CIO Weekly | Bestandsaufnahme

Halbzeit in einem ungewöhnlichen Kapitalmarktjahr. Wie geht es am Aktienmarkt weiter? Neuberger Berman | 20.07.2023 12:23 Uhr
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Die ersten Unternehmen legen ihre Zweitquartalszahlen vor, und der S&P 500 liegt nur um knapp 7% unter seinem Allzeithoch. Das ist ein guter Zeitpunkt, um die erste Jahreshälfte Revue passieren zu lassen und zu überlegen, was die nächsten sechs Monate zu bieten haben.

Ein großes Thema waren dieses Jahr die stabilen Märkte, die uns und viele andere überrascht haben. Kompliziert wurde es aber durch etwas anderes: Die „Geschichte von zwei Indizes“. Die Gewinne entfielen fast ausschließlich auf eine Handvoll Mega Caps, also hochkapitalisierte Technologieaktien.

Wenig Konsens

Hat die Rallye also noch Potenzial? Um das zu wissen, müssen wir ihre Gründe kennen und abschätzen, ob sie bestehen bleiben. Aber allein das ist nicht einfach. Der Markt und vor allem die Super Seven (Apple, Microsoft, Google, Meta, NVIDIA, Amazon und Tesla) schienen auf jede gute Nachricht zu reagieren, selbst wenn sie einander widersprachen.

Erst schien es nur um Kapitalströme zu gehen – um Investoren, die Short-Positionen eindeckten und die großen Verlierer des Vorjahres kauften. Als nach der Mini-Bankenkrise Anleihenrenditen und Leitzinserwartungen fielen, wurden die Super Seven plötzlich als defensive Titel mit langer Duration gefeiert. Danach galten die Liquiditätsspritzen, mit denen die Notenbanken gegen die Minikrise angingen, als Argument – bis schließlich Künstliche Intelligenz zum alles beherrschenden Thema wurde und man mit enormen Produktivitätsgewinnen rechnete.

Am wichtigsten für den Markt als Ganzes war aber wohl die stabile US-Konjunktur. Die Einkaufsmanagerindizes sind gestiegen, der US-Dollar ist gefallen. Das US-BIP dürfte in der ersten Jahreshälfte um etwa 2,1% (annualisiert) zugelegt haben, und da die Fed ihre Zinssenkungen wahrscheinlich bald beendet, wurden die Investoren euphorisch.

Weil sich all diese Entwicklungen so schwer bewerten lassen und noch dazu das Marktmomentum so groß ist, hat das Asset Allocation Committee seine Aktienmarkteinschätzung auf neutral angehoben. Trotz des zurückhaltenden Mittelfristausblicks sehen wir kurzfristig durchaus Chancen.

Damit stehen wir nicht alleine da. Doch selten waren die Markteinschätzungen so unterschiedlich, nicht nur in unserem Asset Allocation Committee, sondern auch unter Aktienstrategen insgesamt. Da wir vermutlich vor einem wichtigen Wendepunkt stehen – die Wirtschaft könnte entweder weiter wachsen oder unter der Last der strafferen Geldpolitik schwächeln –, ist diese Meinungsvielfalt nur zu verständlich.

Gewinne

Marktdynamik und Marktstimmung sind gut. Entscheidend dafür, ob unser Asset Allocation Committee Aktien am Ende doch wieder konservativer einschätzt oder mit weiteren Erträgen rechnet, dürften aber die Unternehmensgewinne sein.

Laut FactSet sind die Konsenserwartungen für die Zweitquartalsgewinne des S&P 500 das ganze Jahr über gefallen, auf zuletzt 52 US-Dollar je Aktie. Das wäre ein Rückgang um 6,4% z.Vj. Am optimistischsten ist man für Konsumgebrauchsgüterwerte, am pessimistischsten für den Energiesektor. Da für das 1. Quartal zunächst ein Rückgang um 5,9% erwartet wurde – am Ende wurden es dann 1,3% –, scheint für das 2. Quartal ein Minus von 4% bis 5% denkbar. Fast wichtiger als die tatsächlichen Gewinne sind aber die Gewinnausblicke. Wir glauben, dass das zurzeit nicht leicht einzuschätzende Konjunkturumfeld die Unternehmen zur Vorsicht mahnt.

