Unser Asset Allocation Committee hat gerade sein vierteljährliches Treffen beendet. Seien Sie gespannt auf den nächsten Outlook in einigen Wochen. Wie üblich haben wir zunächst unsere Einschätzungen von vor drei Monaten unter die Lupe genommen.
Viele unserer Konjunkturprognosen waren richtig, aber die Märkte – vor allem Aktien – haben sich nicht immer so entwickelt wie erwartet.
Die Gründe dafür könnten uns bei der Vorbereitung auf den neuen Marktzyklus helfen.
Schwachstellen
Anfang 2022 rechneten wir mit einer überraschend hartnäckigen Inflation. Wir gingen daher von starken Zinserhöhungen aus, aber auch von einer Seitwärtsbewegung der Langfristrenditen. Wir erwarteten schwaches Wachstum und steigende Arbeitslosigkeit. Einstweilen rechneten wir zwar nicht mit höheren Kreditausfällen, wohl aber mit schwachen Aktienmärkten aufgrund nachlassender Unternehmensgewinne. Nach dem plötzlichen Einbruch des britischen Staatsanleihenmarktes warnten wir vor den verzögerten Wirkungen einer strafferen Geldpolitik. Sie würde solche Turbulenzen wahrscheinlicher machen.
Abgesehen vom unerwartet stabilen Arbeitsmarkt hat sich unser Konjunkturausblick bis jetzt bestätigt. Aber die Aktienkurse sind nicht eingebrochen. Im Januar hat der MSCI All Country World Index um fast 10% zugelegt, und seit Jahresbeginn liegt er noch immer etwa 3% im Plus.
Aber was steckt dahinter? Vor allem seit Mitte Februar haben einige wenige amerikanische Technologiewerte – die klassischen Mega Caps – für Gewinne gesorgt. Ansonsten haben sich Aktien weltweit im Wesentlichen seitwärts bewegt.
Wir hielten eine solche Branchenrotation vor drei Monaten durchaus für möglich. Wir schlossen nicht aus, dass Programmhandel, Short Covering und taktische Käufe den Vorjahresverlierern nützen würden. Aber gab es vielleicht auch andere Gründe? Und was hatten sie mit unserer Warnung vor den schädlichen Wirkungen einer strafferen Geldpolitik zu tun?
Gefahren
Wie Brad Tank letzte Woche schrieb, ist der plötzliche Ausbruch von Unsicherheit im Bankensystem sowohl ein Signal dafür, dass die Geldpolitik die Finanzbedingungen erheblich gestrafft hat, als auch eine wahrscheinliche Triebfeder für weitere Straffungen. Das könnte die Notenbanken davon überzeugen, dass sie ihre Ziele erreicht haben oder kurz davorstehen. Denkbar ist eine Zinspause oder auch ein Ende der Zinserhöhungen, vor allem, wenn mehr Banken Probleme bekommen.
Vielleicht war man sich am Aktienmarkt dessen schon lange bewusst, was die Umschichtungen zurück in Technologie-Mega-Caps jedenfalls erklären würde. Haben sich Investoren auf eine erhebliche Straffung der Finanzbedingungen und ein deutlich schwächeres Wirtschaftswachstum vorbereitet, und auf eine anschließende Wende der Geldpolitik? Könnten jetzt wieder die Aktien vorn liegen, die nach der internationalen Finanzkrise von Negativzinsen und Quantitative Easing profitiert haben?
Wir halten es für gefährlich, zu sehr daran zu glauben. Natürlich kann man das neue Bank Term Funding Program der Fed als „QE lite“ bezeichnen. Wenn aber jetzt eine Wende ansteht, ist es aus unserer Sicht keine Wende in die Vergangenheit.
Vorbei sind die Zeiten, als Titel mit langer Duration – amerikanische Technologieaktien und US-Staatsanleihen – von niedriger Inflation, niedrigen Zinsen und einem niedrigen, aber stabilen Wachstum profitierten. Heute ist die Inflation hartnäckiger und strukturell höher, und in den Notenbanken haben meist die Falken die Oberhand.
Bei Aktien sollte man daher vorsichtig bleiben, vor allem, wenn höhere Geldmarkt- und Kurzläuferrenditen für interessante Alternativen sorgen. Wenn eine Wende am Aktienmarkt bevorsteht, dann deshalb, weil die Finanzbedingungen noch straffer werden, das Wachstum nachlässt und Zweifel am Bankensystem aufkommen.
Chancen
Ein Wendepunkt bedeutet aber nicht, dass man erst einmal abwarten sollte.
An den Börsen sollte man unserer Ansicht nach überlegen, bei welchen Aktienbewertungen und Credit Spreads ein Neueinstieg sinnvoll ist, und rechtzeitig von einer defensiven zu einer neutralen Positionierung wechseln. Im neuen Zyklus halten wir eine strukturell höhere Gewichtung der Faktoren Value (Bewertung) und Qualität für sinnvoll. Außerdem scheint uns eine Diversifikation nach Regionen und Marktkapitalisierungen klüger als der alte Schwerpunkt auf hochkapitalisierten US-Wachstumswerten.
Bei nicht börsennotierten Anlagen, vor allem bei Private Credit und Spezialanlagen, würden wir weiter gehen. Hier scheinen uns jetzt Neuanlagen sinnvoll. Klassische Banken haben schon vor den jüngsten Problemen ihre Kreditstandards gestrafft, und viele ziehen sich jetzt ganz zurück. Für Investoren bedeutet das attraktive Renditen und ein gläubigerfreundliches Umfeld.
Im November war in Solving for 2023 unsere wichtigste These, dass Zinsen und Inflation dieses Jahr ihr Maximum und das Wachstum sein Minimum erreichen würden. Es würde ein neuer Konjunkturzyklus beginnen, mit strukturell höheren Nominal- und Realzinsen. Die „alte Normalität“ käme zurück. Nach den jüngsten Entwicklungen scheinen wir diesem Wendepunkt näher. Wir glauben, dass Investoren darauf vorbereitet sein sollen.
Am 18. April spricht Erik Knutzen mit einem Mitglied des AAC ausführlicher über die Einschätzungen des Ausschusses. Hier anmelden.
Von Erik Knutzen, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, Neuberger Berman