Das US-ukrainische Mineralienabkommen könnte weitreichende wirtschaftliche Folgen haben, die über eine einfache Angebotsausweitung hinausgehen. Während zunächst ein Überangebot an kritischen Rohstoffen denkbar scheint, könnten die Märkte durch geopolitische Entwicklungen eher verknappt werden. Mit einem Waffenstillstand besteht politisch die Möglichkeit, Sanktionen auf russisches Öl zu lockern. Zurzeit sind Preisobergrenzen für russisches Rohöl ein wichtiger Faktor, der die Weltmarktpreise auf einem niedrigen Niveau hält. Entfallen diese, könnte Russland zu Marktpreisen verkaufen. Dies dürfte die Ölpreise in die Höhe treiben. Auch der Agrarsektor wäre betroffen: Russland und die Ukraine haben verstärkt Getreide exportiert, um ihre Kriegskosten zu decken. Ein Friedensabkommen dürfte diesen Verkaufsdruck mindern und die Preise für Weizen und Mais stabilisieren. Unabhängig davon würde eine Deeskalation auch die wirtschaftliche Stimmung verbessern. Viele europäische Unternehmen sind recht vorsichtig mit ihre Rohstoffbeständen umgegangen, doch eine positivere Marktstimmung könnte die Nachfrage nach Metallen, Energie und anderen Rohstoffen steigen lassen.
Langfristig könnten sich die ukrainischen Bodenreserven an Lithium, Titan und Seltenerdelementen als strategisch wertvoll erweisen. Diese Rohstoffe sind essenziell für Batterien, Luft- und Raumfahrt sowie die Verteidigungsindustrie. Falls das Abkommen den US-Zugang zu diesen Mineralien stärkt, könnten Lieferkettenrisiken sinken und Investitionen in rohstoffintensive Industrien zunehmen. Der Wiederaufbau der Ukraine würde zudem die Nachfrage nach Stahl, Zement und Energie ankurbeln. Trotz anfänglicher Befürchtungen eines Überangebots deutet das Gesamtbild darauf hin, dass steigende Risikobereitschaft, Handelsverlagerungen und wirtschaftlicher Aufschwung die Märkte eher stärken als schwächen dürfte.
Handelskonflikte als möglicher Treiber für Rohstoffe und Gold
Dem gegenüber stehen die von der Trump-Administration angefachten Handelskonflikte. US-Zölle könnten zunächst als Belastung für Rohstoffe erscheinen, da sie den Welthandel bremsen. Doch ihre Auswirkungen hängen stark von den Gegenreaktionen anderer Länder ab. Handelskonflikte könnten die Nachfrage sogar steigern und die Rohstoffmärkte langfristig stützen. So könnte China etwa mit einer expansiven Fiskal- und Geldpolitik gegensteuern und Investitionen in erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge und High-Tech-Fertigung fördern. Dies dürfte die Nachfrage nach Kupfer, Aluminium und anderen Industriemetallen ankurbeln. Auch Europa könnte gezwungen sein, durch verstärkte Infrastruktur- und Industrieprojekte seine Wirtschaft zu stabilisieren, was den Rohstoffverbrauch weiter steigern würde.
Ein weiteres Szenario wäre die Neuausrichtung globaler Handelsallianzen. Sollten Zölle die Handelsbeziehungen der USA schwächen, könnten alternative Wirtschaftspartnerschaften entstehen und neue Handelsblöcke wachsen, wodurch die weltweite Rohstoffnachfrage stabil bleibt. Die schwindende Dominanz des US-Dollars im Welthandel könnte dann die Nachfrage nach Gold und Silber als alternativen Wertspeicher steigern und die Entdollarisierung weiter vorantreiben.
Während Zölle Unsicherheiten und Marktschwankungen mit sich bringen, könnten sie zugleich politische und wirtschaftliche Gegenmaßnahmen auslösen, die die Rohstoffnachfrage stützen, die Lagerbestände verknappen und Rohstoffe als strategische Anlageklasse langfristig attraktiver machen.
Gold als Kernbaustein einer widerstandsfähigen Anlagestrategie
Gold bleibt ein besonders elementar wichtiger Rohstoff, vor allem als Absicherung gegen Inflation. Höhere Zölle treiben die Preise und schmälern die Kaufkraft, was Gold traditionell stärkt. Gleichzeitig wächst das US-Steuerdefizit, getrieben durch mögliche Steuersenkungen und hohe Staatsausgaben. Historisch korreliert steigende Staatsverschuldung mit einem höheren Goldpreis – ein Trend, der sich voraussichtlich fortsetzt. Zudem dient Gold als Sicherheitspuffer gegen Marktrisiken, insbesondere in Verbindung mit dem KI- und Quantenboom. Während diese Sektoren starke Börsengewinne lieferten, gibt es Infrastrukturengpässe, etwa bei der Stromversorgung, die das Wachstum bremsen könnten. Sollte es zu einer Korrektur der technologiegetriebenen Märkte kommen, dürfte Gold als sicherer Hafen profitieren, ebenso wie von einem schwächeren US-Dollar, der durch sinkende ausländische Investitionen in US-Technologiewerte unter Druck geraten könnte.
Auch Zentralbanken stocken ihre Goldreserven auf, um sich von US-Staatsanleihen zu diversifizieren. Die Entdollarisierung schreitet voran, verstärkt durch hohe US-Schulden und steigende Zinsen. Gleichzeitig wächst die Goldnachfrage chinesischer Investoren, da der Renminbi schwächelt und chinesische Aktien unter Druck stehen. Selbst Kapitalkontrollen dürften die Nachfrage kaum bremsen. In einem volatilen Umfeld ist es riskant, auf einzelne, konzentrierte Wetten zu setzen. Ein diversifizierter Rohstoffkorb, der Gold als Wertaufbewahrungsmittel integriert und Marktknappheiten gezielt nutzt, bietet eine stabilere Strategie. Aktive Ansätze können Marktschwankungen besser ausgleichen und sowohl Inflation als auch handelspolitische Risiken absichern – eine solide Basis für langfristige Stabilität.
Von Hakan Kaya, Senior Portfolio Manager bei Neuberger Berman