Die europäischen Banken stehen heute ganz anders da als zum Zeitpunkt der globalen Finanzkrise. Für die Kreditinstitute waren die weltweiten Turbulenzen vor fast zwei Jahrzehnten ein Weckruf, ihre Kapitalreserven aufzustocken und ihre Bilanzen zu stärken.
Die auf die globale Finanzkrise folgende Eurokrise legte die Schwächen der Banken in Ländern wie Irland, Portugal, Spanien, Griechenland und Zypern offen und machte politisch heikle Rettungsmaßnahmen erforderlich. In diesem Zusammenhang entstanden Additional Tier 1 (AT1)-Anleihen (auch als CoCos bekannt).
AT1-Anleihen sind hybride Instrumente, die Eigenschaften von Fremdkapital und Eigenkapital aufweisen und mit einem Puffer für die Verlustabsorption im Krisenfall ausgestattet sind. Die ersten AT1-Anleihen wurden 2013 ausgegeben, um die Kapitalbasis von Banken zu stärken. Seither hat sich das Segment zu einer verlässlichen Kapitalquelle für Banken entwickelt. Das weltweit ausstehende Volumen an AT1-Anleihen entspricht mittlerweile etwa der Hälfte des Volumens an auf Euro lautenden hochverzinslichen Unternehmensanleihen.
Europäische Banken haben eine solide Kapitalausstattung
Quelle: S&P Capital IQ, Unternehmensberichte, CreditSights, Autonomous. Stand: 30.06.25.
In den vergangenen zehn Jahren haben die europäischen Banken die negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie genauso überstanden wie die Turbulenzen im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der Credit Suisse und der Vertrauenskrise im US-Regionalbanksektor aufgrund der Pleite der Silicon Valley Bank. Die vollständige Abschreibung der AT1-Anleihen der Credit Suisse im Jahr 2023 war heftig umstritten und führte zu rechtlichen Auseinandersetzungen, da die Aktionäre der Bank – die gemäß der üblichen Verlusthierarchie im Falle eines Bankzusammenbruchs hinter den AT1-Anleihegläubigern rangieren – eine Teilentschädigung erhielten.
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Bank of England stellten jedoch klar, dass sich eine derartige Behandlung nicht auf ihre Jurisdiktionen übertragen ließe, was zu einer Verengung der Credit Spreads beitrug.
Zusätzlich gestützt wurden die Fundamentaldaten der europäischen Banken durch die Straffung der Geldpolitik ab 2022, mit der die Zentralbanken die durch den pandemiebedingten Nachfragestau und Lieferkettenstörungen angeheizte Inflation wieder unter Kontrolle bringen wollten. Die Zinsanhebungen führten zu höheren Zinserträgen für Banken, die ihre Kreditzinsen entsprechend anhoben, während die Einlagenzinsen niedrig blieben. Rekordhohe Gewinne, eine solide Kapitalausstattung, geringe Wertminderungen und hohe Zinsmargen haben sich positiv auf das Eigenkapital und die Kreditbewertungen der Banken ausgewirkt.
Nach Angaben der Europäischen Zentralbank hat sich die aggregierte annualisierte Eigenkapitalrendite des EU-Bankensektors deutlich vom Einbruch während der Corona-Pandemie erholt und lag Ende Juni 2025 bei 10,11%. So hoch wie aktuell – 16,12% – war die aggregierte Kernkapitalquote der Banken in der EU seit mindestens 2015 nicht mehr.
Dadurch bieten AT1-Anleihen weiterhin gute Spreads und Renditeaufschläge gegenüber normalen Hochzinsanleihen von Nicht-Finanzunternehmen mit BB-Rating, obwohl ihre Spreads im historischen Vergleich eng sind. Ein weiterer Faktor für die anhaltende Attraktivität der Anlageklasse ist, dass rund 45% der im Umlauf befindlichen AT1-Anleihen ein Rating von BB oder niedriger haben, aber größtenteils von Banken mit einem Investment-Grade-Rating emittiert werden.
Ein aktuell großes Thema im europäischen Bankensektor, das seit 2024 an Dynamik gewonnen hat, ist die Bankenkonsolidierung. Nach großzügigen Ausschüttungen an ihre Aktionäre haben die europäischen Banken gezielt ergänzende Akquisitionen getätigt, sowohl in ihren Heimatmärkten als auch grenzüberschreitend. Dies hat die Credit Spreads ebenfalls gestützt, vor allem die von Emissionen kleinerer, profitabler Banken, bei denen sich derartige M&A-Transaktionen durch Skaleneffekte, Kapitalwachstum und Kosteneffizienzen auszahlen.
