Für engagierte Quality Growth Anleger boten die vergangenen Jahre eine ungewöhnliche Reihe von Herausforderungen. Die wichtigste davon war der sprunghafte Anstieg der langfristigen Anleiherenditen – ausgelöst durch den Krieg in Europa und getrieben von einem scharfen, wenn auch nur vorübergehenden, Anstieg der Inflationskräfte. Viele dieser Kräfte haben inzwischen eindeutig nachgelassen. Dennoch sind zahlreiche Beobachter, Kommentatoren, Investoren und insbesondere die Presse weiterhin bestrebt, die Entwicklung jener natürlichen deflationären Tendenzen zu leugnen, die sich – zumindest in einigen führenden Volkswirtschaften, allen voran China – sogar noch verstärkt haben.
Ein Resultat daraus ist, dass die Bewertung von Quality Growth Unternehmen weiterhin stark von den Renditen langfristiger Staatsanleihen abhängt. Auch wenn erfahrene Anleger zustimmen werden, dass Anleihemärkte kurzfristig die Aktienkursentwicklung beeinflussen, ist dieser Zusammenhang durch die enorme Zunahme des Volumens an Staatsverschuldung und Staatsanleihen in den vergangenen über vierzig Jahren besonders deutlich geworden.
Dieser Bewertungsdruck auf die Aktienkurse von Quality Growth Unternehmen steht in direktem Gegensatz zur in der Regel kaum oder gar nicht vorhandenen Nettoverschuldung in deren Bilanzen. Und obwohl der Kursdruck bei schuldenfreien oder nur gering verschuldeten Quality Growth Unternehmen langfristig denkenden Anlegern eine attraktive Einstiegsmöglichkeit bietet – wie aktuell der Fall – braucht es in der Regel mehrere Jahre, bis sich diese Entscheidung als richtig erweist.
Dennoch: Die Geschichte wiederholt sich – wie immer…
Dies ruft unweigerlich das alte Sprichwort in Erinnerung: «Gewinne bestimmen die Aktienkurse». In den vergangenen zwei Jahren fanden jene Anleger, die dieser Aussage widersprechen, durchaus Argumente dafür, das Prinzip eher als leere Floskel denn als belastbare Wahrheit abzutun. Denn obwohl die Gewinne vieler Quality Growth Unternehmen – wie meist – robust ausfielen, spiegelte sich diese Stärke nicht in den Aktienkursen wider, da deren Entwicklung primär von den langfristigen Anleiherenditen beeinflusst wurde – und eben nicht von den Gewinnen.
Tatsächlich war es in dieser Zeit schwer, gegen diese Sichtweise zu argumentieren – insbesondere dann, wenn kurzfristige Wachstumspausen oder seltene Gewinnwarnungen brutal und oft mit deutlichen Kursverlusten quittiert wurden.
Für Anleger in Quality Growth Unternehmen stellte ein weiterer «Stolperstein» die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz dar – und insbesondere jene Unternehmen, die an der Spitze dieser Bewegung stehen oder sich in deren unmittelbarer Nähe befinden. Nur wenige Fondsmanager – mit Ausnahme der echten Quality Growth Anleger – konnten der Versuchung widerstehen, dem allgemeinen Markttrend zu folgen und auf die Momentum-Welle von Chip-Herstellern oder zyklischen Unternehmen aufzuspringen. Dabei übersteigt die Vertrautheit mit deren Aktienkursen bei weitem das erforderliche tiefgreifende Verständnis der zugrunde liegenden Geschäftsmodelle – und, noch wichtiger, die Transparenz ihrer zukünftigen Erträge. Doch genau dieses vertiefte Verständnis ist entscheidend für eine fundierte Risikobewertung.
Für kurzfristig orientierte Anleger mag dies eine Art Allheilmittel sein. Doch für langfristig ausgerichtete Investoren in Quality Growth Unternehmen, die sich an dem bewährten Prinzip orientieren, dass nachhaltige Gewinne langfristig die Aktienkurse bestimmen, ist die Herausforderung offensichtlich. Noch bedeutsamer ist jedoch das Risiko, die strukturelle Integrität und das Risikomanagement eines Portfolios zu untergraben, indem man das Handtuch wirft und auf einen fahrenden Zug mit wackeligen Rädern aufspringt.
