Zinsanhebungen durch die US-Notenbank führen früher oder später dazu, dass sich die Konjunktur wieder abschwächt. Oft ist eine Rezession die Folge. Als professioneller Anleger ist es allerdings nicht angebracht, auf die Effekte in der Realwirtschaft zu warten. In aller Regel werden die Kapitalmärkte die Eintrübung der Daten vorwegnehmen. Es reagieren allerdings nicht alle Märkte gleichzeitig. Manche Segmente bewegen sich früher, während andere Teilbereiche erst mit Verzögerung beginnen, ein sich änderndes Umfeld einzupreisen. Beispielsweise erreichten Immobilienwerte im letzten Abschwung bereits im Jänner 2007, der US-Gesamtmarkt im Oktober 2007 und Grundstoffwerte erst im Mai 2008 ihre jeweiligen Höchststände. Im vorletzten Abwärtszyklus hatten Wachstumswerte bereits im März 2000 ihr Höchst, während Value-Aktien noch fast ein Jahr lang weitergestiegen sind. Sehr oft sind es die fundamental schwächsten Segmente, bei denen das Anziehen der Geldpolitik zu allererst spürbar wird. Dies ist insofern nachvollziehbar, als dort eine Einschränkung der Kapitalmarktliquidität sowie auch eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen am schnellsten zu Stresssymptomen führen. Anfang der 2000er Jahre waren dies die grotesk hoch bewerteten Technologiewerte und in der Finanzkrise betraf dies alles, was mit US-Immobilien zu tun hatte. Die Analyse der Vergangenheit fällt natürlich leicht, aber wie sieht es im aktuellen Zinsanhebungszyklus mit der Zukunft aus? Auch heute können wir schon Stress im Zusammenhang mit höheren US-Zinsen beobachten, nämlich in den Schwellenländern. Ja, hier gibt es spezifische Länderthemen. Es fällt aber trotzdem auf, dass auf jedem Kontinent zumindest eine Währung massiv abwertet. Gleichzeitig notieren viele US-Aktien auf Höchstständen und US High Yield-Spreads nahe der Tiefststände. Solche Divergenzen sind, wie oben beschrieben, in der Spätphase des Marktzyklus normal. Diese kann durchaus noch länger dauern und zwischenzeitlich auch wieder Marktchancen bieten. Aktuell sind diese opak, weshalb wir bei unseren Gewichtungen an einer neutralen Ausrichtung festhalten.
Staatsanleihen: rasant flacher werdende US-Zinskurve sorgt für Diskussionen
An den Staatsanleihemärkten sorgen die rasant flacher werdende US-Zinskurve und entsprechende Rezessionssorgen – denen wir uns vorerst nicht anschließen – für Diskussionen. Derzeit befinden wir uns bei 10- bis 2-jährigen Staatsanleihen noch rund 20 Basispunkte vor einer inversen US-Zinskurve, was das Ergebnis der extrem starken wirtschaftlichen Dynamik der USA ist. In Anbetracht eines auf der Stelle tretenden Ölpreises und eines dementsprechend geringeren Inflationsdrucks schaffte es die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe nicht über die 3 %-Grenze und auch der Interkontinental-Spread (10-jährige US-Staatanleihen/10-jährige deutsche Staatsanleihen) stagniert seit Juni.
Risikoprämien an den EUR-Unternehmensanleihemärkten entwickeln sich unterschiedlich
Während bei den EUR High Yield-Anleihen an den Unternehmensanleihemärkten die Risikoprämien seit Anfang Juli deutlich gesunken sind, befinden sich diese bei Investmentgrade Unternehmensanleihen (EUR) wieder auf vergleichsweise hohen Niveaus. Die erstere profitieren von dem sehr guten makroökonomischen Umfeld deutlich stärker als es das Investmentgrade-Segment tut, da sich die Ausfallsraten in Europa und v.a. in den USA weiterhin im Sinkflug befinden. Wir erwarten mittelfristig jedoch engere Investmentgrade-Risikoprämien und damit eine Nachholbewegung in Relation zu anderen Risikomärkten.
Emerging-Markets-Anleihen: Handelskrieg zwischen USA und China beherrschendes Thema
Die Renditen von Emerging-Markets-Anleihen konnten bislang kein Comeback feiern und tendieren weiterhin stark nach oben. Neben individuellen Themen, wie etwa dem Verfall der türkischen Lira (inkl. Downgrade der Türkei gefolgt von mehreren türkischen Anleiheemittenten), bleibt der Handelskonflikt zwischen den USA und China das beherrschende Thema, zumal dieser die globalen Handelsaktivitäten eher bremst. Des Weiteren sollte ein zügiger US-Zinsanhebungspfad dafür sorgen, dass Emerging Markets Anleihemärkte relativ gesehen, zunehmend unattraktiver werden.
Entwickelte Aktienmärkte: starke regionale Unterschiede
Bei den entwickelten Aktienmärkten zeigten sich in den letzten Monaten starke regionale Unterschiede, wobei sich der US-Aktienmarkt einmal mehr positiv abheben konnte. Getragen wurde diese Entwicklung vor allem von einer sehr guten Berichtssaison (inkl. Effekten der US- Steuerreform). Wir sehen weiterhin in der anstehenden Liquiditätsrückführung der Notenbanken den bestimmenden Faktor, der in den kommenden Monaten für anhaltend mehr Volatilität an den Märkten sorgen wird. Im Bereich der Stimmungsindikatoren sind aktuell keine Extremwerte (positive oder negative) zu beobachten.
Aktienmärkte Schwellenländer: erhebliche Korrekturen in einigen Märkten
Über den Emerging Markets geht aktuell ein kräftiges Sommergewitter nieder und in manchen Regionen sind damit - metaphorisch gesprochen - verheerende Überflutungen (Türkei und Argentinien) verbunden. Dies findet ohne Zweifel seinen deutlichen Niederschlag auch an den Aktienmärkten, die erheblich korrigieren bzw. insbesondere gegenüber den USA deutlich verlieren. Kurzfristig sind wir, was Aktien aus diesen Regionen betrifft, skeptisch und bleiben zurückhaltend positioniert. Langfristig – wenn sich die Sommergewitter gelegt haben – sollte die aktuelle Situation aber Gelegenheit für interessante Investments darstellen.
Rohstoffe: langfristige Chancen weiterhin intakt
Während sich Energierohstoffe weiter sehr stabil präsentieren, mussten Industriemetalle und Edelmetalle zuletzt Kursrückgänge verbuchen. Ängste vor einer stärkeren Konjunkturabschwächung (vor allem in den Emerging Markets) und ein deutlich stärkerer US-Dollar erwiesen sich als Belastungsfaktoren. Aufgrund einer angespannteren Angebots-/Nachfragesituation und einer attraktiveren Kurvenstruktur (backwardation) sehen wir für diese Assetklasse mittelfristig aber weiterhin eine positive Kursentwicklung.
Ingrid Szeiler, CIO, Raiffeisen KAG