und geldpolitischen Reaktionen auf die Coronavirus-Krise erläutert er, wie Geldschöpfung stattfindet, wie Haushaltsdefizite finanziert werden können und ob diese Methoden inflationär wirken oder nicht. „Ob die beispiellosen Wertpapierkäufe der Zentralbanken inflationär wirken werden, lässt sich noch nicht sagen“, meint er. Entscheidend seien nicht ihr Umfang oder ihre Dauer, sondern ihre Auswirkungen auf die Geldmenge im Bankensystem.
„Treiber der Inflation ist das Geld in den Händen der Öffentlichkeit und nicht das Geld in den Büchern der Zentralbank“, erklärt er. Im Nachgang der globalen Finanzkrise zum Beispiel hätten die Liquiditätsspritzen der Zentralbanken Ängste vor einer Hyperinflation ausgelöst, da die umfangreichen Assetkäufe der Notenbanken – Stichwort quantitative Lockerung oder QE – die Zentralbankbilanzen so stark aufblähten wie nie zuvor. Tatsächlich aber hätten die Notenbanken mit ihren Maßnahmen nur dafür gesorgt, dass sich das Wachstum der breiten Geldmenge stabilisierte und nicht zurückging. In den meisten Industrieländern sei die Jahresrate der Inflation in der Folge bei unter 2% geblieben.
Wie Greenwood erläutert, geht die Geldschöpfung in einer modernen Wirtschaft überwiegend auf die Kreditvergabe der Geschäftsbanken zurück. Wenn Banken ein Hypothekendarlehen oder einen Firmenkredit vergeben, schaffen sie damit einen neuen Vermögenswert und schreiben diesen dem Konto des Kreditnehmers gut – schaffen also quasi aus nichts neues Geld. Die Notenbank spielt in diesem Prozess nur eine kleine Rolle. Gewöhnlich beschränkt diese sich darauf, dass sie den Leitzins bestimmt, an dem sich Kreditnehmer und -geber bei ihren Entscheidungen über die Höhe der Kredite, die sie aufnehmen bzw. vergeben wollen, orientieren. Wenn der normale Prozess der Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken aber nicht mehr funktioniert, müssten die Zentralbanken eingreifen, um das System zu stabilisieren, so Greenwood.
Genau das sei 2008-09 passiert und eine ähnliche Flucht in die Liquidität stehe auch hinter der aktuellen Kreditklemme: „Durch die Lockdowns drohen massive wirtschaftliche Schäden, Störungen der Zahlungssysteme durch Unternehmensschließungen, Insolvenzen und eine steigende Arbeitslosigkeit. Daher haben umsichtige Unternehmen und Einzelpersonen sofort ausgerechnet, wie viele Mittel sie benötigen werden, um sich über Wasser zu halten, bis sich die Wirtschaft wieder erholt.“ Greenwood zufolge löste dies einen kurzfristigen Liquiditätsbedarf aus, den die Banken, wie schon 2008-09, alleine nicht hätten decken können. Damals wie heute mussten die Notenbanken aktiv werden und die nötigen Gelder für Unternehmen und Privathaushalte bereitstellen.
Wie der Chefökonom von Invesco hervorhebt, wirken derartige Liquiditätsinjektionen aber nicht automatisch inflationär. Schon in der Vergangenheit hätten die Zentralbanken mehrmals als „Kreditgeber letzter Instanz“ agiert und dem Bankensystem die überschüssige Liquidität nach Abklingen der Panik schrittweise wieder entziehen können. Allerdings wird die Coronavirus-Krise nicht nur mit einer Ausweitung der Zentralbankbilanzen bekämpft, sondern auch mit einem enormen Anstieg der Staatsschulden und Haushaltsdefizite. Daher werde der Inflationsausblick für die Zeit nach der Corona-Krise auch vom Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik abhängen sowie davon, in welchem Maße und auf welche Weise Staatsschulden in Geld umgewandelt werden, so Greenwood.
Sollten die Regierungen ihre Hilfsprogramme durch die Ausgabe neuer Staatsanleihen finanzieren, werde dies nur dann nicht inflationär wirken, wenn die Anleihen von privatwirtschaftlichen Akteuren außerhalb des Bankensektors angekauft würden. In dem Fall käme es nicht zu einer zusätzlichen Geldschöpfung. Wenn Banken Staatspapiere kauften, führe das zur Geldschöpfung und damit zu höheren Ausgaben – und Inflation, wenn der Prozess lange genug anhielte. „Im Zuge der Coronavirus-Krise werden die Regierungen die Ankäufe von Staatsanleihen durch die Geschäftsbanken daher sehr sorgfältig steuern müssen, um ein zu schnelles Wachstum der breiten Geldmenge zu verhindern“, so der Chefökonom von Invesco.
Haushaltsdefizite könnten auch durch „Gelddrucken“ finanziert werden – wenn die Marktzinsen oder der Wechselkurs so niedrig gehalten würden, dass die Banken zu einer höheren Kreditvergabe veranlasst würden oder ein Handelsbilanzüberschuss zu hohen Zuflüssen von Geldern aus dem Ausland führte. Wie Greenwood anmerkt, entstehen sowohl durch eine höhere Kreditvergabe als auch durch den Zufluss ausländischer Gelder zusätzliche Einlagen – das heißt Geld – auf der Passiva-Seite der Bilanzen der Geschäftsbanken. Daher könnten beide inflationär wirken.
Mit Blick auf die bisherigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie hebt der Chefökonom von Invesco hervor, dass die Wertpapierankäufe der US-amerikanischen Notenbank (Fed) von Nicht-Banken und die hohen Abrufe von Kreditfazilitäten direkte und sehr starke Auswirkungen auf das Wachstum der breiten Geldmenge in den USA gehabt haben. In den vier Wochen bis zum 23. März sei diese auf annualisierter Basis um mehr als 60% p.a. gewachsen. „Wenn die breite Geldmenge über einen längeren Zeitraum von vielleicht sechs oder zwölf Monaten so schnell wachsen sollte, würde die Inflation in den USA mittelfristig tatsächlich anziehen“, so Greenwood. „Sollte sich das Geldwachstum in den nächsten drei bis sechs Monaten aber wieder auf einem normaleren, für eine Volkswirtschaft wie die der USA angemesseneren Niveau von vielleicht 6 bis 8% p.a. einpendeln, müsste nicht notwendigerweise mit einer deutlich höheren Inflation gerechnet werden.“