China unternimmt einen entscheidenden Schritt, um eine seiner dringendsten wirtschaftlichen Herausforderungen anzugehen: die Involution. Der Begriff, mittlerweile fest im chinesischen Sprachgebrauch verankert, beschreibt einen Kreislauf übermäßigen Wettbewerbs, in dem Unternehmen immer mehr Aufwand für immer geringere Erträge betreiben – oft, indem sie Preise senken und Kapazitäten ausweiten, nur um zu überleben. Von Elektrofahrzeugen und Solarmodulen bis hin zu Stahl und Logistik hat die Involution viele Branchen mit hauchdünnen Margen und nicht nachhaltigen Wachstumsmodellen zurückgelassen.
Als Reaktion darauf hat Peking eine umfassende „Anti-Involution-Kampagne“ gestartet, um Überkapazitäten einzudämmen und Schlüsselbranchen ins Gleichgewicht zu bringen. Die durch die Zentralkommission für Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten aufgewertete Initiative markiert eine Rückkehr zu angebotsseitigen Reformen und erinnert an die erfolgreichen Programme von 2015–2016, durch die Branchen umgestaltet und die Rentabilität gesteigert wurden. Diesmal ist der Fokus jedoch gezielter. Stahlwerke in Tangshan sollen ihre Produktion um 30% drosseln, Kohlebergwerke unterliegen einer strengeren Durchsetzung von Förderquoten, und Zement- und Glashersteller stehen unter verschärfter behördlicher Aufsicht. In der Landwirtschaft wollen die Behörden den Schweinebestand um eine Million Tiere verringern, um das Angebot an Schweinefleisch zu stabilisieren. Gleichzeitig koordinieren Solarglas- und Polysiliziumhersteller Produktionskürzungen, und Regulierungsbehörden greifen in die Preisgestaltung im Markt für Elektrofahrzeuge und bei Essenslieferplattformen ein, um destruktiven, preisgetriebenen Wettbewerb zu beenden.
Im Gegensatz zum vorherigen Reformzyklus konzentriert sich die heutige Überkapazität auf privatwirtschaftlich geführte „New-Economy“-Branchen und nicht auf staatliche vorgelagerte Sektoren. Diese Verschiebung bringt neue Herausforderungen mit sich: Administrativ verordnete Produktionskürzungen ohne ausreichende Nachfrageunterstützung könnten das BIP-Wachstum und die Beschäftigung dämpfen und das Risiko einer anhaltenden Disinflation bergen. Dennoch dürften ausgewählte Branchen und Unternehmen von der politischen Wende profitieren.
Zu den potenziellen Gewinnern zählen Anhui Conch Cement und J&T Express. Anhui Conch könnte – trotz schwacher Nachfrage im Immobiliensektor – von strengen Produktionskontrollen in Regionen mit hoher Auslastung profitieren. J&T Express, ein Logistikunternehmen mit wachsender Präsenz in der ASEAN-Region und in Lateinamerika, dürfte Vorteile haben, wenn sich der inländische Wettbewerb unter regulatorischer Anleitung entspannt. Im Rohstoffbereich sind die CMOC Group, ein führender Kupferproduzent, und China Jushi, einer der weltweit größten Glasfaserhersteller, gut positioniert, um von einer verbesserten Angebots-Nachfrage-Dynamik und möglichen Preiserhöhungen bei Produkten für Windkraftanlagen und Elektrofahrzeuge zu profitieren.
Mit weiteren Maßnahmen, die auf dem bevorstehenden Vierten Plenum und der Zentralen Wirtschaftskonferenz erwartet werden, könnte Chinas Anti-Involution-Kampagne einen Wendepunkt in der Modernisierung der Industrie markieren. Auch wenn flächendeckende Gewinne begrenzt sein dürften, signalisiert der Wandel von volumengetriebenem Wachstum hin zu Qualität und Nachhaltigkeit eine Entwicklung, die es zu beobachten gilt – für politische Entscheidungsträger, Investoren und globale Lieferketten gleichermaßen.
Von Clarence Li, Investment Specialist Aktien bei T. Rowe Price
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