Wenngleich das Resümee für den bisherigen Verlauf des Kapitalmarktjahres 2021 absolut positiv ausfällt, ist bei weitem nicht alles „nach Plan“ verlaufen. Im Zuge einer deutlich anziehenden Weltkonjunktur war zu erwarten, dass nach Jahren, in denen der US-Aktienmarkt aufgrund seiner relativ hohen Gewichtung von Technologie- und Wachstumswerten outperformt hat, im heurigen Jahr europäische und vor allem Emerging Markets-Aktien eine bessere Marktperformance aufweisen werden. Dies war zu Beginn des Jahres auch tatsächlich der Fall, jedoch trübten sich in weiterer Folge insbesondere die Perspektiven für die Emerging Markets aufgrund der Covid-Situation und damit verbundener schwächerer Wirtschaftsdaten sowie einer Reihe belastender Nachrichten aus China sukzessive ein.
Folglich haben die Emerging Markets seit Jahresbeginn gegenüber entwickelten Aktienmärkten sogar sehr klar underperformt. Auch die über einige Monate anhaltende Outperformance von Europa-Aktien ist zuletzt wieder ins Stocken geraten. Dies ist einerseits auf den erneuten Favoritenwechsel von zyklischen Aktien aus dem Wertebereich („Value“) in Richtung defensiver Aktien des Wachstumsbereichs („Growth) und andererseits auf die – ebenfalls entgegen der Konsenserwartung – wieder deutlich rückläufigen Anleiherenditen zurückzuführen. Die damit verbundene Verflachung der Zinskurven lastet auf Finanzwerten. Die Entwicklung des Euro zum US-Dollar ist ebenfalls durchaus unerwartet verlaufen. Anders als prognostiziert notiert der US-Dollar seit Jahresbeginn gegen den Euro etwas fester und stützt damit zusätzlich die Performance von US-Assetklassen für Anleger auf Euro-Basis.
Staatsanleihen: Inflationserwartungen historisch hoch
Bei Euro-Staatsanleihen – insbesondere inflationsindexierten Staatsanleihen – bleiben wir vorsichtig. Die gepreisten Inflationserwartungen sind im historischen Vergleich sehr hoch und die Diskussionen um nachhaltig höhere Inflationsraten ausgeprägt. Die realen deutschen Renditen sind so tief wie nie zuvor. Wir denken nicht, dass die Inflationsraten kurzfristig abrupt sinken werden, die - am Markt für inflationsindexierte Anleihen - gepreisten mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen erachten wir als zu hoch.
Unternehmensanleihen: Unternehmenssektor in guter fundamentaler Verfassung
Euro-Unternehmensanleihen (IG Non-Financials) betrachten wir gegenüber Euro-Staatsanleihen als attraktiv - zudem schätzen wir USD High-Yield-Unternehmensanleihen positiv ein. Die fundamentale Verfassung des Unternehmenssektors präsentiert sich sehr gut. Die Gewinnrevisionen deuten so stark nach oben und die Verschuldungssituation hat sich (in Anbetracht guter operativer Ergebnisse und hoher Cash-Bestände) entspannt.
Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen: Unterstützung durch globalen Aufschwung
Bei Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen – insbesondere bei Non-Euro Staatsanleihen und hier vor allem US-Staatsanleihen – bleiben wir weiter zurückhaltend. Die globale wirtschaftliche Erholung unterstützt auch die Ertragserwartungen dieser Anleiheklasse, wenngleich das Ende der Covid-Pandemie in den Emerging Markets langsamer vonstattengeht und dort Lieferketten-Engpässe verursacht. Wir erwarten keinen wesentlichen weiteren Aufwärtsdruck bei den Risikoprämien von Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen.
Entwickelte Aktienmärkte: unverändert positives Kapitalmarktumfeld
Die internationalen Aktienmärkte befinden sich nach einer kurzen Konsolidierungsphase im Juni nahe ihrer Jahreshöchststände. Die Aussicht auf weiter sehr expansive Notenbanken und eine starke Gewinndynamik sorgen aktuell für ein sehr unterstützendes Kapitalmarktumfeld. Inflationsdaten und zunehmende Diskussionen um den Zeitpunkt der Rückführung von Notenbankmaßnahmen in den USA werden dennoch für Volatilität in den kommenden Monaten sorgen. Auf Sicht der nächsten Monate erwarten wir aber ein unverändert positives Kapitalmarktumfeld.
Schwellenländer-Aktien: Entwicklung schlechter durch belastete Stimmung
In den letzten Wochen entwickelten sich Schwellenländer-Aktienmärkte deutlich schlechter als ihre entwickelten Pendants. Neben der negativen Covid-Dynamik (Stichwort Delta-Variante) haben zuletzt vor allem die Regulierungseingriffe in China die Stimmung belastet. Beim Gewinnwachstum ist erkennbar, dass die Regionen Lateinamerika und Osteuropa, deren Unternehmen besonders von der Krise getroffen waren, jetzt sehr stark aufholen.
Rohstoffmärkte präsentieren sich von der festen Seite
Die Rohstoffmärkte präsentieren sich weiter von der festen Seite. Dabei treten vermehrt Angebotsthemen in den Fokus, die daher die zyklischeren Rohstoffsegmente unterstützen. Trotz gestiegener Preise sind die Unternehmen was Investitionen betrifft (und damit zukünftiges Angebot) weiterhin sehr diszipliniert. Diese Zurückhaltung dürfte zu keiner raschen Entspannung auf der Angebotsseite führen und daher die Rohstoffpreise weiter unterstützen.
Ingrid Szeiler, CIO der Raiffeisen KAG