- Die Labour-Partei hat die Wahlen in Großbritannien gewonnen und ist damit zum ersten Mal seit 2010 wieder an der Macht.
- Unter einer Labour-Regierung könnte es zu wichtigen politischen Veränderungen kommen, die sich auf die Inflation und das Wirtschaftswachstum auswirken könnten.
- Von der neuen Regierung wird ein vorsichtiger finanzpolitischer Kurs und eine Fortsetzung der Arbeitsmarktreformen erwartet.
Der Wahlsieg der Labour-Partei von Sir Keir Starmer bei den Parlamentswahlen in Großbritannien ebnet den Weg für politische Veränderungen mit potenziellen makroökonomischen Auswirkungen. Auch wenn einige dieser Maßnahmen die Inflation über dem Zielwert halten könnten, dürften andere politische Pläne – vor allem auf der Angebotsseite – das britische Wirtschaftswachstum mittelfristig stützen.
Im Folgenden wird die voraussichtliche Vorgehensweise der neuen Labour-Regierung in den drei wichtigen Politikfeldern sowie deren Auswirkungen auf die britische Wirtschaft analysiert.
1. Fiskalpolitik: vorsichtiger Ansatz erwartet
Von der neuen Regierung wird erwartet, dass sie sich an die geltenden Haushaltsregeln hält, nach denen die Staatsverschuldung im Verhältnis zum jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) innerhalb von fünf Jahren gesenkt werden muss.Die Schuldenquote in Großbritannien liegt derzeit bei fast 100% des BIP. Der fiskalische Spielraum ist begrenzt, und es ist unwahrscheinlich, dass die neue Regierung größere Ausgabenerhöhungen oder Steuersenkungen ankündigen wird. Der erste Haushalt soll im Herbst vorgelegt werden, wobei ein vorsichtiger Ansatz erwartet wird. Während des gesamten Wahlkampfs hat die Labour-Partei ihr Engagement für fiskalische Verantwortung betont, um Investoren zu versichern, dass sie eine Wiederholung des Chaos vermeiden wird, das die frühere konservative Premierministerin Liz Truss im September 2022 mit der Ankündigung ungedeckter Steuersenkungen bei britischen Staatsanleihen ausgelöst hatte. Sollte es zu einem Ausgabendefizit kommen, wird die neue Regierung wahrscheinlich eher zusätzliche Steuern erheben, als die Kreditaufnahme zu erhöhen.
2. Arbeitsmarktreformen: umsichtiges Handeln
Die neue Regierung wird nach unserer Einschätzung arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ergreifen, um soziale Ungleichheiten zu verringern, und könnte deshalb bald Reformen ankündigen. Dazu könnte die Anhebung des Mindestlohns und seine Koppelung an die Inflation gehören, damit die Arbeitnehmer einen Lohn erhalten, der den Lebenshaltungskosten entspricht. Solche Maßnahmen dürften Geringverdienern helfen und die Einkommensunterschiede verringern. Allerdings muss die Regierung bei der Ausgestaltung dieser Maßnahmen darauf achten, dass sie den Inflationsdruck in der Wirtschaft nicht erhöhen. Andernfalls könnten die Zinssätze noch länger hoch bleiben.
Die neue Regierung könnte sich auch für Änderungen bei den Null-Stunden-Verträgen einsetzen und den Arbeitnehmern vom ersten Arbeitstag an mehr Rechte einräumen. Diese Maßnahmen dürften zu gerechteren Beschäftigungsbedingungen auf breiter Front führen. Der britische Arbeitsmarkt ist derzeit recht flexibel, insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Dies ermöglicht eine wesentlich schnellere Anpassung an negative Schocks und eine niedrigere Arbeitslosenquote. Die neue Politik muss so gestaltet werden, dass diese wichtigen Vorteile des britischen Arbeitsmarktes nicht geopfert werden. Die Kommunikation während des Wahlkampfes deutet darauf hin, dass die neue Regierung diese Faktoren berücksichtigen wird, aber wir werden erst sehen, ob diese Maßnahmen einen Einfluss auf die Flexibilität des Arbeitsmarktes haben werden, wenn sie umgesetzt sind.
3. Reformen auf der Angebotsseite - schwierig umzusetzen, aber wirtschaftlich lohnend, wenn es gelingt
Die neue Regierung wird wahrscheinlich versuchen, Reformen im Wohnungs- und Planungssektor durchzusetzen, die, wenn sie radikal genug sind, die potenzielle Wachstumsrate der Wirtschaft erhöhen könnten. Dies mag auf der politischen Ebene kostspielig sein, aber die langfristigen wirtschaftlichen Vorteile für Großbritannien könnten sich auf lange Sicht als beträchtlich erweisen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie schnell eine solche umfassende Planungsreform umgesetzt werden kann.
Auch das aktuelle Verhältnis Großbritanniens zur EU muss berücksichtigt werden. Obwohl die Labour-Partei nicht versuchen wird, den Brexit rückgängig zu machen, könnte sie eine engere Bindung an die EU anstreben, um einige der derzeitigen Handelskonflikte mit der Gruppe aus den 27 EU-Mitgliedern abzubauen. Wie bei der Reform des Wohnungswesens würde dies sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und umfangreiche Verhandlungen erfordern. Eine engere Beziehung zwischen Großbritannien und der EU würde jedoch wahrscheinlich zu einem Anstieg des potenziellen BIP und zu einer Belebung der Investitionen führen.
Insgesamt wird von der neuen Regierung, zumindest kurzfristig, ein vorsichtiger finanzpolitischer Ansatz erwartet. Dies ist ein ermutigender Schritt und sollte dazu beitragen, das Vertrauen der Märkte zu erhalten. Auch wenn gewisse Risiken bestehen, dass neue Regulierungen die Flexibilität des Arbeitsmarktes einschränken könnten, besteht die Möglichkeit, dass angebotsseitige Reformen die britische Wirtschaft unterstützen, die seit dem Brexit-Votum im Jahr 2016 hinter anderen Ländern zurückgeblieben ist. Ein solcher Fortschritt wäre zu begrüßen, könnte aber aufgrund der Komplexität der Umsetzung einige Zeit in Anspruch nehmen.
Von Quentin Fitzsimmons, Portfoliomanager Anleihenbereich bei T. Rowe Price