Der jüngste Anstieg der Teuerungsrate in den USA hat die meisten Beobachter überrascht. Mit 4,2 % lag die Inflation aber nicht nur weit über den Erwartungen, sondern auch auf einem Niveau, das nach der Finanzkrise nicht mehr zu sehen war. Spätestens mit dieser Veröffentlichung hat sich der Wind gedreht. Nach vielen Jahren relativ niedriger Inflation befürchten nun viele Anlegerinnen und Anleger, dass die Flut an Notenbankgeld und Staatsausgaben in den nächsten Jahren zu überbordenden Preisanstiegen führen wird. Und gerade Investoren müssen ein solches Szenario ja wirklich fürchten: sowohl die Sparer, deren Einlagen real noch weniger bringen als schon zuletzt, als auch die Anleger in Aktien und Anleihen, die ja in den letzten Jahren massiv von der lockeren Geldpolitik profitiert haben. Und sollte diese Geldpolitik – inflationsbedingt – nicht weiterverfolgt werden können, dann fiele wohl ein ganz wesentlicher Treiber der guten Performance der letzten Jahre weg.
Nicht zuletzt deshalb beeilen sich diverse Notenbanker in den letzten Wochen zu betonen, dass ein guter Teil des aktuellen Inflationsanstiegs von vorübergehender Natur sei. Und diesem Argument ist einiges abzugewinnen. Konsum und Investitionen haben sich aufgestaut, wie das Wasser in einem Schlauch mit Knick. Dieser Druck entlädt sich mit zunehmenden Öffnungen, was zunächst zu einem Anspringen der Nachfrage führt. Gepaart mit Lieferengpässen in einigen Branchen und Basiseffekten führt dies zu sprunghaft ansteigenden Inflationsraten. Vieles davon wird sich wieder einpendeln, wodurch die Notenbanken etwaige Bremsmanöver hinauszögern können. Diese Erwartung ergibt im Zusammenspiel mit einem sehr guten fundamentalen Umfeld einen positiven Aktienausblick. Anleihen bleiben unter Druck und sind nur selektiv interessant. Die Beimischung von Rohstoffen ist weiterhin attraktiv.
Staatsanleihen: Schwellenländer-Hartwährungsanleihen mit meisten Chancen
Bei Euro-Staatsanleihen – vor allem bei französischen und deutschen Papieren – bleiben wir weiterhin zurückhaltend. Ausgenommen sind italienische Staatsanleihen, die wir neutral sehen. Schwellenländer-Hartwährungsanleihen sehen wir im Vergleich zu globalen Staatsanleihen (vor allem aus den USA und aus Japan) als chancenreicher.
Unternehmensanleihen: Newsflow sollte unterstützend wirken
Euro-Unternehmensanleihen (Non-Financials) betrachten wir gegenüber Euro-Staatsanleihen als die bessere Wahl. Ebenso gegenüber anderer Euro-Non-Sovereign-Anleihen (Quasi Government, Collateralized Bonds). Der von uns beobachtete und erwartete kurzfristige Newsflow sollte diese Anleiheklasse weiter unterstützen.
Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen: Unterstützung durch globalen Aufschwung
Die globale wirtschaftliche Erholung unterstützt auch die Ertragserwartungen dieser Anleiheklasse, wenngleich das Ende der Covid-19-Pandemie in den Schwellenländern langsamer vonstattengeht. Wir erwarten vorerst keinen wesentlichen Aufwärtsdruck bei den Risikoprämien von Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen, sondern bewerten diese nach wie vor als attraktiv.
Entwickelte Aktienmärkte: unverändert positives Kapitalmarktumfeld
Die internationalen Aktienmärkte sind im zweiten Quartal in einen Konsolidierungsmodus eingetreten. Die Märkte sind nun sicher, dass wir die Corana-Pandemie hinter uns lassen werden und damit rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie und wann die Geldpolitik ihren Pfad ändern wird. Kurzfristig mahnen verschiedene Stimmungsindikatoren zwar zu Vorsicht (überkaufte Marktsituation), wir erwarten aber auf Sicht der nächsten Monate ein unverändert positives Kapitalmarktumfeld.
Schwellenländer-Aktien: Ausbruch nach oben möglich
Aktien aus den Emerging Markets sind nach den starken Anstiegen bereits im ersten Quartal in eine Konsolidierungsphase eingetreten. Zuletzt mehrten sich die Anzeichen, dass ein Ausbruch nach oben erfolgen kann. Getragen wird die Bewegung von Osteuropa, das stärker zyklisch geprägt ist und daher anders klassifiziert werden muss als etwa Asien. Beim Gewinnwachstum ist erkennbar, dass die Regionen Lateinamerika und Osteuropa, deren Unternehmen besonders von der Krise getroffen wurden, jetzt sehr stark aufholen.
Rohstoffe: Edelmetalle präsentieren sich schwächer
Auch das zweite Quartal ist bisher an den Rohstoffmärkten von Stärke geprägt. Dabei treten immer mehr Angebotsthemen in den Vordergrund und unterstützen die zyklischeren Marktsegmente. Nicht verwunderlich ist, dass sich im Umfeld steigender Renditen Edelmetalle im ersten Quartal schwächer präsentiert haben. Die Pause bei den Renditeanstiegen zuletzt und die damit einhergehenden Anstiege bei Gold zeigen, dass ein struktureller Trend hin zu Gold besteht.
Ingrid Szeiler, CIO, Raiffeisen KAG