Eine weitere Herausforderung für Quality Growth Anleger besteht darin, dass etablierte Aktienindizes seit jeher als heiliger Gral für Investoren und Berater gelten. Sie dienen als Benchmark, an der sämtliche Anlageergebnisse gemessen werden sollen – über alle Anlagestile hinweg besteht in dieser Hinsicht weitgehend Einigkeit. Doch diese Benchmark wird in der Regel als reiner Renditemaßstab verstanden, nicht als ein Bezugspunkt für Risiko. Mit einem echten Vergleichsuniversum von Quality Growth Unternehmen – wie wir es bei Seilern seit Jahrzehnten beobachten – hat sie wenig bis gar nichts gemein.
Der wahre Quality Growth Anleger orientiert sich an einem Universum von Quality Growth Unternehmen – und nicht an einem Benchmark, der ein Sammelsurium an Firmen mit höchst unterschiedlichen Risikoprofilen umfasst, deren langfristige Ertragskraft kaum messbar oder oftmals gar nicht existent ist. Im Gegensatz dazu bestimmen die zehn Goldenen Regeln des Quality Growth Investierens den Umgang mit Risiken in einem solchen Anlageansatz. Diese Risiken wurden in diesen Newslettern bereits vielfach thematisiert – und sie verändern sich nicht im Zeitverlauf. Viele sogenannte «Faktoren» hingegen entstehen aus kurzfristigen Markttrends, Themen oder gar Modeerscheinungen, wobei sie den grundlegenden Anforderungen an eine wirksame Risikominderung, wie sie jeder seriöse Anleger stellen sollte, kaum gerecht werden.
Die zehn Goldenen Regeln des Quality Growth Investierens bilden das Fundament für risikobereinigte Renditen über lange Zeiträume. Die Performance eines echten Quality Growth Portfolios sollte daher nicht im Vergleich mit einer willkürlichen Gruppe börsennotierter Unternehmen gemessen werden, sondern im Kontext eines Universums gleichartiger Qualitätsunternehmen. Dieses Peer Group-Universum schließt auch Unternehmen ein, die sich aktuell nicht im Portfolio befinden – jedoch nicht aufgrund von Risikoüberlegungen, sondern zur Einhaltung von Regeln der Portfoliokonstruktion.
Dies ist der wahre Benchmark, an dem sich ein Portfolio aus Quality Growth Unternehmen messen lassen sollte.
Für viele Anleger ergeben sich langfristige Renditen aus einer Aneinanderreihung kurzfristiger Anlageergebnisse. Doch unabhängig davon, ob diese Beobachtung zutrifft oder nicht – sie lässt sich nicht auf Quality Growth Unternehmen und deren zugrunde liegende Geschäftsrisiken übertragen.
Um dieses Prinzip besser zu verstehen, lohnt es sich, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass der wesentliche Werttreiber eines Quality Growth Unternehmens langfristiger Natur ist – nämlich der sogenannte Terminalwert. Was bedeutet das konkret und wie wird dieser Terminalwert berechnet?
Im Gegensatz zu durchschnittlichen Unternehmen, deren Erfolg weitgehend von externen Ereignissen oder Konjunkturzyklen abhängt, sind für Quality Growth Unternehmen die Einhaltung der zehn Goldenen Regeln entscheidend – sowohl für ihr langfristiges Überleben als auch für ihr überdurchschnittliches Wachstum. Während sich bei herkömmlichen Unternehmen das Wachstum von Gewinn und Umsatz mit vertretbarer Genauigkeit nur für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren in die Zukunft prognostizieren lässt, verhält es sich bei Quality Growth Unternehmen grundlegend anders.
Aufgrund der Stabilität und Prognostizierbarkeit ihrer Ertragsströme sowie der in der Regel nicht vorhandenen Nettoverschuldung in der Bilanz ist es möglich, ihre zukünftige Profitabilität mit einem gewissen Maß an Genauigkeit über einen deutlich längeren Zeitraum – mitunter bis zu zehn Jahre – vorauszuschätzen. Genau darin liegt bei Seilern seit jeher der Kern unserer Research- und Analysearbeit.
Analysten durchschnittlicher, zyklischer Unternehmen stützen ihre Bewertung, ob eine Aktie «günstig» oder «teuer» ist, auf ein Vielfaches der prognostizierten Gewinne für zwei oder drei Jahre – wie zuvor beschrieben. Der heutige Aktienkurs wird durch die erwarteten Gewinne in einem, zwei oder drei Jahren geteilt, um die Attraktivität der Aktie zu beurteilen. Eine weitergehende Analyse ist für eine Investitionsentscheidung weder möglich noch erforderlich.
Diese Entscheidung wird höchstwahrscheinlich kurzfristigen Einflüssen unterliegen – und entsprechend häufig angepasst werden.
