In den letzten Wochen hat die US-Notenbank die Rhetorik hinsichtlich ihrer Geldpolitik spürbar verschärft. So wurde in Aussicht gestellt, dass die Anleihekäufe bereits im ersten Quartal eingestellt und in weiterer Folge die Leitzinsen angehoben würden. Mittlerweile wird diskutiert, ab wann die Fed ihre Anleihebestände wieder reduzieren wird. All das hat zweierlei bewirkt: Erstens hat sich die gesamte US-Zinskurve spürbar nach oben verschoben. Und zweitens stellen sich viele Marktteilnehmer die bange Frage, ob die Fed heuer zum Spielverderber für Aktienanlegerinnen und -anleger mutieren wird. Deutlich höhere Zinsen wären ja schlecht für die Aktienmärkte. Befeuert wird die Diskussion zusätzlich von den Aussagen namhafter US-Banker, die für heuer bis zu sieben Zinsanhebungen erwarten. Das sehen wir aber als übertrieben an. Tatsächlich ist es zumeist die Geldpolitik, die letztlich zu den größeren Rückschlägen an den Aktienmärkten führt – zuletzt gesehen im Jahr 2018. Die Ängste sind also berechtigt. Zu berücksichtigen ist allerdings nicht nur die Veränderung der Leitzinsen und der gesamten Zinskurve, sondern auch das Niveau. Und hier starten wir am kurzen Ende gleichsam bei null und bei zehnjährigen Anleihen liegen wir trotz der jüngsten Anstiege nach wie vor deutlich unter der 2 %-Marke. Somit ist es noch ein weiter Weg, bis die Geldpolitik die Schwelle von „weniger unterstützend“ zu „bremsend“ überschreiten wird. Und bis dahin finden die Aktienmärkte ein konstruktives Umfeld vor.
Staatsanleihen: Inflations- und Wachstumsschub in den USA
Im Umfeld steigender Renditen waren wir zuletzt bei europäischen Staatsanleihen, US-Staatsanleihen und UK-Staatsanleihen vorsichtig. Dieser Linie bleiben wir vorläufig treu. Wir erwarten vor allem in den USA relativ zur Eurozone und Großbritannien einen stärkeren Inflations- und Wachstumsschub, weshalb sich deren Renditeabstände tendenziell ausweiten sollten. Das Schwellenländer-Hartwährungs-Segment ist nicht nur etwas attraktiver bewertet, sondern wir sehen auch, dass sich mittelfristig die aktuell negative Nachrichtenlage (Türkei, Russland, Ukraine, Kasachstan) etwas entspannen wird.
Unternehmensanleihen: keine erhöhten Ausfallsrisiken erkennbar
Nachdem die Notenbanken in diesem Jahr einen deutlich restriktiveren Pfad einschlagen werden, wird die Entwicklung der Credit-Spreads, neben allgemeinen Konjunkturdaten, stark von den Berichtssaisonen abhängig sein. Hier gehen wir noch von einer soliden Entwicklung aus. Erhöhte Ausfallsrisiken sehen wir am Euro-Corporate-Bond-Markt aufgrund der hohen Cash-Bestände der Unternehmen nicht.
Entwickelte Aktienmärkte: Notenbankpolitik als Risikofaktor – aber noch nicht jetzt
Die internationalen Aktienmärkte haben in den letzten Wochen etwas konsolidiert. Als bestimmendes Thema wurde Omikron (trotz nach wie vor hoher Zahlen) eindeutig vom Themenkomplex Inflation/Zinsanhebungen abgelöst. Eine schnellere und stärkere (als aktuell erwartete) Rückführung der expansiven Notenbankpolitik der letzten Jahre stellt auch für uns einen der Risikofaktoren für das heurige Jahr dar. In Summe sehen wir die Notenbankpolitik aber auf Sicht der nächsten Monate als weiter unterstützend an und nutzen daher die aktuell schwächeren Kurse für Zukäufe.
Schwellenländer-Aktienmärkte: Politische Lage in Osteuropa belastet die Region
Obwohl mit Omikron und der damit einhergehenden deutlich gestiegenen Übertragbarkeit eine NO-COVID Strategie immer schwerer aufrechtzuerhalten ist, geht China bisher weiter diesen Weg. Damit sind wieder größere Regionen von Ausgangssperren betroffen. Das belastet Chinas Wachstum und heizt die Lieferkettenproblematik an. Die Zuspitzung der geopolitischen Lage in Osteuropa hat zusehends negative Auswirkungen auf die Region. Bei einer Eskalation der Lage ist hier von deutlichen Auswirkungen auf die gesamten Emerging Markets zu rechnen.
Rohstoffmärkte: Energiesektor mit starkem Jahresbeginn
Die Rohstoffmärkte (insbesondere der Energiesektor) konnten einen sehr starken Jahresbeginn verbuchen. Als das bestimmende mittelfristige Thema sehen wir weiterhin, dass die Unternehmen trotz gestiegener Preise sehr zurückhaltend bei Investitionen (und damit zukünftigem Angebot) sind. Diese Vorsicht dürfte zu keiner raschen Entspannung auf der Angebotsseite führen und daher die Rohstoffpreise weiter unterstützen.
Ingrid Szeiler, CIO der Raiffeisen KAG*
* Die Raiffeisen KAG steht für Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.