Die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) vertreten seit langem die Auffassung, dass die Konsolidierung des Bankensektors zu einer stärker integrierten EU-Bankenunion beitragen wird, sofern überzeugende Businesspläne vorliegen, die auf Kostensynergien abzielen und sowohl für Kunden als auch für Aktionäre einen Mehrwert schaffen. Dieser Ansatz stößt jedoch häufig auf Widerstand seitens nationaler Regierungen und lokaler Gewerkschaften, die negative Auswirkungen auf Wettbewerb und Arbeitsplätze befürchten, insbesondere wenn große Bankengruppen beteiligt sind.
Wie ein aktueller Bericht von Moody‘s zeigt, hat die Konzentration der Bankensysteme in Ländern wie Zypern, Griechenland, Spanien, Italien und Bulgarien, die nach der Krise von 2008 ums finanzielle Überleben kämpften, schneller zugenommen, während sie in Frankreich, Finnland, Belgien und Schweden zurückgegangen ist.
Die Konzentration der Bankensysteme in Europa hat zugenommen, variiert jedoch von Land zu Land
Quelle: Moody’s Ratings und EZB
Zu den jüngsten M&A-Vorhaben im europäischen Bankensektor gehört die Übernahme der portugiesischen Novo Banco durch die französische Bankengruppe BPCE. BPCE hat angekündigt, für 6,4 Mrd. Euro die 75-prozentige Beteiligung von Lone Star zu übernehmen, die der US-amerikanische Private-Equity-Fonds 2017 erworben hatte. Novo Banco entstand 2014 nach einer staatlichen Rettungsaktion aus der zusammengebrochenen Banco Espirito Santo. Die italienische UniCredit hat ihren Anteil an der Alpha Bank, der viertgrößten Bank Griechenlands (gemessen an der Bilanzsumme), schrittweise von 9% im Jahr 2023 auf 26% erhöht. Dieses anhaltende Interesse ist sowohl vom CEO der griechischen Bank als auch vom griechischen Premierminister begrüßt worden und hat die Credit Spreads der Alpha Bank gestützt. Im August 2025 hat die französische Credit Agricole ihren Anteil an der italienischen Banco BPM auf rund 20% erhöht und ist damit zum größten Anteilseigner der Bank geworden.
Einige Übernahmeversuche sind jedoch auf Widerstand der betreffenden Regierungen gestoßen. In Spanien gab BBVA im Mai 2024 ein Übernahmeangebot in Höhe von 12 Mrd. Euro für Banco Sabadell ab. Die Verhandlungen sind noch im Gange und die Genehmigung der Transaktion steht noch aus, da sowohl der Vorstand von Sabadell als auch die spanische Regierung die Fusion nicht befürworten. In Deutschland hat sich die Regierung einer Übernahme der Commerzbank, des zweitgrößten deutschen Kreditinstituts, durch UniCredit entgegengestellt. UniCredit hat über die vergangenen zwölf Monate eine nennenswerte Beteiligung an der Commerzbank aufgebaut. In Italien erließ die Regierung unter Berufung auf das sogenannte Golden-Power-Gesetz und nationale Sicherheitsinteressen strenge Auflagen für eine Übernahme der italienischen Banco BPM durch UniCredit. Daraufhin platzte der Deal.
Synergieeffekte durch Konsolidierung
Aus unserer Sicht ist eine Konsolidierung der EU-Bankenlandschaft grundsätzlich vorteilhaft. Für uns als Kreditinvestoren ist jedoch entscheidend, dass jede Fusion letztlich kapitalerhöhend wirkt und auch auf kurze bis mittlere Sicht nicht zu einer erheblichen Verschlechterung der Eigenkapitalquoten führt. Genauso wichtig sind der Zeitplan für den Abschluss der Transaktion, Details zu potenziellen Kosteneinsparungen und etwaige Änderungen der Finanzierungsstruktur. Eine Transaktion ohne klar definierte Finanzierungsstrategie führt zu Unsicherheit in Bezug auf die Credit Spreads und kann die kurzfristige Strategie der Bank beeinträchtigen.
Ganz allgemein ist Größe wichtig. Das gilt insbesondere für Europa, wo zahlreiche kleine Banken durch steigende IT-Kosten und hohe Regulierungskosten unter Druck stehen. Fusionen und Übernahmen können entscheidend dazu beitragen, größere, effizientere und fundamental stärkere europäische Bankengruppen zu schaffen. Dadurch könnten sich auch die Credit Spreads dem Niveau der großen US-Banken weiter annähern.
Von Luca Evangelisti, Head of Credit Research und Investmentmanager, Fixed Income & Paridhi Garg, Investment Analyst, Fixed Income bei Jupiter Asset Management
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