CIO Weekly | Was "datenabhängig" bedeutet

Die Notenbanken wollen stärker auf die Daten achten. Macht das die Geldpolitik unberechenbarer und die Märkte volatiler? Neuberger Berman | 11.05.2023 09:30 Uhr
Niall O’Sullivan, Chief Investment Officer, Multi Asset Strategies – EMEA, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Niall O’Sullivan, Chief Investment Officer, Multi Asset Strategies – EMEA, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Für Milton Friedman, so heißt es, verhalten sich Geldpolitiker wie „ein Narr unter der Dusche“.

Wenn das Wasser zu kalt ist, mischen wir heißes Wasser bei. Die meisten wissen, dass der Boiler erst mit Verzögerung reagiert und die Temperatur erst nach ein paar Sekunden steigt. Wir warten also, bis es wärmer wird. Aber der Narr wartet nicht. Weil das Wasser noch immer kalt ist, dreht er die Temperatur weiter hoch. Drei Sekunden lang ist sie angenehm, aber dann verbrüht er sich.

Mehr als zehn Jahre lang setzten die Notenbanken auf klare Worte und berechenbare Taten. Aber jetzt sehen sie sich gezwungen, das zu ändern und sich ausschließlich von den Konjunkturdaten leiten zu lassen. Manche Beobachter erwarten deshalb weniger Volatilität, weil sie nur bei sehr überraschenden Zahlen mit einer Reaktion rechnen. Wir sehen hingegen das Risiko, dass sich die Notenbanken immer mehr so verhalten wie der sprichwörtliche Narr unter der Dusche. Dann könnten die Kurse in den nächsten Monaten stärker schwanken. Umso wichtiger ist ein disziplinierter Investmentprozess.

Datenabhängigkeit

Auf der Offenmarktausschusssitzung der Fed letzte Woche wurden die Zinsen zwar angehoben, doch verzichtete Notenbankchef Jerome Powell auf den bisherigen Standardsatz, dass „eine weitere Straffung angemessen“ sein könne. Diese Änderung nannte er „wichtig“. Sie würde auf einen „datenabhängigeren Ansatz“ hinweisen.

Die Europäische Zentralbank hob die Zinsen langsamer an als bisher und deutete durchaus eine weitere Straffung an.

Letztlich dürfte es ihr vor allem darum gehen, zur Fed aufzuschließen. Auch hier rechnen wir mit einer„datenabhängigeren“ Geldpolitik, wenn der Zinsabstand schrumpft.

In den letzten 14 Jahren haben Investoren ganz andere Erfahrungen gemacht.

Von 2009 bis 2022 hatten die Notenbanken ein klares Konzept und wussten genau, was sie sagen mussten. Das war die Zeit des „Whatever it takes“, in der die skeptischen Märkte bisweilen auch mit Quantitative Easing zu niedrigen Zinsen gezwungen wurden. Letztes Jahr bekannten sich die Notenbanken nicht minder eindeutig zu einer Straffung, bis die Inflation erkennbar in Richtung Zielwert fällt – auch wenn das manchmal schmerzhaft ist.

Jetzt machen die Notenbanken aber gar keinen Hehl daraus, dass sie die Wassertemperatur nicht einschätzen können. Sie wissen nicht, ob sie zu hoch oder zu niedrig ist. Sie reagieren also darauf, wie sich das Wasser gerade anfühlt – obwohl sie wissen, dass die Konjunkturdaten oft Wochen oder gar Monate alt sind. Vielleicht bilden sie die Zinserhöhungen des letzten Quartals oder des letzten Jahres ab.

Das ist nicht dumm, sondern vor allem ehrlich: Wenn nach dem Ende der langen Niedriginflationsphase jeder etwas anderes für richtig hält, haben es die Entscheider nicht leicht. Den Notenbanken ergeht es nicht anders als dem Narren unter der Dusche.

Rein und raus

Und das gilt nicht nur für sie.

