Wenn sich die Währungshüter in Jackson Hole zum Gedankenaustausch treffen, hält die Finanzwelt den Atem an. Zurecht, denn die Geldpolitik ist einer der wesentlichsten Treiber der Wirtschafts- und Marktentwicklung. Gerade in den Jahren seit der Finanzkrise hat eine ultralockere Geldpolitik rund um den Globus den Anlegern wahre Kursfeuerwerke – vor allem an den Aktienmärkten – beschert. Die Kursentwicklung der letzten zehn Jahre lag etwa am US-Aktienmarkt im besten Dezil der Nachkriegszeit. Vor diesem Hintergrund beobachten die Anleger verständlicherweise mit Argusaugen, wann diese enorme geldpolitische Stützung wegfallen könnte. Die Erinnerungen an Ende 2018 sind noch präsent, als eine restriktivere Fed die Aktienmärkte schließlich in die Knie gezwungen hat. Die folgende 180-Grad-Drehung in der Geldpolitik hat dann allerdings nicht nur Schlimmeres verhindert, sondern auch den Treibstoff für ein sehr gutes Aktienjahr 2019 geliefert. Doch langsam! Von einer restriktiven Geldpolitik sind wir so weit entfernt wie von der Herdenimmunität gegen Corona. Nur zur Sicherheit: wir diskutieren aktuell, wann die Fed ihre Anleihenkäufe reduzieren könnte. Dieser Zeitpunkt wird allgemein rund um den Jahreswechsel taxiert. Bedeutet, dass bis weit ins Jahr 2022 hinein Anleihen gekauft werden. Und erst dann kommen höhere Leitzinsen, welche aktuell nahe Null liegen. Ein geldpolitisch induzierter Abschwung an den Aktienmärkten ist daher nicht vor 2023 wahrscheinlich. Bis dahin werden sich die Anstiege wohl abflachen und von höherer Volatilität begleitet sein. Rückschläge sind nicht zuletzt nach diesem extrem starken Sommer, etwa aufgrund von zwischenzeitlich enttäuschenden Konjunktur- oder Inflationsdaten, jederzeit möglich. Auf mittlere Sicht bleibt eine Übergewichtung von Aktien jedoch das Gebot der Stunde, zumal viele Anleihesegmente weiterhin unter der unattraktiven Renditelandschaft leiden.
Staatsanleihen – Zurückhaltung angebracht
Der aktuelle Konjunkturausblick würde höhere Renditen rechtfertigen. Dementsprechend bleiben wir vor allem bei kerneuropäischen Staatsanleihen zurückhaltend. Das trifft innerhalb der Euro-Staatsanleihen auch auf inflationsindexierte Staatsanleihen zu. Die gepreisten Inflationserwartungen sind nach wie vor sehr hoch. Die realen Renditen deutscher Staatsanleihen sind so tief wie nie zuvor. Wir denken nicht, dass die Inflationsraten kurzfristig bzw. abrupt sinken werden. Die am Markt für inflationsindexierte Anleihen gepreisten mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen erachten wir hingegen als zu hoch.
Unternehmensanleihen: Ausfallsraten bei High-Yield-Anleihen zuletzt deutlich gesunken
Innerhalb dieser Assetklassen sehen wir bei Euro-Unternehmensanleihen (Investmentgrade Non-Financials) sowie bei US-Dollar-High-Yield-Unternehmensanleihen die größten Chancen. Die Ausfallsraten der Letztgenannten sind deutlich gesunken (dzt. 3 %) und werden von der Ratingagentur Moody's in einem Jahr bei 2 % erwartet. Die Gewinnmargen steigen weiterhin an und die Gewinnrevisionen deuten nach Norden. Zudem entspannt sich die Verschuldungssituation und der Refinanzierungsmechanismus funktioniert insbesondere im High-Yield-Segment äußerst gut.
Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen: kein wesentlicher Aufwärtsdruck bei Risikoprämien
Wir erachten Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen weiterhin als attraktiv. Das Spread-Einengungspotenzial ist unserer Meinung nach jedoch deutlich gesunken. Der weitere Verlauf der Covid-Pandemie, damit verbundene Unterbrechungen der Lieferketten aus den Schwellenländern sowie die Maßnahmen der US-Notenbank (Tapering, Zinsausblick) werden die Entwicklung dieser Anleiheklasse in den kommenden Monaten prägen. Wir erwarten keinen wesentlichen Aufwärtsdruck der Risikoprämien von Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen.
Entwickelte Aktienmärkte: Kapitalmarktumfeld bleibt unterstützend
Die internationalen Aktienmärkte präsentieren sich weiterhin sehr fest. Die Aussicht auf weiter expansive Notenbanken und eine starke Gewinnentwicklung sorgen aktuell für ein sehr unterstützendes Kapitalmarktumfeld. Eine nachlassende Dynamik bei Wirtschaftswachstum und Gewinnmomentum sowie zunehmende Diskussionen um den Zeitpunkt der Rückführung von Notenbankmaßnahmen in den USA werden dennoch für Volatilität in den kommenden Monaten sorgen.
Schwellenländer-Aktienmärkte können mit entwickelten Aktienmärkten nicht mithalten
Die Covid-Entwicklung im asiatischen Raum hinterlässt mittlerweile auch in der Konjunktur ihre Spuren: War die Region bisher Covid-Musterschüler, funktioniert die Strategie mit der ansteckenderen Delta-Variante mittlerweile nicht mehr so reibungslos. Das belastet insbesondere auch die Aktienmärkte, und lässt sie relativ zu entwickelten Märkten neuerlich sehr schlecht aussehen. Erschwerend kommt hinzu, dass die regulatorischen Eingriffe bei den bisher so erfolgreichen chinesischen Technologie-Giganten auch einen bisher sehr erfolgreichen Sektor massiv treffen.
Rohstoffe: Angebotsthemen unterstützen zyklischere Rohstoffsegmente
Die Rohstoffmärkte präsentieren sich weiter von der festen Seite. Dabei treten vermehrt Angebotsthemen in den Fokus, die daher die zyklischeren Rohstoffsegmente unterstützen. Trotz gestiegener Preise sind die Unternehmen was Investitionen betrifft (und damit zukünftiges Angebot) weiterhin sehr diszipliniert. Diese Zurückhaltung dürfte zu keiner raschen Entspannung auf der Angebotsseite führen und daher die Rohstoffpreise weiter unterstützen.
Ingrid Szeiler, CIO der Raiffeisen KAG