Auf ihrer Sitzung hat die EZB ihren Leitzins (Einlagensatz) wie erwartet erneut um 25 Bp auf 2,0% gesenkt. Hintergrund war eine deutliche Abwärtsrevision der Inflationsprognosen. So erwartet die EZB nun, dass die Inflationsrate wie auch die Kerninflationsrate 2026 unter dem 2%-Ziel liegen werden. Der vorsichtig optimistische Wachstumsausblick für 2026 wurde dagegen bestätigt. Das Statement des EZB-Rates zur Entscheidung klingt zwar insgesamt etwas taubenhafter als bei der letzten Sitzung. Auf der Pressekonferenz hat Lagarde aber klar gemacht, dass die EZB sich auf dem neuen Zinsniveau ausgewogen aufgestellt sieht. Solange sich die Wirtschaft also entlang der neuen EZB-Projektionen entwickelt, dürfte der Zinssenkungszyklus beendet sein. Weitere Zinssenkung sind dann wahrscheinlich, wenn die Wirtschaft nach unten aus dem Basisszenario herausfällt. Das ist vor allem dann zu erwarten, wenn sich die Handelsstreitigkeiten fortsetzen und der Außenhandel auch über eine weitere Aufwertung des Euro stark gebremst wird. Sollte das so kommen, ist mit einer deutlicheren Lockerung der Geldpolitik zu rechnen. Die aktuell am Markt gepreiste Zinssenkung bis Jahresende um 25 Bp erscheint dagegen in keinem der Szenarien als sehr wahrscheinlich.
Aussichten für Anleger
Die EZB hat das Signal gegeben, dass sie ihre geldpolitischen Ziele derzeit als erreicht ansieht. Gleichzeitig hält sie sich alle Optionen offen, auf Abwärtsrisiken zu reagieren und die Leitzinsen in diesem Fall auch deutlicher zu senken. Für Anleger bedeutet das, dass der Rückenwind durch die Geldpolitik künftig etwas schwächer werden könnte. Allerdings übernehmen die grenzüberschreitenden Kapitalströme zunehmend diese Funktion. Denn die erratische US-Wirtschaftspolitik und der Wille zur Schwächung des Dollars durch die Trump-Administration führen zu einer Umlenkung der globalen Kapitalströme, insbesondere im Anleihenbereich, von der neben Asien auch Europa besonders profitieren dürfte.
Von Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz