- Die fünf bekannten Faktoren Value, Quality, Low Risk, Size und Momentum zeigten im Krisenjahr 2022 ein gemischtes Bild.
- Aufgrund ihrer defensiven Eigenschaften konnten Low Risk-Strategien trotz steigender Zinsen eine deutliche Outperformance generieren.
- Global betrachtet entwickelten sich Size-Strategien relativ zum Gesamtmarkt neutral, jedoch mit erheblichen regionalen Differenzen.
Wie schlugen sich der Low Risk- und Size-Faktor im Jahr 2022?
Die Herausforderungen des Jahres 2022 hatten wir zum Anlass genommen die Performance von Faktor-Strategien näher zu beleuchten. Da eine Vielzahl bekannter Indizes oftmals neben dem gewünschten Faktor-Exposure auch Nebeneffekte aufweisen, legen wir besonderes Augenmerk auf die Hintergründe der jeweiligen Wertentwicklung.
Denn wie man im letzten Artikel anhand des Quality-Faktors sehen konnte, sorgen entsprechende Nebeneffekte oftmals für negative Überraschungen. Erwartungsgemäß hätten Qualitätsunternehmen relativ zum globalen Aktienmarkt aufgrund ihrer defensiven Eigenschaften besser abschneiden müssen, jedoch wurde dies von einer erhöhten Aktien-Duration überlagert, wodurch die Wertentwicklung im Zuge der steigenden Zinsen signifikant belastet wurde. Eine hohe Aktien-Duration impliziert, dass die Mehrheit der erwarteten Cashflows eines Unternehmens in der ferneren Zukunft liegen (siehe Equity Insights #9). Im Ergebnis blieben viele Quality-Indizes deutlich hinter dem Markt zurück. Ergänzend zu der detaillierten Betrachtung von Value und Quality, werden wir im vorliegenden Artikel den Fokus auf die Faktoren Low Risk und Size legen.
Low Risk profitiert vom Zinsanstieg?
Neben dem globalen Min Vol-Index zeigt Abbildung 1 ebenfalls den globalen Assenagon Low Risk-Faktor, welcher gemäß unserem Assenagon Equity Framework konstruiert wurde. Dies bedeutet, dass eine ganzheitliche Risikobetrachtung Anwendung findet und somit unerwünschte Nebeneffekte, wie Länder-, Sektor- oder weitere Faktor-Einflüsse relativ zum globalen Aktienmarkt, kontrolliert werden.
Im Zuge des sich abschwächenden Wirtschaftswachstums bzw. der rezessiven Entwicklungen standen Unternehmen mit einem niedrigen Marktrisiko und stabilen Cashflows im Fokus der Anleger. Somit konnte der Min Vol-Index, welcher Grundlage für milliardenschwere ETFs darstellt, das Jahr mit einer Outperformance von +10,5 Prozent gegenüber dem globalen Aktienmarkt abschließen. Aufgrund temporär vorteilhafter Nebeneffekte lag die Performance auch vor dem kontrollierten Assenagon Low Risk-Faktor.
Hierfür waren maßgeblich abweichende Sektorgewichte zum globalen Aktienmarkt verantwortlich. So konnte der Index insbesondere durch sein Übergewicht in den Sektoren Versorger und Basiskonsum sowie durch ein Untergewicht von Technologieaktien profitieren. Weshalb es trotz der positiven Momentaufnahme in 2022 unabdingbar ist Nebeneffekte wie diese zu kontrollieren, zeigt die bisherige Wertentwicklung im Jahr 2023. Innerhalb der ersten vier Wochen gab der Min Vol-Index seinen Vorsprung ab und liegt somit seit Anfang letzten Jahres gleichauf mit der kontrollierten Variante – bei deutlich höherem relativen Risiko. In der langfristigen Betrachtung ergeben sich durch unkontrollierte Nebeneffekte hauptsächlich zusätzliche Risiken und nahezu keine Renditeopportunitäten.
Was sich final festhalten lässt: Die Low Risk-Prämie hat im globalen Aktienmarkt 2022 einen deutlichen Mehrwert für Investoren generiert, was im Kontext der steigenden Zinsen vielleicht verwunderlich sein mag. Denn historisch betrachtet wurde dieser Prämie gerne nachgesagt von fallenden Zinsen zu profitieren und vice versa unter steigenden Zinsen zu leiden. Dies war in den letzten Jahren mitnichten der Fall: Low Risk-Portfolios profitierten in 2022 von ihren vergleichsweise stabilen Cash Flows und kurzen Aktien-Duration. Das vorherrschende Thema der Zinswende belastete hingegen die Bewertung von Unternehmen mit überdurchschnittlich langer Aktien-Duration.
Regionale Unterschiede beim Size-Faktor
Unternehmen mit kleiner und mittelgroßer Marktkapitalisierung weisen für gewöhnlich ein erhöhtes Risiko auf, was auf geringer diversifiziertere und regional fokussiertere Geschäftsmodelle zurückzuführen ist (siehe Equity Insights #5). Wie Abbildung 3 aufzeigt, entwickelte sich der globale Size-Index 2022 ungeachtet der makro-ökonomischen Gemengelage neutral zum Aktienmarkt – trotz möglicher Nebeneffekte. Diese hatten im vergangenen Jahr lediglich einen geringen Einfluss auf die Wertentwicklung des Size-Faktors. Denn auch das ganzheitlich kontrollierte Size-Portfolio, welches im Rahmen der Portfoliokonstruktion Länder-, Sektor- und Faktoreffekte gegenüber dem globalen Aktienmarkt berücksichtigt, zeigte eine ähnliche relative Wertentwicklung.
Assenagon Equity Framework
Unerwünschte Nebeneffekte jenseits der gesuchten Faktor-Ausprägung steuern meist hohes zusätzliches Risiko bei geringen Rendite-Opportunitäten bei. Zwar sorgte die abweichende Sektorgewichtung im Falle des Low Risk-Faktors im Jahr 2022 für eine Outperformance auch gegenüber einem kontrollierten Ansatz, gab diese allerdings im Januar 2023 bereits vollständig ab. Zudem zeigen die Ergebnisse des Size-Faktors auf, wie wichtig der bewusste Umgang mit Länderrisiken ist.
Für den Anleger
Wie sich zeigt, konnten Low Risk und Size entgegen möglicher Erwartungen das Jahr 2022 gut überstehen. Auch in Zeiten steigender Zinsen stellt der Low Risk-Faktor einen interessanten Baustein in der Allokation dar, der aufgrund seiner defensiven Eigenschaften 2022 eine deutliche Outperformance generieren konnte. Zum anderen zeigt sich, dass erhöhte Risiken von kleineren und mittleren Unternehmen durch globale Diversifikation auch in einem Krisenjahr gut gemanagt werden können.
PS: Lesen Sie in der nächsten Ausgabe, wie sich der Momentum-Faktor in 2022 sowie langfristig entwickelt hat.