Auf ihrer heutigen Sitzung hat die EZB ihren Leitzins (Einlagensatz) wie erwartet um 25 Basispunkte auf 3,5% gesenkt. Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken laufend Liquidität bei der Notenbank holen können, wurde sogar um 60 Basispunkte auf 3,65% gesenkt. Mit dieser Anpassung zielt die EZB darauf, die Geldpolitik zumindest wieder in Richtung einer etwas knapperen Liquiditätsversorgung der Wirtschaft zu steuern und die wöchentliche Wiederaufnahme als Alternative zu der über Wertpapierkäufe dauerhaft bereitgestellten Überschussliquidität anzuregen. Gleichzeitig hat die EZB heute ihre Prognosen zur Inflation bestätigt. Demnach wird das 2%-Inflationsziel nachhaltig erst in der zweiten Jahreshälfte 2025 erreicht, auch weil die Teuerung im Schlussquartal 2024 mit dem Auslaufen von Sondereffekten temporär wieder zulegen dürfte. Dies spricht klar gegen einen drastischen Zinssenkungskurs in den kommenden Monaten und für eine weiterhin nur schrittweise Anpassung in Richtung des neuen Normals. Gleichzeitig scheinen die Aufwärtsrisiken für den Inflationsausblick aus EZB-Sicht weiter gering. Denn die Finanzierungskonditionen seien weiter restriktiv, und die Dynamik von Konsum und Investitionen bleibe schwach. Deshalb wurde auch die Wachstumsprognose für 2024 und 2025 erneut leicht gesenkt. Die Lohndynamik bewegt sich laut Lagarde zumindest in die richtige Richtung.
Aussichten für Anleger
Die EZB dürfte die Zinsen bis Jahresende noch einmal senken. Eine erneute Senkung bereits im Oktober ist aber keinesfalls sicher. Darauf deuten auch die neuen Inflationsprognosen der Notenbank hin. Obwohl sie ihre Geldpolitik als restriktiv einschätzt, meidet die EZB Vorfestlegungen und bleibt rein datenabhängig. Auch mit Blick auf Europa sollten Anleger deshalb nicht zu stark auf einzelne Zinsschritte oder einen raschen Rückgang in Richtung alter Tiefs wetten.
Von Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz