Auf ihrer Sitzung hat die EZB ihre Leitzinsen unverändert gehalten. Wie im Dezember hat sie einen zurückhaltenden Ton mit Blick auf mögliche Zinssenkungen in den kommenden Monaten angeschlagen. Zwar bleibt der Ausblick für die Konjunktur schwach und der Abwärtsdruck auf die Inflation hat sich wie erwartet verstärkt. Die Unsicherheit über die Kosten der Lieferkettenprobleme im Seehandel bleibt aber erhöht. Vor allem aber sieht die EZB nach wie vor Aufwärtsrisiken für die Inflation durch die hohe Lohndynamik in zahlreichen Euro-Ländern. Zwar habe sich diese zuletzt etwas stabilisiert und Unternehmen hätten die Preiseffekte bisher durch Margenkürzungen begrenzt. Vor möglichen Weichenstellungen in Richtung Zinssenkungen will die EZB aber weitere Daten zur Lohnentwicklung abwarten. So seien für 2024 etwa 40% der Tarifrunden im Euro-Raum noch nicht ausgehandelt.
Aussichten für Anleger
Die EZB sieht den Zeitpunkt für den Beginn von Zinssenkungen damit auch zu Jahresbeginn in weiterer Ferne als die FED, trotz der deutlich schwächeren Konjunkturdaten. Die Mehrheit der Investoren teilt diese Zurückhaltung nach wie vor nicht und die EZB-Sitzung hat daran nichts geändert. Vielmehr preist der Anleihenmarkt eine erste Senkung bis April nun sogar zu etwa 80% ein und damit stärker als zuvor. Bis Jahresende werden insgesamt fast 6 Zinsschritte nach unten erwartet. Dies scheint angesichts des hohen Lohndrucks und der erhöhten Sorgen der EZB vor Zweitrundeneffekten zwar überzogen, solange es zu keinem Absturz der Wirtschaft kommt. Ob die EZB mit Blick auf den Beginn von Lockerungen aber tatsächlich der FED den Vortritt lassen wird, ist aber fraglich. Die derzeitigen Aussichten für Konjunktur und Preisentwicklung sprechen dagegen. Das haben die US-Daten zum BIP im vierten Quartal und das ifo Geschäftsklima für die deutsche Wirtschaft eindrucksvoll gezeigt.
Von Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz