Auf ihrer heutigen Sitzung hat die EZB ihre Leitzinsen um 50 Basispunkte angehoben. Der Einlagensatz liegt mit 2% nun am oberen Rand des Niveaus, was im Rat als „neutral“ mit Blick auf die Inflationswirkung eingeschätzt wird. Substanzielle weitere Schritte sollen kommen. Die EZB sieht den Zinsgipfel also in größerer Entfernung als die FED. Analog zur FED erwartet auch die EZB nach Erreichen des Gipfels eine längere Phase mit unverändertem Zins. Hintergrund ist, dass die neue Inflationsprognose die Teuerung auch 2025 noch über dem 2%-Ziel sieht und sich die Finanzierungskonditionen in Europa – entgegen dem Impuls der EZB – zuletzt verbessert haben. Zinssenkungsfantasien hat deshalb auch die EZB heute eine klare Absage erteilt.
Vorsichtig soll dagegen die angekündigte Bilanzkürzung (QT) ablaufen. Der Abschmelzprozess der Wertpapierportfolien soll im März 2023 beginnen und die Liquidität soll zunächst monatlich um 15 Mrd. Euro reduziert werden, etwa ein Drittel des Anfangstempos in den USA ab Mitte 2022. Hier werden die Risiken für den Finanzmarkt und vor allem die Finanzierungskosten der Peripherieländer zu Recht als größer eingeschätzt als in den USA. Zudem wird dem Finanzmarkt durch die Rückzahlung der TLTRO-Refinanzierungsgeschäfte durch die Banken auf anderem Wege weitere Liquidität entzogen.
Aussichten für Anleger
Die neuen Prognosen und die Ankündigung von weiteren substanziellen Zinsschritten zeigen, dass die Sorgen der EZB aktuell größer sind als die der FED. Dies dürfte zunächst auch so bleiben, da der Preisdruck in den kommenden Monaten – anders als in den USA – kaum abnehmen wird. In der zweiten Jahreshälfte könnte sich das Bild aber drehen, da mit der nachlassenden Bedeutung von Angebotsfaktoren dann mit einem stärkeren Rückgang der Teuerung in Europa gerechnet werden muss.
Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz