Das Verhältnis zwischen Aktienkursen und den Gewinnen der Unternehmen, kurz KGV, eines globalen Aktienkorbes liegt aktuell bei 24. Das ist im historischen Kontext relativ hoch, denn nur rund 15 % der Beobachtungen der letzten fünfzig Jahre zeigen eine Bewertung in dieser oder in einer höheren Größenordnung. Anders gesagt: In 85 % des genannten Zeitraumes waren Aktien billiger als jetzt. Wenn man die Schwankungen der Unternehmensgewinne glättet, verbessert sich das Ergebnis nicht. Im Gegenteil: Dieser stabilere Bewertungsansatz deutet sogar darauf hin, dass Aktien im historischen Vergleich noch teurer sind. Warum kümmern uns diese sogenannten Bewertungen überhaupt, dieses Gerede, dass Aktien schon (zu) teuer sind? Diese Beschäftigung ist höchst relevant, vor allem wenn man langfristig denkt. Denn die Höhe der Bewertung zum Investitionszeitpunkt weist einen indirekten Zusammenhang mit den zu erwartbaren Erträgen der Veranlagung auf. Im Klartext: Je billiger man Aktien kauft, desto besser kann die Performance ausfallen – und umgekehrt. Die historische Betrachtung ist das eine. Aktienbewertungen müssen aber auch in den Kontext des aktuellen Umfelds gestellt und vor allem müssen auch Alternativveranlagungen beleuchtet werden. Globale Unternehmensanleihen bringen etwa nur noch rund 1,5 % Rendite. Somit sehen die rund 4 % Gewinnrendite aus Aktien (das ist der Kehrwert des KGV) wieder attraktiv aus. Alles relativ. Für Anlegerinnen und Anleger bedeutet das, dass langfristig weiterhin kein Weg an Aktien vorbeiführt. Kurzfristig betrachtet, und damit zur taktischen Einschätzung, haben sich allerdings die Anzeichen verdichtet, dass sich die Anstiege bei wesentlich höherer Volatilität abflachen werden. Geldpolitik, Inflation und zuletzt auch die sprunghaft angestiegenen Gaspreise könnten auf kurze Sicht zu Nervosität an den Märkten führen.
Staatsanleihen – Inflationsdruck bleibt vorläufig aufrecht
Unsere Erwartung höherer Staatsanleiherenditen hat sich im September bestätigt. Wir bleiben bei kerneuropäischen Staatsanleihen weiterhin vorsichtig. Innerhalb der Euro-Staatsanleihen sind wir insbesondere bei inflationsindexierten Staatsanleihen zurückhaltend. Wir denken nicht, dass der unmittelbare Inflationsdruck abrupt nachlässt, die am Markt für inflationsindexierte Anleihen gepreisten mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen erachten wir hingegen als zu hoch.
Unternehmensanleihen: Unternehmenssektor präsentiert sich margenstark
Euro-Unternehmensanleihen (Investmentgrade-Non-Financials) erachten wir gegenüber Euro-Staatsanleihen als interessanter. Auch US-Dollar-High-Yield-Unternehmensanleihen sehen wir – währungsgesichert – gegenüber Globalen Staatsanleihen als attraktiver. Das Spread-Einengungspotenzial erachten wir zwar als relativ gering, Spread-Ausweitungen sind unserer Meinung nach aber deutlich unwahrscheinlicher. In Summe präsentiert sich der Unternehmenssektor margenstark. Hohe Rohstoffpreise und Lieferkettenengpässe belasten einen Teil der Unternehmen in Form höherer Inputkosten, gleichzeitig profitieren sie nach wie vor von pandemiebedingten Kosteneinsparungsprojekten.
Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen: Zins- und Geldpolitik der USA entscheidend
Für Schwellenländer-Hartwährungsanleihen wird das Timing der endenden Anleihenkäufe durch die US-Notenbank relevant sein, deren Umsetzung wir weiterhin als "marktschonend" beurteilen und risikoreichere Anleiheklassen dadurch wenig gefährdet sehen. In Summe erachten wir die Zins- und Geldpolitik der USA für relevanter als die fundamentale Verfassung der Emerging Markets.
Entwickelte Aktienmärkte: Fokus auf erwartete Rückführung von Notenbankmaßnahmen
An den internationalen Aktienmärkten hat in den letzten Wochen eine leichte Konsolidierung eingesetzt. Neben den Evergrande-Turbulenzen - deren Auswirkungen auf die globalen Aktienmärkte wir für begrenzt sehen - rückt die Diskussion um den Zeitpunkt und Pfad der Rückführung von Notenbankmaßnahmen, ausgehend von den USA, immer stärker in den
Fokus der Anlegerinnen und Anleger. Wir erwarten, dass dies in den kommenden Monaten für stärkere Volatilität sorgen wird.
Schwellenländer-Aktienmärkte: Regulatorische Eingriffe in China belasten Technologie-Sektor
Die Covid-Entwicklung im asiatischen Raum hinterlässt mittlerweile auch in der Konjunktur ihre Spuren: War die Region bisher Covid-Musterschüler, funktioniert die Strategie mittlerweile mit der ansteckenderen Delta-Variante nicht mehr so reibungslos. Das belastet insbesondere auch die Aktienmärkte, die relativ zu entwickelten Märkten neuerlich sehr schlecht aussehen. Erschwerend kommt hinzu, dass die regulatorischen Eingriffe, bei den bisher so erfolgreichen chinesischen Tech-Giganten, auch einen bisher sehr erfolgreichen Sektor massiv treffen.
Rohstoffe: Angebotsthemen treten in den Fokus
Die Rohstoffmärkte präsentieren sich weiter von der festen Seite. Dabei treten vermehrt Angebotsthemen in den Fokus, die daher die zyklischeren Rohstoffsegmente unterstützen. Trotz gestiegener Preise sind die Unternehmen, was Investitionen betrifft (und damit zukünftiges Angebot), weiterhin sehr diszipliniert. Diese Zurückhaltung dürfte zu keiner raschen Entspannung auf der Angebotsseite führen und daher die Rohstoffpreise weiter unterstützen.
Ingrid Szeiler, CIO der Raiffeisen KAG