Vor diesem Hintergrund verweisen die ESG-Experten von Invesco auf eine zunehmende Annäherung der regulatorischen Erwartungen an ESG-Themen. In ihrer im April 2020 veröffentlichten Publikation ESG Regulatory News geben sie einen Überblick über die wichtigsten aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich.
„Bei der Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten im Regelwerk für den Finanzsektor ist Europa zwar immer noch richtungsweisend. Die globalen Regulierungsbehörden legen den Fokus aber ebenfalls immer stärker auf ESG-Themen“, sagt Cathrine De Coninck-Lopez, Global Head of ESG bei Invesco. Dabei verweist sie insbesondere auf die jüngsten Initiativen der Internationalen Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden (IAIS) und der Internationalen Vereinigung der Pensionsfondsaufseher (IOPS). De Coninck-Lopez zufolge konzentrieren sich die regionalen Initiativen vor allem auf vier zentrale Aspekte: 1) robuste Führungs- und Aufsichtspraktiken („Governance“) sowie Strategien im Hinblick auf ESG-Risiken, 2) die ESG-Integration in die Investment- und Risikoprozesse von Finanzinstituten, 3) die Offenlegung von Klimarisiken, wobei sich die Aufsichtsbehörden im Hinblick auf die Reporting-Vorgaben generell an den Empfehlungen der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) orientieren, und 4) Szenarioanalysen zur Bewertung der möglichen Folgen von ESG-Risiken, insbesondere von Klimarisiken.
Zwar stelle die ESG-Integration den kleinsten gemeinsamen Nenner dar, doch nähmen die Bestrebungen zu, Portfolios auf die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens auszurichten. Zur Unterstützung dieses Prozesses hat die Europäische Union einen bahnbrechenden Aktionsplan angestoßen: die Schaffung eines einheitlichen Klassifikationssystems („Taxonomie“), um Investitionen nach ihren ökologischen Auswirkungen einzustufen. Anhand dieser Taxonomie, die den Begriff „grün“ für europäische Finanzprodukte und die Wirtschaft definiert, sollen Anleger auf Basis wissenschaftlicher Kriterien einschätzen können, inwieweit die Unternehmen, in die sie investieren, die Vorgaben des Pariser Übereinkommens erfüllen.
Anbieter sind verpflichtet anzugeben, inwieweit die von ihnen als nachhaltig vermarkteten Produkte die Kriterien erfüllen. Produkte, die nicht als nachhaltig vermarktet werden, müssen einen Risikohinweis enthalten, wonach das betreffende Produkt die Taxonomie nicht berücksichtigt. „Wichtig ist dabei, dass Unternehmen, die unter die Non-Financial Reporting Directive fallen – das sind die 6.000 größten Unternehmen in Europa –, angeben müssen, welcher Anteil ihres Umsatzes, ihrer Investitionsausgaben bzw. ihrer sonstigen Betriebsausgaben den Taxonomie-Kriterien entspricht“, betont Elizabeth Gillam, Head of EU Government Relations & Public Policy bei Invesco. Im Februar wurde die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) einer umfassenden Überprüfung dahingehend unterzogen, wie das Reporting nichtfinanzieller Informationen verbessert werden kann und ob der Anwendungsbereich der NFRD ausgeweitet werden sollte.
Im Zuge der zunehmenden Fokussierung auf das Reporting zu ESG-Themen hat die Europäische Union im Dezember 2019 zudem die neue Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten verabschiedet. Die neue EU-Verordnung wird am 10. März 2021 in Kraft treten. Danach müssen Finanzmarktteilnehmer Informationen zu ihren Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungsprozessen veröffentlichen. Global hat die IAIS signalisiert, dass Banken- und Finanzaufsichtsbehörden bereits die Einführung von TCFD-konformen Berichtspflichten für Versicherer erwägen.
Wie Gillam erklärt, setzen Aufsichtsbehörden in erster Linie auf Stresstests und Szenarioanalysen, um ESG-Risiken – insbesondere klimabezogene – zu messen und zu bewerten. So hat die Bank of England angekündigt, Klimaszenarien in ihre zweijährlichen Stresstests für britische Banken und Versicherungen aufzunehmen. Angesichts der fortschreitenden Pandemie ist dieses Vorhaben jetzt allerdings erst einmal aufgeschoben worden. Auch die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) hat Nachhaltigkeitskriterien in ihre Stresstests für Versicherer und Altersvorsorgeeinrichtungen aufgenommen. Das NGFS („Network for Greening the Financial System“) wird seinen Bericht zur Szenarioanalyse voraussichtlich im April 2020 veröffentlichen.
Den Invesco-Experten zufolge werden mittlerweile die verschiedensten Ansätze und Produkte als „ESG“ vermarktet, obwohl ganz unterschiedliche Anforderungen gelten, die für Verwirrung unter Anlegern und für übermäßige Komplexität auf Seiten der Produktanbieter sorgen. Vor diesem Hintergrund sei die Weiterentwicklung der Standards für nachhaltige Retail-Produkte ein weiterer Ansatz, der europaweit an Bedeutung gewinne. Das schließe unter anderem die Einführung eines Umweltzeichens für grüne Fonds ein. Außerdem arbeiteten die nationalen Aufsichtsbehörden, wie etwa die Autorité des Marchés Financiers (AMF) in Frankreich, an Mindeststandards für die Vermarktung von Fonds als nachhaltig. Die ESG-Experten von Invesco sind überzeugt, dass dieses Thema im Zuge der Umsetzung der neuen EU-Vorschriften zur Transparenz bei nachhaltigen Produkten an Bedeutung gewinnen wird. Geplant ist auch eine Anpassung der Vorschriften für Verkauf und Vertrieb, um den ESG-Präferenzen von Kunden Rechnung zu tragen.
„Aufgrund der Coronavirus-Krise könnte es natürlich sein, dass am Zeitplan vieler Maßnahmen, die bereits eingeleitet worden sind oder sich noch in der Konsultationsphase befinden, nicht festgehalten werden kann“, sagt Gillam. Die ESG- und Public-Policy-Experten von Invesco gehen aber davon aus, dass diese Initiativen nach Überwindung der aktuellen Krise wieder Dynamik aufnehmen werden, da die nationalen und globalen Aufsichtsbehörden und Regulierungsorganisationen ESG-Themen immer mehr im Blick haben und sich die Best-Practice-Ansätze weltweit zunehmend angleichen.