Künstlicher Boom
Die chinesische Zentralbank hat Ende September ein umfassendes Stützungspaket für die Kapitalmärkte vorgestellt. Sie hat den kurzfristigen Zinssatz zur Refinanzierung von 1,7 auf 1,5 Prozent und der Reservesatz um 50 Basispunkte gesenkt. Daraufhin machten die Kurse der chinesischen Festlandsbörsen einen Sprung von 30 Prozent. Die Maßnahmen sollen 1 Billion Yuan (rund 140 Mrd. US-Dollar) für zusätzliches Wachstum freisetzen. Zusätzlich plant die Zentralbank, die Immobilienbranche durch die Senkung der Hypothekenzinsen und die Lockerung der Regeln für den Kauf von Zweitwohnungen zu stützen. Der angeschlagene Immobilienmarkt soll so wieder in Schwung gebracht werden. „Schließlich muss die Regierung von Präsident Xi Jinping das selbst gesetzte Wachstumsziel von 5 Prozent für dieses Jahr irgendwie erreichen“, so Wallwitz.
Wie ernst ist es China mit der Konjunkturbelebung?
Nach seiner Überzeugung wurden viele Quant-Manager durch die Ankündigungen der PBC auf dem falschen Fuß erwischt. „Diese Akteure mussten nun rasch China-Positionen aufbauen, wodurch die Kurse zusätzlich befeuert wurden. Nachdem die Festlandsbörsen in der auf den Nationalfeiertag folgenden Golden Week geschlossen waren, ging es in der Folgewoche noch einmal kurz bergauf, bevor sich Zweifel verbreiteten, ob das Stimuluspaket ausreichend dimensioniert sei.“ Insbesondere das bisherige Schweigen der Behörden über konkrete fiskalische Maßnahmen legte Wallwitz zufolge die Frage nahe: „Wie ernst ist es der Regierung wirklich mit der Unterstützung des Aktienmarktes, der ihr bisher eher egal zu sein schien? Können Anleger, die die China-Rally bisher verpasst haben, nun beruhigt sein?“
Wirtschaftswachstum geht am Aktionär vorbei
Für den Experten scheint klar, dass nicht nur die monetäre Unterstützung, sondern auch ein Teil des noch nicht spezifizierten Konjunkturprogramms schon am Aktienmarkt eingepreist sein dürfte. Bei Eyb & Wallwitz äußert man Zweifel, ob sich das Land angesichts seiner demografischen Entwicklung mit der künstlichen Beatmung des Immobilienmarkts trotz bestehender und augenscheinlicher Überkapazitäten im Wohnungsmarkt einen Gefallen tut. „Wohnungen, in die niemand einzieht, werden für Vermieter auch durch niedrigere Zinsen nicht attraktiver.“ Gerade Anleger mit einem langfristigen Horizont tun gut daran, einen Blick auf die Qualität des chinesischen Aktienmarkts und die vermeintlichen Trends zu werfen. Wallwitz rät zu prüfen, ob Gewinne gemacht werden und ob sie auch beim Aktionär ankommen.
Besser in echte Marktwirtschaften investieren
Der Aufstieg Chinas hat die Weltwirtschaft gründlich verändert, insbesondere seit dem Beitritt zur WTO im Jahr 2001. Chinas Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung (zu Kaufkraftparität) ist dank teilweise zweistelliger Wachstumsraten auf 19% gestiegen. „Der planwirtschaftliche Aufstieg Chinas findet jedoch keine Entsprechung bei den Aktienrenditen. China ist in den letzten beiden Jahrzehnten kaum besser gelaufen als Europa, obwohl es ganz andere Wachstumsraten hatte in den vergangenen Jahrzehnten. Und angesichts politisch gewollter Überkapazitäten zum Beispiel im Bereich Elektromobilität sollten Anleger nicht naiv sein und goldene Jahre für chinesische Aktien erwarten, sondern lieber in Ländern wie beispielsweise in den USA oder der Schweiz investieren, in denen die Marktwirtschaft noch etwas gilt“, schreibt Georg von Wallwitz.