In der zweiten Jahreshälfte und auch im nächsten Jahr könnten die Unternehmensgewinne aber wieder steigen. Erwartet werden 55 US-Dollar je Aktie im 3. Quartal, also ein Anstieg von 1% z.Vj., und 57 US-Dollar im 4. Quartal, ein Anstieg um 8,5%. Mit 218 US-Dollar je Aktie wären die Jahresgewinne der S&P-500-Titel dann um 1,1% höher als 2022. Für 2024 rechnen die FactSet-Analysten mit 12% Wachstum.

Schwächeres Nominalwachstum

Und die Gesamteinschätzung? Die Analysten glauben, dass die Gewinne der S&P-500-Werte ihren Tiefpunkt erreicht haben.

Wir sind da nicht so sicher.

Wir glauben vielmehr, dass Investoren, die Gewinne meist als eine nominale Größe ansehen, das hohe nominale BIP-Wachstum überbewerten. Aber auch das reale BIP-Wachstum ist mit durchschnittlich 2% gar nicht so schlecht, vor allem angesichts der raschen und starken Zinserhöhungen der letzten Zeit. Die jüngsten US-Inflationsdaten sprechen aber dafür, dass das nominale Wachstum jetzt fällt.

Der Unterschied zwischen nominalem und realem Wachstum, in dem wir letztes Jahr einen möglichen Grund dafür sahen, dass ein konservativer Ausblick übertroffen wird, wirkt jetzt in die andere Richtung. Das könnte unsere zurückhaltenden Erwartungen bestätigen, vor allem, wenn das so hartnäckig hohe Lohnwachstum allmählich die Margen schrumpfen lässt.

Man sollte die Gewinnerwartungen für den S&P 500 auch gesamtwirtschaftlich einordnen. Nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) des US Bureau of Economic Analysis sind die Unternehmensgewinne in den USA seit dem 2. Quartal 2022 kontinuierlich gefallen. Im 1. Quartal 2023 lagen sie dann 12% unter ihrem Höchststand.

Verzögert ist nicht abgesagt

Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne haben erst später nachgelassen als von uns erwartet. Die prognostizierte Marktschwäche trat ebenfalls nicht ein, vor allem wegen des hohen Nominalwachstums, der stabilen Gewinnmargen, dem vorübergehend starken Wachstum im 1. Quartal nach dem Neustart Chinas, der nachlassenden Energiekrise in Europa und nicht zuletzt der Liquiditätsspritzen nach der Mini-Bankenkrise.

Verzögert ist aber nicht abgesagt. Der Abschwung mag bislang milde sein, aber wir glauben nicht, dass er weitgehend ausbleibt. Dafür sprechen die fallenden Anleihenrenditen, die nachlassenden Unternehmensgewinne in der amerikanischen VGR, der schwächere Arbeitsmarkt, die niedrigere Inflation sowie andere Frühindikatoren. Wir werden deshalb darauf achten, ob die Zweitquartalsberichte auf das schwächere Nominalwachstum reagieren und wie sich dies auf die Gewinnschätzungen bis zum Jahresende auswirkt.

Unsere zurzeit neutrale Aktienpositionierung bildet die widersprüchlichen Daten am gegenwärtigen Wendepunkt ab, vor allem das stabile nominale Wachstum und die noch immer nur geringen Auswirkungen der strafferen Geldpolitik. Ihre volle Wirkung steht noch aus. Die nächsten sechs Monate werden zeigen, wie es weitergeht.

Von Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities bei Neuberger Berman

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen. Das NewsCenter ist eine kostenpflichtige Sonderwerbeform der e-fundresearch.com AG für Asset Management Unternehmen. Copyright und ausschließliche inhaltliche Verantwortung liegt beim Asset Management Unternehmen als Nutzer der NewsCenter Sonderwerbeform. Alle NewsCenter Meldungen stellen Presseinformationen oder Marketingmitteilungen dar.
Klimabewusste Website

AXA Investment Managers unterstützt e-fundresearch.com auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erfahren Sie mehr.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.