"Auf den ersten Blick ist scheinbar alles bestens an den Finanzmärkten. An einigen Börsen wurden erst kürzlich wieder neue Jahreshöchststände erreicht und die Konjunktur- und Unternehmensgewinndaten stellen sich weiter positiv dar. Erst auf den zweiten Blick und insbesondere für Euro-Investoren fällt die Betrachtung etwas nüchterner aus. So kratzt die Wertentwicklung des Weltaktienindex auf Eurobasis seit Jahresbeginn infolge der deutlichen Euroaufwertung aktuell an der Nulllinie. Aber auch die rein europäischen Aktienindizes haben in den letzten drei Monaten einige Prozente nachgegeben, was unter anderem mit negativen Gewinnrevisionen infolge des stark gestiegenen Euros zusammenhängt.
Von den zahlreichen, an den Märkten zunächst sehr positiv aufgenommenen wirtschaftspolitischen Ankündigungen seitens der neuen US-Administration unter Präsident Trump ist bislang weder etwas konkret beschlossen noch faktisch umgesetzt worden. Es bleibt bis dato bei Absichtserklärungen hinsichtlich Finanzmarkt-Deregulierungen, Infrastrukturmaßnahmen oder Steuerreform. Des Weiteren wird die US-Notenbank Fed wohl bald verlautbaren, wie stark sie ihre Bilanzsumme reduzieren will und ob sie in diesem Jahr noch einmal die Zinsen erhöht. Bei der EZB drängt die Frage, ab wann das Tempo des Anleihekaufprogramms verlangsamt wird – und um wie viel. Auf beiden Seiten des Atlantiks befindet sich die Geldpolitik gewissermaßen in einer Anpassungsphase. In den USA muss darüber hinaus in Kürze der Kongress den Haushalt 2018 beschließen, außerdem könnte Anfang Oktober erneut die Schuldenobergrenze erreicht werden. Alleine diese finanzpolitischen Themen haben durchaus das Potential, die Finanzmärkte – zumindest temporär – zu belasten. Zum Sommerausklang sind wir daher hinsichtlich globaler Aktien abwartend.
Aktien – Europa und Emerging Markets mit soliden Bewertungsniveaus
Wir sehen vor allem den wichtigen US-Aktienmarkt im historischen Vergleich als bereits sehr teuer bewertet. Der Blick auf die Gewinnrevisionen in Europa zeigt (trotz negativen Revisionen in den letzten Wochen) hingegen in Summe ein positives Bild. Die Gewinnerwartungen für das Gesamtjahr 2017 sind deutlich positiv und wurden seit Jahresbeginn spürbar angehoben. Die konjunkturelle Erholung der letzten Quartale spiegelt sich damit auch in einer besseren Gewinndynamik bei den Unternehmen wider. Angesichts der in den letzten Jahren gestiegenen Bewertungen ist diese Gewinnerholung aber auch dringend notwendig, um Raum für weitere Kursanstiege zu schaffen. Emerging Markets-Aktien konnten im vergangenen Monat nur durch den starken Euro-Wechselkurs gebremst werden. Denn alle anderen Komponenten zeigen im vergangenen Monat eine äußerst ansprechende Entwicklung. Die Bewertungen sind zwar angestiegen, befinden sich aber noch immer auf soliden Niveaus.
Staatsanleihen – Zinsrisiko weiter reduzieren
Die Renditen der wichtigsten Staatsanleihenmärkte befinden sich auf extrem niedrigen Niveaus. Auf Sicht der nächsten 5 Jahre erwarten wir sehr niedrige (bzw. zum Teil negative) Erträge. Wir mischen in unseren Portfolios verstärkt inflationsindexierte Anleihen bei und haben das Zinsrisiko weiter reduziert. Emerging Markets-Veranlagungen zeigen unverändert eine attraktive Verzinsung und auch Währungen, die im historischen Vergleich noch immer günstig bewertet sind.
Unternehmensanleihen – anfällig für schlechte Nachrichten
Im Bereich der Unternehmensanleihen sehen wir die Bewertungen (Renditeaufschläge vs. Staatsanleihen) zunehmend kritisch (vor allem europäische High Yield-Anleihen). Das Ausbleiben von Aussagen zur Zukunft von QE seitens der Zentralbanken bei der Konferenz in Jackson Hole dürfte einige Marktteilnehmer enttäuscht haben. Es scheint, als wäre der Markt anfällig für schlechte Nachrichten.
Reale Assets – Preise der Energierohstoffe sollten von Rückgang der Lagerbestände profitieren
Die zyklischen Industriemetalle konnten in den letzten Wochen deutlich zulegen. Maßnahmen der letzten beiden Jahre auf der Angebotsseite (stark reduzierte Investitionen) sowie die verbesserten globalen Konjunkturaussichten zeigen hier Wirkung. Neben der weiterhin hohen politischen Unsicherheit konnten die Edelmetalle auch von einem schwächeren US-Dollar (handelsgewichtet) profitieren. Bei den Energierohstoffen erwarten wir im Laufe des zweiten Halbjahrs, dass ein fortschreitender Rückgang bei den Lagerdaten die Preise unterstützt. Wir sind hinsichtlich der Entwicklung der Anlageklasse Rohstoffe für die nächsten Monate unverändert positiv gestimmt."
Ingrid Szeiler, Chief Investment Officer, Raiffeisen KAG*
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* Die Raiffeisen KAG steht für Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.