Vielleicht übertreibe ich es jetzt mit der Analogie – aber stellen wir uns doch mal eine große Turnhalle mit vielen Duschen vor. Stellen wir uns weiter vor, dass ein einziger Narr die Temperatur aller Duschen zentral steuert, für Sie und für Ihre Sportskameraden. Und nehmen wir jetzt auch noch an, dass Sie erraten müssen, was der Narr am Regler als Nächstes tut. Dann müssen alle gleichzeitig versuchen, mal unter dem Wasserstrahl und mal daneben zu stehen.

Genau in dieser Situation befinden sich die Marktteilnehmer, wenn Notenbanken auf Daten reagieren. Jedes Mal, wenn Zahlen veröffentlicht werden, droht Volatilität.

In gewisser Weise haben wir das schon erlebt. Im 1. Quartal, in den zwei Wochen ab dem 8. März, sprachen viele Zahlen für weniger Inflation und Wachstum in den USA. Die Leitzinserwartungen für den Euroraum gingen um über 50 Basispunkte, die für die USA um 90 Basispunkte zurück. Einen Monat später, am 14. April, war es dann umgekehrt. Wie mein Kollege Rob Dishner schrieb, haben die 434 Menschen, die die University of Michigan zu ihren Inflationserwartungen befragt hat, die Marktstimmung gedreht. Zehnjährige US-Staatsanleihen gaben um fast 1% nach

Disziplin und Risikobudgetierung

Was könnte all das für Investoren bedeuten?

Zum einen rechnen wir mit mehr Marktvolatilität, wenn die Investoren immer wieder ein- und aussteigen. Letzte Woche schrieb Erik Knutzen, dass der CBOE Volatility Index (VIX) für ruhigere Aktienmärkte, sein Anleihenpendant, der Merrill Lynch Option Volatility Estimate (MOVE), aber für volatilere Anleihenmärkte spreche. Vermutlich liegt das daran, dass man dort jetzt die ersten Temperaturschwankungen spürt, die die Notenbanken verursachen. Wir glauben, dass diese Volatilität irgendwann auch auf Aktien übergreift.

Außerdem rechnen wir damit, dass die Erträge aktiver Manager stärker streuen. Das gilt vor allem für solche, die eher einzelfallorientiert und taktisch vorgehen. Viel spricht für bessere Chancen auf hohen Mehrertrag, aber auch für die Möglichkeit höherer Mindererträge.

Drittens glauben wir, dass auf Dauer nur Erfolg hat, wer akzeptiert, nicht alles zu wissen und deshalb Risikodisziplin hält. Wer Aktien auf Kredit kauft oder Risiken ignoriert, könnte unter der Dusche ausrutschen und muss dann behandelt werden. Das könnte eine amerikanische Regionalbank sein oder der ein oder andere Global-Macro-Fonds.

Portfoliomanager, die sich der veränderten Geldpolitik bewusst sind und Risiken aktiv steuern, scheinen dieses Jahr bislang vorn zu liegen. Weil aber über 70% des Langfristertrags von der strategischen Asset-Allokation abhängt, könnte es sich auch anbieten, die kurzfristige Volatilität zu ignorieren oder zu versuchen, sie mit einer risikokontrollierten Positionierung zu nutzen. Doch nicht alles ist Lärm. Manche Signale sind wichtig. Wie wir in unserem jüngsten Asset Allocation Outlook geschrieben haben, lohnt sich für langfristige Investoren jetzt Geduld. Man muss sorgfältig analysieren, ob der Tiefpunkt erreicht ist und sich der Wiedereinstieg lohnt. Das scheint sehr viel klüger, als abwechselnd unter die Dusche zu springen und dem heißen Wasser auszuweichen.

Vielleicht wird die Performance dieses Jahr nicht so gut, wie Sie hoffen. Aber das ist immer noch besser, als sich zu verbrühen – oder auszurutschen und sich den Arm zu brechen.

Von Niall O’Sullivan, Chief Investment Officer, Multi Asset Strategies – EMEA, Neuberger Berman

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