Die US-Präsidentschaftswahl und die Zinsentscheidungen der Notenbanken dürften das Marktsentiment im zweiten Halbjahr beeinflussen, schreiben die Kapitalmarktexperten in ihrem Halbjahresausblick. Allerdings seien beide hinsichtlich des Ausgangs aber kaum zu prognostizieren. Zudem sei vor allem die kurzfristige Marktreaktion auf ein bestimmtes Ergebnis weit weniger klar als häufig unterstellt. „So reizvoll politische oder monetäre Wetten auch scheinen mögen, die makroökonomischen Entwicklungen sind auch in der zweiten Jahreshälfte einmal mehr verlässlichere Ratgeber für Investoren“, hält Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt des unabhängigen Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz, im Ausblick für das zweite Halbjahr fest.
Wird Trump die Märkte überraschen?
An den internationalen Finanzmärkten werden die Wahlszenarien und Folgen intensiv diskutiert. In den Kursen sind bisher aber kaum Sorgen vor einem Trump-Sieg abzulesen. „Das hat gute Gründe. Zum einen ist ein Wahlsieg alles andere als sicher. Alles deutet auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin, Ausgang völlig ungewiss. Zum anderen halten die wirtschaftspolitischen Pläne einer möglichen neuen Trump-Administration nicht nur negative Impulse für die Finanzmärkte bereit. Dabei könnte sich die Wirkung nach Regionen und Assetklassen deutlich unterscheiden“, schreibt Mayr. Auf der Gewinnerseite könnten kurzfristig vor allem US-Aktien stehen. Denn US-Unternehmen dürften von der Aussicht auf niedrigere Steuersätze, einen erneuten Abbau von Regulierung und einer Senkung der Energiekosten profitieren. Auf der Verliererseite könnten neben US-Staatsanleihen vor allem europäische Assets stehen. Für beide dominieren die Risiken durch die geplanten restriktiven Maßnahmen im Bereich Handels- und Migrationspolitik sowie durch einen Druck in Richtung noch expansiverer Geld- und Fiskalpolitik. „Wenn Trump in seiner ersten Amtszeit eines gezeigt hat, dann, dass er durchaus für Überraschungen sorgen kann, im Negativen wie im Positiven“, fasst Mayr zusammen. „Ein Anstieg der wirtschaftspolitischen Unsicherheit scheint deshalb die einzige Gewissheit für einen möglichen Wahlsieg Trumps.“
Zinsausblick: Geldpolitik verliert die Dominanz
Die Dominanz der Geldpolitik für die Finanzmärkte hat seit dem Erreichen der Zinsplateaus bereits deutlich abgenommen. Und das dürfte Johannes Mayr zufolge auch im zweiten Halbjahr so bleiben, solange sich das zyklische Bild von Wirtschaft und Inflation nicht grundsätzlich verändert. Ein Soft-Landing in den USA und eine einsetzende Erholung in Europa bleiben für Eyb & Wallwitz das Basisszenario. Global dürften die Notenbanken zwar schrittweise die monetären Konditionen etwas lockern. Aktuell rechnet Eyb & Wallwitz mit nicht mehr als 1-2 Zinsschritten der Fed bis Jahresende. Das neue Normal dürfte bei etwa 3,5-4% in den USA liegen, im Euro-Raum wird die Landezone für den Leitzins nach 3-4 Zinsschritte bis Jahresende bei etwa 2,5-3% erwartet. Dabei sollten sich mittelfristig orientierte Investoren nicht zu sehr auf ein genaues Timing der Zinspfade fokussieren, dies gelinge äußerst selten. „Außerdem ist die Überraschung ein zentrales Element der Wirkweise von Geldpolitik“, führt Mayr aus.