Der Ansatz zur Bewertung der Attraktivität – oder eben mangelnden Attraktivität – von Quality Growth Unternehmen unterscheidet sich daher grundlegend. Hierbei werden langfristige Gewinnerwartungen weit in der Zukunft mit einem angemessenen Diskontierungsfaktor auf den heutigen Wert abgezinst. Vergleicht man das Ergebnis dieser Berechnung mit dem aktuellen Aktienkurs, wird deutlich: Der Löwenanteil des Unternehmenswerts ergibt sich aus der verlässlichen Erwartung künftiger, weiter entfernter Gewinne.
Es versteht sich von selbst, dass eine Vielzahl von Faktoren diesen wachsenden Ertragsstrom aus dem Gleichgewicht bringen kann – auch wenn seine Verlässlichkeit, wie erwähnt, auf der Einhaltung der zehn Goldenen Regeln des Quality Growth Investierens basiert. Einige dieser Faktoren wurden in den vergangenen Jahren politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit sichtbar. Selbst tiefgreifendes Research in die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen kann Anleger nicht vollständig vor externen Einflüssen schützen, die sich ihrer Kontrolle entziehen – etwa durch geopolitische Entwicklungen oder regulatorische Eingriffe, oder beides.
Ein deutliches Beispiel hierfür ist der Versuch, die bestehende Weltwirtschaftsordnung zu demontieren – sei es durch überholte Formen des Merkantilismus oder durch die unberechenbare Politik des aktuellen Bewohners des Weißen Hauses. Was dem Quality Growth Anleger dennoch besonders aufgefallen ist: die anhaltende Ertragskraft vieler dieser Unternehmen – trotz Gegenwinds, der sich ihrer Kontrolle vollständig entzieht.
Dies zeigt, dass die Aktienkurse der meisten dieser Unternehmen nicht durch deren Gewinne beeinflusst wurden, sondern vielmehr durch den impliziten Diskontierungssatz, den die langfristigen Anleiherenditen an den Rentenmärkten vorgeben. Nur bei enttäuschenden Gewinnen kam es zu einer regelrechten Abstrafung – deutlich heftiger als in früheren Jahren mit niedrigen oder gar negativen Zinsen. Positive Gewinnüberraschungen hingegen quittierte der Markt meist nur mit einem Achselzucken…
Wenn es um die kurzfristige Marktbewertung von Quality Growth Unternehmen geht, stellt sich für Anleger vor allem eine grundlegende Frage: In welche Richtung entwickeln sich die langfristigen Anleiherenditen weltweit? Wird Trumps Aggressionskurs – wie von den meisten Beobachtern erwartet – zu einer Rückkehr der Inflation führen? Oder werden sich die natürlichen disinflationären Kräfte, die bislang die Weltwirtschaft geprägt haben, als dauerhaft erweisen – und womöglich durch den Vormarsch der künstlichen Intelligenz sowie anderer noch unbekannter Faktoren sogar verstärkt?
Mit anderen Worten: War der jüngste Inflationsschub lediglich ein vorübergehender Schreckmoment – oder bleibt er bestehen? Und wenn ja, bedeutet das, dass die Anleiherenditen auf absehbare Zeit hoch bleiben werden?
Eine vertiefte Diskussion darüber, was die Preise von Anleihen bewegt – ein Thema, das mindestens ebenso wichtig ist wie die entsprechende Diskussion an den Aktienmärkten – soll an anderer Stelle geführt werden. Es genügt festzuhalten: Auch wenn Anleihekurse kurzfristig oder mittelfristig die Bewertungen an den Aktienmärkten dominieren und dabei besonders Unternehmen mit langfristigem Anlagehorizont in ihren Bann ziehen, so sind es letztlich die Gewinne – und deren Vorhersehbarkeit – die auf lange Sicht das entscheidende Kriterium bleiben.
Infolgedessen notieren viele Quality Growth Unternehmen derzeit auf Bewertungsniveaus, deren langfristige Attraktivität klar erkennbar ist – wenn auch meist nur für jene Anleger, die über Geduld und einen unbegrenzten Zeithorizont verfügen. Doch genau solche Investoren sind die Ausnahme, nicht die Regel. Und so werden die in den heutigen Aktienkursen enthaltenen, langfristig erwartbaren Renditen dieser Quality Growth Unternehmen auch diesmal nur von einer Minderheit realisiert werden. Die Entscheidung, darauf zu verzichten, liegt bei jedem selbst.
Von Peter Seilern, Chairman der Seilern International AG
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