Deutsche Infrastruktur: Mit dem Schienenersatzverkehr zum Wirtschaftswachstum

Die Fußball-Europameisterschaft hat mal wieder gezeigt, in welch schlechtem Zustand das deutsche Schienennetz ist. Was für viele angereisten Fans eine böse Überraschung darstellte, verwunderte Einheimische nur wenig. Doch auch abseits des Schienennetzes wurde deutsche Infrastruktur jahrzehntelang vernachlässigt. Warum das so ist und wieso es den Wohlstand in Deutschland nachhaltig gefährdet erklärt Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz. Eyb & Wallwitz | 21.08.2024 09:19 Uhr
Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführer und Lead-Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz / © e-fundresearch.com / Eyb & Wallwitz
Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführer und Lead-Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz / © e-fundresearch.com / Eyb & Wallwitz

Seit der Finanzkrise vor 20 Jahren steht die Haushaltskonsolidierung oft im Vordergrund des politischen Kalküls, meist zu Lasten von notwendigen Investitionen in Digitalisierung, Energie und Infrastruktur. Während andere Länder ihr Potenzialwachstum durch gezielte Investitionen steigern, bleibt Deutschland zurück. Das liegt auch an der Tendenz der Politik mehr über die Finanzierung von Maßnahmen zu diskutieren als über die Maßnahmen selbst. So scheitern viele wichtige und wohlintendierte Maßnahmen an ewigen Debatten um deren Finanzierung. Es braucht ein Umdenken: Erst die Maßnahmen, dann die Finanzierung.

Die chronische Unterfinanzierung der Infrastruktur schädigt die Wachstumsaussichten und gefährdet den wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland. Eine gute Infrastruktur ist ein Treiber für Unternehmen und ein wichtiges Kriterium für Fachkräfte. Eine marode Infrastruktur hemmt das Wirtschaftswachstum und mindert die Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort. Deutschlands Angst vor Schulden, die sich auch in einem mangelnden Investitionswillen ausdrückt, schadet dem deutschen Wohlstand langfristig.

Das föderale System und der politische Zyklus in Deutschland erschweren eine langfristige Finanzplanung zusätzlich. Es bedarf einer Entkopplung von politischen Prozessen und einer Verständigung innerhalb des Parlaments, wie es beim Sondervermögen der Bundeswehr der Fall war. Unternehmen planen mit einem Zeithorizont von 30 Jahren, daher muss auch die öffentliche Hand langfristiger denken. Eine solche Planung ist unerlässlich, um Infrastrukturprojekte unabhängig vom politischen Tagesgeschehen voranzutreiben. Es braucht eine langfristige und wachstumsorientierte Politik mit Betonung auf investive Ausgaben statt reiner Transfers, die nur kurzfristige Härten abmildern und nicht nachhaltig zur Stärkung der Wirtschaft beitragen.

Hier hilft auch ein Blick in die USA: Dort spielen Transfers eine geringere Rolle, während der Inflation Reduction Act die Investitionstätigkeit anschiebt. Im Gegensatz dazu sind viele deutsche Maßnahmen eher kosmetischer Natur. Um wirklich ein nachhaltig besseres Investitionsklima zu erreichen, braucht es auch hierzulande schnellere Abschreibungsregelungen, verstärkte Co-Finanzierung statt reiner Subvention und ein unternehmerfreundliches Klima mit weniger Bürokratie und einer moderaten Steuerbelastung. Statt isolierter Subventionen, wie bei der Chipindustrie, muss ein breiteres Investitionsklima geschaffen werden, das digitale und analoge Infrastruktur gleichermaßen fördert.

Perspektive für Anleger

Für Anleger mit einem mittelfristigen Anlagehorizont können Infrastrukturinvestitionen attraktiv sein. Unternehmen, die von einem Ausbau der Infrastruktur profitieren, sind durchaus interessant. Auch Infrastrukturanbieter in den Bereichen Digitalisierung und Bau könnten sich als lukrative Investitionsziele erweisen. Eine Modernisierung der Infrastruktur in Deutschland ist unvermeidlich, um den wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern und zu steigern. Die Frage ist nicht ob, sondern wann und wie dies geschehen wird. Dieser Tatsache sollten sich Politiker wie Anleger gleichermaßen bewusst sein. 

Von Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführer und Lead-Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz

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