Verschiebungen bei Konsum und Investitionen
Der Münchener Vermögensverwalter rät Anlegern im zweiten Halbjahr ihren Blick auf die Verschiebungen im Konsum- und Investitionsverhalten zu lenken. Im Konsumbereich zeichne sich eine Verschiebung von Marktmacht entlang der Wertschöpfungskette weg vom Hersteller der Produkte, hin zum Einzelhändler mit direktem Zugang zu den Kundendaten, ab. „Dabei spielen neben der Substitution von teureren Markenprodukten auch der geringere Anstieg der Lohnkosten im Einzelhandel und die Rolle als Gatekeeper zum Kunden eine Rolle. Davon profitieren gerade auch die Online- und Offline-Monopolisten in den USA, von Amazon bis Walmart. Diese Entwicklung dürfte mit dem verstärkten Einsatz von KI noch zunehmen“, prognostiziert Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführender Gesellschafter und Lead Portfoliomanager von Eyb & Wallwitz.
KI als „cycle maker“?
Der Investitionszyklus befindet sich in den USA und Europa derzeit am Tiefpunkt, gebremst durch den Straffungskurs der Notenbanken. Mit Blick auf das zweite Halbjahr ist eine Erholung zu erwarten. Diese könnte in den USA – trotz rascherer Zinssenkungen in Europa – durch die starken Gewinnanstiege und der höheren Finanzierungskraft deutlich stärker ausfallen. „Anders als in Europa dürften die Investitionen in den USA deshalb der Treiber der konjunkturellen Erholung im zweiten Halbjahr werden. Dabei könnte der Technologiesektor in die Rolle des „Cycle-Makers“ für die US-Wirtschaft schlüpfen“, so Chefvolkswirt Mayr. Denn Investitionen und Innovationen, gerade im Bereich KI, dürften entlang der Wertschöpfungskette vielen Wirtschaftsbereichen zugutekommen.
Aktien: KI abseits der „Pure Plays“
„Insgesamt dürfte das makroökonomische Bild im zweiten Halbjahr positiv auf die Finanzmärkte wirken. In diesem Umfeld bleiben die Prinzipien von Joseph Schumpeter, die uns bei der Aktienanlage leiten, ein verlässlicher Ratgeber für die Auswahl von Wirtschaftsbereichen und Geschäftsmodellen“, fasst Konrad zusammen. Sein Augenmerk gilt vermehrt dem bislang weniger beachteten Zweig der Industrie- und Infrastrukturwerte. Diese hätten sich von einem mehr oder weniger zyklischen Sektor zu einem mittelbaren Profiteur der „KI-Revolution“ emanzipiert. Im Gegensatz zu den „Pure Plays“ aus der Technologie ist die Kursentwicklung des Industriesektors hinter der Gewinnentwicklung zurückgeblieben und auch die Gewinnmarge bewegt sich „nur“ auf durchschnittlichem Niveau. „Gerade vor dem Hintergrund von möglicherweise zu euphorischen Erwartungen an das Potential von KI halten wir dieses Segment für attraktiv und haben dessen Anteil in unseren Produkten entsprechend aufgestockt“, führt Konrad aus.
Diversifikation über Rohstoffe
Er weist darauf hin, dass die Korrelation zwischen Aktien- und Anleihekursen aktuell so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr ist. Das mache die Suche nach alternativen Diversifikationsmöglichkeiten umso wichtiger. Traditionell böten sich Rohstoffe, u.a. in Form von Gold, aber auch Aktien aus dem Energiesektor, an. Eyb & Wallwitz hat in den vergangenen Monaten ihre Portfolios entsprechend ergänzt. Konrad hält das Potenzial für Multi-Asset-Fonds für weitaus attraktiver, als es in der aktuellen Diskussion erscheint: „Die hohen Festgeldsätze in Europa sind bereits rückläufig, und der „Sockelertrag“ aus Anleihen ist deutlich höher als noch vor einigen Jahren.“ An den Aktienmärkten werde es auch in Zukunft immer wieder zu Rücksetzern kommen, bei anhaltender Dynamik bei den Unternehmensgewinnen seien aber weiterhin auch Kursgewinne zu erzielen. Im Anleihensegment bevorzugt Eyb & Wallwitz eine mittlere Duration im Euro-Raum gegenüber den USA, sieht aber auch die Notwendigkeit, sich wegen der aktuellen politischen Turbulenzen in Frankreich für höhere Schwankungen zu wappnen.